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Der 1000 Jahre alte Springer

Pressemitteilung des Deutschen Archäologischen Instituts:

Mittelalterliche Spielesammlung ausgegraben - Archäologen finden seltene Schachfigur

auf einer Burg in Süddeutschland

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Ein Team von Archäologen entdeckt eine fast 1.000 Jahre alte Spielesammlung mit einer gut erhaltenen Schachfigur, Spielfiguren und Würfeln. Laboranalysen zeigen, dass eine Partei mit Rot gespielt hat. Die Laborergebnisse lassen auch Rückschlüsse auf die erstaunliche Kontinuität der Spielregeln zu. Die detaillierte Analyse der Funde verspricht Einblicke in die Spielwelt des mittelalterlichen Adels und in die Ursprünge des europäischen Schachspiels. Die Funde werden erstmals ab Juni 2024 zu sehen sein.

Vor über 1000 Jahren fand das Schachspiel seinen Weg aus dem Orient nach Europa. Schachfiguren aus der Frühzeit des Spiels sind sehr selten. Bei archäologischen Ausgrabungen in einer vergessenen Burg in Süddeutschland wurde nun eine hervorragend erhaltene Ritterfigur entdeckt. Der Fund ist Teil einer einzigartigen Spielesammlung, zu der auch andere Spielsteine und ein Würfel gehören. Ein internationales Expertenteam der Universität Tübingen, des Landesamtes für Denkmalpflege (LAD) und des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) untersucht nun diese Zeugnisse der frühen Spielkultur. Laboranalysen von Farbresten zeigen, dass eine der Parteien mit Rot gespielt hat. Typische Gebrauchsspuren deuten darauf hin, dass der Springer wie heute während eines Zuges hochgehoben wurde, was auf eine erstaunliche Kontinuität in den Spielregeln hinweist.

Gut erhaltene archäologische Funde von Schachfiguren und Spielfiguren anderer Brettspiele aus der Zeit vor dem 13. Jahrhundert sind in Mitteleuropa sehr selten. "Im Mittelalter gehörte Schach zu den sieben Fertigkeiten, die ein guter Ritter beherrschen sollte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die bekannten Funde meist aus Burgen stammen", erklärt Dr. Jonathan Scheschkewitz (LAD). "Die Entdeckung einer ganzen Spielesammlung aus dem 11./12. Jahrhundert kam für uns völlig überraschend und das pferdeförmige Ritterstück ist ein echtes Highlight", so Dr. Lukas Werther (DAI). Die Funde wurden bei Ausgrabungen des DFG-Sonderforschungsbereichs 1070 Ressourcenkulturen und des LAD in einer bisher unbekannten Burg in Süddeutschland (Baden-Württemberg, Kreis Reutlingen) entdeckt. "Sie lagen unter dem Schutt einer Mauer, wo sie im Mittelalter verloren gingen oder versteckt wurden", so Dr. Michael Kienzle (Universität Tübingen). Die Abdeckung trug dazu bei, dass die Artefakte an der Oberfläche außergewöhnlich gut erhalten sind. "Unter dem Mikroskop lässt sich ein typischer Glanz erkennen, der durch das Halten und Bewegen der Figuren entsteht", erklärt Dr. Flavia Venditti (Universität Tübingen). Neben der Schachfigur wurden vier blumenförmige Spielsteine sowie ein Würfel mit sechs Augen gefunden. Sie wurden aus Geweihen geschnitzt.

Bei der 4 cm hohen Pferdefigur sind die Augen und die Mähne eingegossen. Diese aufwendige Gestaltung ist typisch für besonders hochwertige Schachfiguren aus dieser Zeit. Die roten Farbreste, die auf den blumenförmigen Figuren gefunden wurden, werden derzeit chemisch analysiert. Von der detaillierten Analyse der Funde erhoffen sich die Forscher vielfältige Einblicke in die Spielwelt des mittelalterlichen Adels und die Wurzeln des europäischen Schachs. Der interessierten Öffentlichkeit werden die Funde erstmals 2024 in der großen Landesausstellung "Das verborgene LÄND" (Stuttgart, ab 13. September 2024, Link) und in der Sonderausstellung "Ausgegraben! Ritter und Burgen im Echaztal / Ausgegraben! Ritter und Burgen im Echaztal" (Pfullingen, ab 15. Juni 2024, Link) präsentiert. Ein 3D-Modell der Schachfigur, des Würfels und der Spielfigur ist bereits online verfügbar.

Schachfreund Ingram Braun, Schachspieler und Archäologe:

Die SZ ordnet den Fund ein:

Sonderausstellung zu den archäologischen Ausgrabungen auf Burg Stahleck und begleitendes Living History Event im Pfullinger Schlösslespark (15. / 16. Juni 2024)

https://www.nzz.ch/wissenschaft/schach-und-wuerfel-im-mittelalter-so-spielten-ritter-ld.1835743

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Zusammenfassung (AI):

Deutsche Archäologen haben in Reutlingen unter den Trümmern einer Burgmauer aus dem 11. oder 12. Jahrhundert bemerkenswerte Funde gemacht: eine Schachfigur, blütenförmige Spielsteine und einen Würfel. Diese seltenen Entdeckungen geben wertvolle Einblicke in das Freizeitvergnügen des mittelalterlichen Adels.

Die Schachfigur, ein etwa vier Zentimeter großer Springer, sorgt für besondere Aufregung. Lukas Werther, stellvertretender Direktor der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts, erklärt: „Die Regeln für Schach waren den heutigen im 11. und 12. Jahrhundert schon sehr ähnlich.“ Die Figur zeigt Abnutzungsspuren, die darauf hindeuten, dass sie oft genutzt wurde. „Dort, wo die Finger der Spieler das Pferdchen immer wieder berührten, um es hochzuheben oder zu verschieben, ist das Geweih ganz blank gerieben“, so Werther.

Schach, ursprünglich aus Indien stammend, hatte im Mittelalter bereits seinen Weg nach Europa gefunden und war an Adelshöfen populär. Petrus Alfonsi, ein Arzt und Gelehrter, zählte Schach neben Reiten und Bogenschießen zu den sieben Fertigkeiten, die ein idealer Ritter beherrschen sollte.

Neben der Schachfigur wurden auch vier blütenförmige Spielsteine gefunden, die wahrscheinlich für Spiele wie Tricktrack genutzt wurden, ein Vorläufer des heutigen Backgammon. Werther erläutert: „Mit derartigen Spielsteinen wurde unter anderem Tricktrack gespielt, das dem heutigen Backgammon ähnelt.“ Mühle war ebenfalls ein beliebtes Spiel dieser Zeit, wobei die Spielsteine oft rot gefärbt waren, wie Laboranalysen zeigten: „Rot war damals eine sehr übliche Farbe für Spielfiguren, insbesondere auch beim Schach.“

Der gefundene Würfel, ein klassischer sechsseitiger Würfel, weist darauf hin, dass auch Glücksspiele verbreitet waren. „Mit mehreren Würfeln wurden, ähnlich wie heute, verschiedene Glücksspiele gespielt“, erklärt Werther.

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