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Lothar Schmid (1928-2013)

Der Mann, der Fischer und Spasski zum Spielen brachte

Reykjavik, 1972. Die Welt schaut zu, als der Kalte Krieg am Schachbrett ausgetragen wird: Bobby Fischer gegen Boris Spasski, USA gegen Sowjetunion. Doch das "Match des Jahrhunderts" droht mehrmals zu scheitern. Erst erscheint Fischer verspätet, dann verlangt er Sonderregeln. Spasski ist empört, der Abbruch steht im Raum. In dieser angespannten Lage greift der Schiedsrichter ein: Lothar Schmid. Vor der dritten Partie packt er beide Spieler an den Schultern, drückt sie in ihre Stühle und sagt: "Now play chess!" Spasski zieht. Das Match geht weiter. 

Das Match lief erst ein paar Sekunden, da beschwerte sich Bobby Fischer schon bei Schiedsrichter Lothar Schmid über die Kamera

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Lothar Schmid, geboren am 10. Mai 1928 in Radebeul bei Dresden, war Jurist, Verleger und Schachgroßmeister. Als Chef des Karl-May-Verlags in Bamberg leitete er Jahrzehnte lang das Familienunternehmen, das die Abenteuerromane von Karl May verlegte. Beruflich eingespannt, blieb ihm für das Schach nie Zeit für eine Profikarriere. Dennoch gehörte er zur Weltspitze.

Als Spieler wurde Schmid deutscher Jugendmeister (1947), Sieger der ersten Deutschen Pokalmeisterschaft (1950) und Großmeister (1959). Bei internationalen Turnieren schlug er Spieler wie Bogoljubow, Keres und Botwinnik. Bei elf Schacholympiaden (1950–1974) spielte er für Deutschland, meist am zweiten Brett. 1964 gewann er in Tel Aviv gegen Keres, 1965 bezwang er Botwinnik mit Königsindisch. Der "Schmid-Benoni" trägt seinen Namen. Im Fernschach wurde er deutscher Meister und Vizeweltmeister.

Bekannt wurde Schmid jedoch vor allem als Schiedsrichter. Nach seinem Einsatz beim WM-Kandidatenduell Fischer–Petrosjan (1971) ernannte ihn die FIDE zum Hauptschiedsrichter des WM-Matches 1972 in Reykjavik. Beide Kontrahenten akzeptierten ihn. Ohne Schmids diplomatisches Geschick hätte das Match wohl kein Ende gefunden. Auch bei den Weltmeisterschaften Karpow–Kortschnoi (1978), Kasparow–Karpow (1986) und beim "Revanchematch" Fischer–Spasski (1992) übernahm er die Leitung. 2005 ernannte ihn die FIDE zum "Schachschiedsrichter des Jahrhunderts".


Die Geschichte des Jahrhundertmatches, erzählt von dem, der es organisiert hat: Gudmundor Thorarinsson, Unternehmer und seinerzeit Chef des isländischen Schachverbands

Schmid sammelte Schachliteratur mit Leidenschaft. Seine Sammlung umfasste mehr als 50.000 Werke, darunter das erste gedruckte Schachbuch von Lucena (1497). Auch als Förderer wirkte er: Er leitete die FIDE-Kommission "Schach und Kunst" und war Ehrenmitglied der FIDE und des Deutschen Schachbunds.

Für seine Verdienste erhielt Lothar Schmid das Silberne Lorbeerblatt (1970), das Bundesverdienstkreuz (1993) und zahlreiche Ehrenmitgliedschaften. Am 18. Mai 2013 starb er in Bamberg im Alter von 85 Jahren.

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