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Akiba Rubinstein (1880-1961)

Match gegen Carl Schlechter in Berlin 1918:

Chess in 1918: Rubinstein-Schlechter

Zusammenfassung (AI):

Im Januar 1918, während der Erste Weltkrieg Europa weiter erschütterte, trafen sich zwei der stärksten Schachmeister ihrer Zeit zu einem Wettkampf im Berliner Kerkau-Palast: Akiba Rubinstein aus Warschau und Carl Schlechter aus Wien. Die Begegnung war ursprünglich für Dezember 1917 angesetzt, wurde aber verschoben, weil Rubinstein „in letzter Minute völlig andere Bedingungen verlangte“, wie die Deutsche Schachzeitung berichtete. Letztlich einigte man sich auf ein Match über sechs Partien, der Sieger sollte 1.000 Mark erhalten, der Verlierer 600 Mark.

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„Ein Schachmatch im Schatten des Krieges“

Der bekannte Schachpublizist Jacques Mieses würdigte den Wettkampf in einem Artikel für das Berliner Tageblatt:

„Trotz des entsetzlichen Kampfes, der unsere gesamte Kraft fordert und den wir seit dreieinhalb Jahren führen, bleibt das Interesse an geistigen Dingen ungebrochen. Dass es inmitten dieser Zeit des Waffenklirrens möglich ist, erneut ein bedeutendes Schachmatch in der Reichshauptstadt zu veranstalten, ist ein freudiges Ereignis, nicht nur aus schachlicher Sicht.“

Das Match fand unter schwierigen Umständen statt. Die Versorgungslage in Berlin war angespannt, und das tägliche Leben wurde von der Kriegswirtschaft bestimmt. Dennoch reiste Schlechter einige Tage vor Beginn des Wettkampfs nach Prag, wo er eine Simultanvorstellung gab. Er spielte gegen 37 Gegner, gewann 24 Partien, verlor 4 und erzielte 9 Remis. Rubinstein, der bereits in Berlin war, trat am 19. Januar 1918 zu einem eigenen Simultan an und konnte 24 von 25 Partien gewinnen.

Ein ausgeglichener Start

Die erste Partie wurde am 21. Januar 1918 gespielt und endete unentschieden. Auch die zweite Begegnung brachte keine Entscheidung. Beide Spieler waren für ihre präzise Technik bekannt, und keiner wollte sich eine frühe Niederlage leisten.

In der dritten Partie geriet Rubinstein unter Druck. Ein Fehler reichte Schlechter, um die Partie zu gewinnen und mit 1,5:0,5 in Führung zu gehen. Doch Rubinstein glich in der vierten Partie aus. Mit einem starken Bauernvorstoß übernahm er die Initiative und zwang Schlechter zur Aufgabe.

Nach vier Partien stand es 2:2, und das Match wurde zur Nervensache.

Schlechter kritisiert das Format

Schlechter selbst äußerte sich in der Deutschen Schachzeitung skeptisch über die kurze Distanz des Wettkampfs:

„Jede einzelne Partie kann entscheidend sein, und das lähmt die Spieler. Sechs Partien sind zu wenig, um wirklich zur Form zu finden.“

Tatsächlich führte die fünfte Partie zu einem unerwarteten Umschwung. Schlechter unterlief ein grober Fehler, den Rubinstein sofort ausnutzte. Damit stand es 3:2 für den Warschauer Meister. In der sechsten Partie genügte ihm ein Remis, um das Match mit 3,5:2,5 für sich zu entscheiden.

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Politische Kontroversen um Rubinstein

Die britische Presse nahm das Match nicht nur als sportliches Ereignis wahr, sondern sah in Rubinsteins Teilnahme in Berlin einen politischen Affront. In der Falkirk Herald vom 20. März 1918 hieß es:

„Rubinstein scheint sich endgültig auf die Seite der Feinde seines Landes geschlagen zu haben. Sollte das zutreffen, können wir ihn von unserer Liste streichen. Russland zerfällt, und das Habsburgerreich steht in Flammen.“

Die Realität war komplizierter. Rubinstein war russischer Staatsbürger, lebte aber in Warschau, das seit 1915 von deutschen Truppen besetzt war. Als im März 1918 der Frieden von Brest-Litowsk zwischen Deutschland und Sowjetrussland unterzeichnet wurde, blieb unklar, welche politische Zukunft Polen haben würde. Erst im November 1918 erlangte das Land die Unabhängigkeit, und Rubinstein erhielt automatisch die polnische Staatsbürgerschaft.

Nach dem Match

Rubinstein kehrte nach dem Wettkampf vermutlich nach Warschau zurück. Schlechter blieb noch einige Tage in Berlin und gab am 31. Januar eine Simultanvorstellung, bei der er 19 Siege und ein Remis erzielte. Auf seiner Heimreise nach Wien machte er Halt in Aussig (heute Ústí nad Labem), wo er gegen mehrere Beraterteams spielte.

