Bitte oder Registrieren, um Beiträge und Themen zu erstellen.

Robert Hübner

VorherigeSeite 2 von 2

Robert Hübner war vieles. Großmeister, WM-Kandidat, Wissenschaftler, Übersetzer, Sprachgelehrter – und: Maler von Mumienporträts.

Wer sich dem Leben des Kölner Schachgenies nähert, stößt schnell auf das Bild des strengen, brillanten, manchmal sperrigen Kopfmenschen. Doch der Beitrag von Siegfried Schönle auf der Website der Chess History & Literature Society zeigt, wie vielschichtig Hübner wirklich war. Schönle orientiert sich an Hübners eigenem Buch Elemente einer Selbstbiographie – und stellt die vielen Facetten dieses Ausnahmemenschen vor.

Der Schachspieler – gefürchtet und bewundert

Natürlich war Robert Hübner zuallererst Schachspieler. Ein Weltklassespieler über Jahrzehnte hinweg. Er lernte Schach mit fünf, gewann 1968 das Turnier in Büsum und gehörte bald zur absoluten Spitze. Sechsmal nahm er am Kandidatenturnier um die Weltmeisterschaft teil, kämpfte gegen Kortschnoi und andere Giganten seiner Zeit.

Werbung

Der rumänische Großmeister Mihail Marin nannte ihn einen Heldentöter – weil Hübner regelmäßig Weltstars schlug. Zwischen 1970 und 2000 spielte er bei elf Schacholympiaden für Deutschland.

Doch Schach war für Hübner nie alles. Vielleicht war es für ihn sogar nie das Wichtigste.

Der Wissenschaftler – Papyrologe aus Leidenschaft

Parallel zu seiner Schachkarriere studierte Hübner an der Universität Köln Altgriechisch und Latein. Er promovierte 1976 über Papyrusurkunden aus dem Alltag des 1. Jahrhunderts vor Christus.

Diese Urkunden, meist in Griechisch verfasst, analysierte und übersetzte er akribisch. Sie berichten von Steuerlisten, Verträgen oder Eidformeln. Eine davon – der Eid eines Deichaufsehers – wurde sogar im Spiegel abgedruckt.

Seine Leidenschaft für die Welt der Antike war tief. Er soll einmal gesagt haben: „Altgriechische Texte zu übersetzen, macht mir hundertmal mehr Spaß als Schach!“

Der Übersetzer – von Homer bis Olli

Bis in seine letzten Lebensjahre übersetzte Hübner Klassiker. Besonders stolz war er auf seine Übertragung der Ilias von Homer in deutsche Hexameter – ein reines Liebhaberprojekt.

Noch kurioser war sein Finnisch-Projekt: Nachdem er einmal gegen den finnischen Großmeister Heikki Westerinen gespielt hatte – und sich danach mangels gemeinsamer Sprache nicht unterhalten konnte – begann Hübner, Finnisch zu lernen.

Werbung

Am Ende übersetzte er sogar die humoristischen Geschichten des finnischen Autors Olli (Väinö Nuorteva) – darunter eine Satire über Schach.

Der Publizist – Schach für die breite Masse

Zwischen 1977 und 1985 schrieb Hübner eine Schachkolumne in der Fernsehzeitschrift Prisma, damals vor allem in Nordrhein-Westfalen weit verbreitet. Er stellte Stellungen vor, erklärte Mattbilder oder kommentierte eigene Partien.

Eine Aufgabe begann oft mit dem Satz: „Zur Einführung in die Lage...“ – dann folgte das Rätsel, dessen Lösung später manchmal seitenverkehrt abgedruckt war, um die Leser zum Nachdenken zu zwingen.

Der Kämpfer – Prinzipien über alles

Bekannt war Hübner auch für seine Unbeugsamkeit. Legendär wurde sein Rückzug aus dem WM-Kandidatenduell gegen Kortschnoi 1980/81 in Meran. Die Gründe? Persönlich, sagte er selbst. Es gehe um einen „Komplex von Gründen privater Natur“. Er widersprach später öffentlich kursierenden Theorien – ließ das Thema aber bewusst im Nebel.

Als die FIDE 2008 Dopingkontrollen im Schach einführen wollte, trat Hübner aus der Nationalmannschaft zurück. Er sah darin eine Entmündigung des Spielers.

Der Schachhistoriker – immer auch Forscher

Immer wieder zog es Hübner auch in die Welt der Schachgeschichte. 2007 war er Ehrengast beim Schachhistoriker-Seminar im polnischen Kórnik. Dort spielte er ein Simultan gegen Jugendliche und analysierte gemeinsam mit anderen Historikern seltene Schachquellen.

Der Urheberrechtsstreiter – Partien als Werk

Ein ungewöhnlicher Kampf beschäftigte ihn Anfang der 1980er-Jahre: Hübner wollte Schachpartien urheberrechtlich schützen lassen. Schließlich seien auch sie ein geistiges Werk. Er unterlag. Das deutsche Recht sah in einer Schachpartie kein schützbares Werk, weil es im Wettstreit entstehe.

Sein juristisches Gutachten liegt heute im Schachmuseum Löberitz.


Die Mumienporträts – Hübners verborgenste Leidenschaft

Das wohl ungewöhnlichste Kapitel in Robert Hübners Leben ist seine Liebe zu antiken Mumienporträts.

