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Kurt Jungwirth (1929-2025)

Kurt Jungwirth ist tot – Ein halbes Jahrhundert österreichische Schachgeschichte geht zu Ende
Quelle: Schach-Aktiv Sonderheft 2017, ÖSB-Website

Kurt Jungwirth, fast fünf Jahrzehnte Präsident des Österreichischen Schachbundes (ÖSB), ist gestorben. Mit ihm endet eine Ära, die das österreichische Schach prägte wie keine zweite. Von 1971 bis 2017 stand Jungwirth an der Spitze des ÖSB, war zwischenzeitlich FIDE-Vizepräsident und eine zentrale Figur im internationalen Schachbetrieb.

Was Jungwirth verändert hat – eine Bilanz seiner Präsidentschaft

1. Reorganisation und Föderalismus
Als Jungwirth 1971 Präsident wurde, war der ÖSB zerstritten und finanziell angeschlagen. Er setzte auf föderale Repräsentation: Jedes Bundesland sollte im Vorstand vertreten sein. Damit beendete er die lange Dominanz Wiens und stärkte den innerösterreichischen Zusammenhalt im Schach.

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2. Jugend- und Schulschach
1976 gelang ihm ein Durchbruch: Schulschach wurde durch das Unterrichtsministerium offiziell anerkannt und breit eingeführt. Jungwirth betrachtete das als eine seiner wichtigsten Leistungen. Parallel baute er die Jugendmeisterschaften auf und förderte gezielt junge Talente – ein entscheidender Impuls für das Wachstum des Schachs im Land.

3. Professionalisierung und internationale Anerkennung
Jungwirth holte bedeutende Turniere nach Österreich, etwa die Studenten-WM 1972 in Graz, bei der Anatoli Karpow spielte, und die Junioren-WM 1981 mit Kasparow. Auch die Einführung der Staatsliga 1975/76 fällt in seine Amtszeit – eine Strukturreform, die das Spitzenschach stabilisierte.

4. Internationale Vernetzung und politische Lobbyarbeit
Mit seiner internationalen Vernetzung – auch als FIDE-Vizepräsident – holte Jungwirth Weltklasse-Spieler nach Österreich und stärkte die diplomatische Stellung des ÖSB. Besonders erfolgreich war seine Arbeit mit Landespolitikern, etwa in der Steiermark, was Förderungen erleichterte.

5. Kampf um die Anerkennung als Sportart
2005 wurde Schach in Österreich offiziell als Sport anerkannt. Jungwirth war maßgeblich daran beteiligt, insbesondere durch gute Beziehungen zu Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Damit öffneten sich Fördermittel aus dem Sportbudget, erstmals erhielt der ÖSB 50.000 Euro jährlich. In der Folge baute er ein Trainerausbildungssystem auf.

6. Schach für alle Generationen
Ob Jugend-EMs, Senioren-EMs oder die Förderung von Opens: Jungwirth setzte auf Breite und Vielfalt. Unter seiner Führung wuchs die Turnierlandschaft in Österreich – durch viele private Initiativen, die er unterstützte und öffentlich würdigte.

7. Konflikte mit der Spielerszene
Nicht alles gelang: In den 1990er-Jahren kam es zu Boykotten und Spannungen, als Spitzenspieler mehr Förderung verlangten. Jungwirth wollte begrenzte Mittel gezielt einsetzen, lehnte aber pauschale Zahlungen ab. Das führte zur Spaltung mit der Initiative „Top Chess“.

8. Medien, Computer, Öffentlichkeit
Jungwirth erkannte früh die Rolle der Medien – versuchte Radio und Fernsehen einzubinden, setzte auf Print und war offen für technische Neuerungen. Gleichzeitig warnte er vor der Gefahr von Betrug durch Computerhilfe. Mit öffentlichen Simultans, etwa gegen Karpow im ORF-Studio, suchte er Sichtbarkeit.

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Mit Jungwirths Rückzug 2017 endete eine Ära. Sein Nachfolger wurde Christian Hursky. Doch die Institutionen, die Jungwirth geschaffen hat – Schulschach, Staatsliga, Trainerausbildung, Turnierlandschaft – wirken weiter. Das österreichische Schach ist heute professioneller, breiter verankert und international sichtbarer – vor allem durch Markus Ragger, der unter Jungwirths Präsidentschaft zur Weltklasse heranwuchs.

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