Nur wenige Monate später sollten sich Rubinstein und Schlechter erneut in Berlin treffen, diesmal bei einem Vier-Spieler-Turnier. Doch der Wettkampf vom Januar 1918 blieb ein besonderes Kapitel der Schachgeschichte – ein Aufeinandertreffen zweier Meister in einer unruhigen Zeit, ausgetragen in einer Stadt, die selbst vom Krieg gezeichnet war.

Akiba Rubinstein in den 1920ern

Wer heute an Akiba Rubinstein denkt, hat meist das Bild eines Genies aus der Vorkriegszeit im Kopf, dessen Glanz mit dem Ersten Weltkrieg zu verblassen begann. Doch die 1920er Jahre zeigen einen anderen Rubinstein: vergessen von der Mode, unterschätzt von der Öffentlichkeit, aber tiefer denn je auf der Suche nach dem Wesen des Schachs.


Über Rubinstein in den 1920ern.

Außenseiter in einer neuen Zeit

Zu Beginn der 1920er hatte die Schachwelt andere Helden: Capablanca regierte, neue Theorien und spektakuläre Partien bestimmten die Schlagzeilen. Rubinstein war arm, galt als eigenbrötlerisch – und begann langsam, sich von der Welt zu entfremden. „Seine Tragödie besteht darin,“ schrieb Tartakower, „dass die Logik, auf der er seine Kunst gründete, zerfiel und vom Fantastischen verdrängt wurde.“

Ein Weltmeisterschaftskampf gegen Capablanca? Rubinstein hätte ihn nach Ansicht vieler verdient. Doch niemand glaubte, dass er die nötigen Gelder auftreiben könnte, und so wurde er übergangen: kein WM-Match, keine Einladung nach New York 1924. Die Geschichtsschreibung setzte für viele mit seinem schwachen Abschneiden in St. Petersburg 1914 einen Schlusspunkt – zu Unrecht.

Die Jahre der Substanz

Rubinstein blieb – trotz persönlicher Krisen – einer der besten Spieler der Welt. Sein Turnierkalender ist eindrucksvoll: Zweiter in Göteborg 1920, Dritter in Den Haag 1921, Vierter in London 1922, Erster in Wien 1922, Zweiter in Baden-Baden 1925, geteilter Erster in Marienbad 1925, Dritter in Dresden 1926, geteilter Dritter in Bad Kissingen 1928, Vierter in Karlsbad 1929, Zweiter in Budapest 1929.

Was ihn auszeichnete, war die Tiefe. Tartakower sah in ihm jemanden, der „das Monumentale im Schach baute, Partien erschuf, die von einem einzigen, alles durchdringenden Gedanken getragen werden.“ Keine Effekthascherei – Rubinstein war der Meister der verborgenen Schönheiten, der König der „simplen“ Stellungen, in denen jeder falsche Schritt die Arbeit vieler Züge zunichtemachte.

Vergessen und doch unsterblich

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Mit jedem Jahr zog sich Rubinstein weiter zurück – gesellschaftlich und auch innerlich. Die Schachwelt, gebannt vom Spektakel und dem „Fantastischen“, vergaß den Baumeister der Monumente. Doch wer seine Partien aus den 1920ern studiert, sieht einen Spieler, der tiefer als fast jeder andere ins Wesen des Spiels vordrang: nicht laut, sondern beständig, nicht modisch, sondern monumental.


Der Zweiteiler "The Life & Games of Akiva Rubinstein" gilt als das Rubinstein-Standardwerk.

Amazon-Klappentext:

The Man Who Would Be King

Akiva Rubinstein occupies a unique position in chess history. One of the greatest artists ever to sit down at a chessboard, Rubinstein was also the strongest player never to get a shot at the title of world champion.

The Life & Games of Akiva Rubinstein, Volume 1: Uncrowned King focuses on the years 1882-1920, covering Rubinstein's rise from a modest upbringing to his emergence as Emanuel Lasker's chief challenger in the last years leading up to World War I. It also examines the effects this conflict had on his sensitive psyche and the way it influenced his play in the post-war years.

This is most definitive work ever done on the first part of Rubinstein's career, this revised and expanded edition of The Life & Games of Akiva Rubinstein, Volume 1: Uncrowned King offers almost 500 games, many of them deeply annotated with notes translated from top players of the pre-World War I era, including Lasker, Tarrasch, Schlechter and Rubinstein. The authors have also made many new annotations to the games and uncovered quite a bit of interesting material including recent discoveries on Rubinstein's stay in Sweden after World War I.

This is a re-release of the second edition of The Life & Games of Akiva Rubinstein, Volume 1: Uncrowned King. First released in 2006, this outstanding work has a wealth of crosstables, archival photos, multiple indexes and thorough bibliography, offering a treasure-trove for the Rubinstein fan and chess aficionado.

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