Diese Porträts stammen ursprünglich aus Ägypten. Es handelt sich um bemalte Holztafeln, die auf die Gesichter von Mumien gelegt wurden – entstanden zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert nach Christus.

Hübner kopierte diese Kunstwerke – in allerhöchster Präzision und mit selbstgemischten Farben. Er ließ sich dafür sogar in einem Schweizer Nonnenkloster ausbilden.

Goldauflagen, exakte Farbtöne, altägyptische Techniken – nichts war ihm zu aufwendig. Hübners Porträts waren keine schnellen Kopien, sondern Studien von Technik, Stil und Ausdruck.

Drei seiner Werke wurden in einem seiner Bücher Schund abgedruckt – versehen mit einer ironischen Bemerkung im Vorwort: Die Bilder seien eigentlich versehentlich in das Buch geraten, weil er „eine falsche Taste“ gedrückt habe.

Doch dieses Understatement war typisch für Hübner. Hinter dem Scherz steckt tiefe Ernsthaftigkeit. Er hatte sich intensiv mit den Techniken beschäftigt, um sich dieser alten Kunst anzunähern.

Werbung

Sein Freund Konrad Reiß vom Schachmuseum Löberitz berichtete, dass Hübner seine Mumienbilder mit größtem Können malte – und dass diese Werke zeigten, wie sehr Hübner über den Schachrand hinausschaute.


Der Mensch – leise, gebildet, hilfsbereit

Wer Robert Hübner persönlich kannte, beschreibt ihn als bescheidenen, hilfsbereiten und feinsinnigen Menschen.

Siegfried Schönle berichtet in seinem Nachruf, dass Hübner nie Wünsche unbeantwortet ließ. Dass seine Antworten stets kenntnisreich, oft ironisch, immer aber respektvoll und freundlich waren.

Er jagte nie Ruhm oder Geld hinterher. Er blieb stets seiner eigenen Welt treu – einer Welt aus Wissen, Genauigkeit, Eigenständigkeit und leiser Ironie.

Robert Hübner war nicht nur ein Schachgenie.

Er war ein Gelehrter alten Stils. Ein Übersetzer antiker Texte. Ein Sprachliebhaber. Ein Maler von Mumienporträts.

Und vielleicht war genau das sein größter Sieg: Dass er sich selbst nie auf eine Rolle festlegen ließ.

https://www.kwabc.org/de/news/gm-dr-phil-robert-huebner-br-6-11-1948-5-1-2025.html

Ein Schachmeister in Luxemburg – Robert Hübners Gastspiel in Echternach

Robert Hübner, der wohl größte Denker unter Deutschlands Schachgroßmeistern, spielte über ein Jahrzehnt lang für den Luxemburger Klub de Sprenger Echternach. Warum ausgerechnet dort? Gerd Densing zeichnet in Karl die Geschichte eines ungewöhnlichen Engagements nach, das mehr mit Freundschaft, Atmosphäre und Bescheidenheit zu tun hatte als mit sportlichem Ehrgeiz.

Ausgangspunkt war Hübners enge Verbindung zu Dr. Michael Trauth aus Trier, einem geisteswissenschaftlich gebildeten Schachfreund. Die beiden verbanden mehr als nur das Spiel – sie diskutierten Literatur, verbrachten gemeinsame Wochenenden, und fuhren sonntags über die Grenze, um in Luxemburg Punktspiele zu bestreiten. Als Trauth über Körholz zum Klub stieß, war bald auch Hübner mit dabei. Von 2008 bis 2019 spielte er zwei bis drei Partien pro Saison für Echternach – oft an Brett eins. Sieben Mal wurde er mit dem Verein Landesmeister.

Der einstige Weltklassespieler reiste meist mit dem Zug, übernachtete bei Trauth, kehrte mit Kölner Mitspielern zurück. Für ihn war Luxemburg ein wohltuender Gegenentwurf zum oft reglementierten deutschen Schachbetrieb: Kein Live-Brett, keine Kameras, keine Journalisten. Selbst Plastikfiguren störten ihn nicht. Die Partien verschwanden im Archiv, statt online in Datenbanken zu landen. Der Druck war geringer, die Atmosphäre familiär.

Als Trauth 2022 starb, endete auch Hübners Engagement. Zuvor war er immer seltener zufrieden mit seinen Leistungen, ließ öfter Remis gegen schwächere Gegner zu und zeigte sich im Vereinsheim mehr an den Partien anderer interessiert als an seinen eigenen. Seine Analysen waren keine Taktikshows, sondern stille Lektionen strategischer Tiefe.

Auch bei internationalen Einsätzen war er für Echternach dabei: etwa 2009 beim European Chess Club Cup in Ohrid, wo er 4,5 Punkte aus sieben Partien holte – unter anderem gegen die Superstars aus Moskau. Zwei Jahre später in Slowenien war er mit 3,5 aus sieben weniger erfolgreich, brillierte aber auch dort mit verblüffendem Gedächtnis und Analysevermögen.

Werbung

Was bleibt, ist die Erinnerung an einen zurückhaltenden, höflichen, tiefgründigen Menschen, der sich in Echternach sichtlich wohlfühlte – nicht wegen Titeln oder Preisgeldern, sondern wegen der Menschen, der Ruhe, der Gespräche über Homer und Handschriften, und eines roten Pullovers beim letzten Titelgewinn.

Schaacks Editorial über Hübner:

125_1

Ebenfalls Karl: der Zugpflichtschaden

VorherigeSeite 2 von 2
Werbung