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1987: Kasparow-Karpow, viertes WM-Match, Sevilla

Kasparow hat das WM-Matches 1987 in Sevilla in einem emotionalen Ausnahmezustand absolviert – Angst, Wut, Erschöpfung überlagerten einander, und am Ende stand eine beinahe übermenschlichen Willensleistung. So beschreibt Kasparow das Match im siebten und letzten Band von "Meine großen Vorkämpfer".

Der Ausgangspunkt: Ein Albtraum nimmt Gestalt an

Für Kasparow war Sevilla nicht einfach das nächste WM-Match gegen Karpow. Es war die Revanche Karpows. Und es war für Kasparow persönlich eine Prüfung, die ihn stärker belastete als alles zuvor. Er wusste: Wenn er verliert, wird es Jahre dauern, bis er eine neue Chance bekommt. Vielleicht würde er nie wieder Weltmeister werden.

Dabei fühlte sich Kasparow vor der entscheidenden Phase des Matches schon angeschlagen. Der ständige Druck, Jahr für Jahr WM-Matches zu spielen, hatte ihn ausgelaugt. Er sprach später davon, dass die Qualität der Partien in Sevilla deutlich schwächer war als in den früheren Duellen – weil beide Spieler schlicht erschöpft waren.

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Vor der 22. Partie, beim Stand von 10,5:10,5, nahm Kasparow sein letztes Timeout. Viele deuteten das als Angriffslust – aber in Wahrheit war Kasparow innerlich leer. Er bot nach 19 Zügen Remis an. Das Ziel: keine Risiken. Ruhe. Doch damit offenbarte er ungewollt seine Schwäche. Karpow spürte: Der Gegner zittert vor einer Niederlage.

Die Katastrophe der 23. Partie

Dann kam die Partie, die Kasparow heute noch Alpträume beschert: die 23. Partie.

Kasparow spielte mit Schwarz, wollte eigentlich "nur" Remis halten – und wurde Opfer seiner eigenen Nervosität. Mehrfach versäumte er es, Vereinfachungen zu erzwingen. Mehrfach ließ er bessere Verteidigungszüge aus. Am Ende übersah er im entscheidenden Moment eine bekannte Falle. Ein billiges taktisches Motiv, das seine Sekundanten wochenlang mit ihm geübt hatten.

Er spielte 50...Tf7-f3?? – und wusste in der Sekunde nach dem Zug, dass das Match fast verloren war.

„Ich hatte das Gefühl, in einen Abgrund zu blicken.“

Er verlor. Der Stand war nun 12:11 für Karpow. Kasparow war geschockt. Er schrieb später, die Rückfahrt nach dieser Partie sei der schwärzeste Moment seiner Karriere gewesen. Er wusste: Nur ein Sieg in der letzten Partie konnte ihn noch retten.

Die Nacht vor der 24. Partie

Was tat Kasparow in dieser Nacht? Er trainierte nicht. Er analysierte nicht. Er spielte Karten mit seinem Team. Er lachte künstlich. Er versuchte, sich zu entspannen.

Der Plan für die 24. Partie war klar: kein wildes Risiko, kein sofortiger Angriff. Stattdessen langsam, ruhig, unaufhaltsam Druck aufbauen – Karpow zu Entscheidungen zwingen, Karpow zermürben.

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Die letzte Partie: Der Triumph des Willens

Kasparow setzte in der 24. Partie auf ein ruhiges Englisch. Er wich allen Theorieduellen aus. Er spielte nicht auf schnelle Initiative – er spielte auf psychologische Kontrolle.

Langsam entstand eine Stellung, die für Karpow das pure Gift war: keine direkten Drohungen, aber ständig kleine Probleme. Am Ende hatte Kasparow eine Qualität mehr, dann einen Bauern, dann klare Gewinnstellung.

„Jeder Mensch hat eine Belastungsgrenze. Karpow war an seiner.“

Kasparow gewann. Er verteidigte seinen Titel – durch das 12:12. Der Modus sah vor: Bei Gleichstand bleibt der Titel beim amtierenden Weltmeister.

Das Vermächtnis von Sevilla

Kasparow sagte später:

„Wenn ich nicht 119 Partien gegen Karpow gespielt hätte, hätte ich die 120. nicht gewonnen.“

Sevilla wurde zum Symbol: für die Härte des Schachzirkus, für die Brutalität des WM-Kampfes – und für den Siegeswillen Kasparows.

Der Schock der 23. Partie hätte ihn vernichten können. Stattdessen wuchs er daran.

Seine Bilanz gegen Karpow nach vier WM-Matches:
17 Siege – 16 Niederlagen – 87 Remis.

Sein Resümee:

„Dieses Ergebnis ist gerecht.“

Basierend auf:

https://chesspro.ru/_events/2009/kasparov.html

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