World Cup 2025: die Hoffnung auf Zahltage und eine 24-Prozent-Chance, WM-Kandidat zu werden

Das Jahr 2025, das er selbst als wichtig und wegweisend eingeschätzt hat, ist für Vincent Keymer fantastisch gelaufen: Turniersiege, Sprung auf Rang vier der Weltrangliste, Elo 2773. Jetzt hat er die Chance, das Jahr zu krönen. Drei Tickets für das Kandidatenturnier 2026 werden beim World Cup vergeben – an die beiden Finalisten und den Dritten. Für den 20-Jährigen markiert der World Cup die wahrscheinlich einzige Gelegenheit, ins Kandidatenturnier zu kommen.

World Cup 2023: Als Vincent Keymer in der vierten Runde nahe dran war, Magnus Carlsen aus dem Turnier zu kegeln, aber letztlich nach vier Tiebreak-Partien unterlag. Zwei Jahre später fehlen beim World Cup alle Spieler, die in der Weltrangliste noch vor Keymer stehen: Carlsen hat abgesagt, Hikaru Nakamura will per Rating WM-Kandidat werden und Fabiano Caruana ist es schon.
Der World Cup 2025 in Goa hat begonnen. | Foto: Michal Walusza/FIDE

In der FIDE-Turnierwertung, deren Sieger ebenfalls WM-Kandidat wird, dürfte der Abstand des viertplatzierten Keymer zum führenden Praggnanandhaa zu groß sein, um den Inder noch zu überholen. Aber sollte sich Praggnanadhaa über den World Cup qualifizieren (sein Weg würde über Keymer führen), könnte die Turnierwertung wieder relevant werden. Dort fehlt Keymer auch ein Stück zur Spitze, weil seine 2800+-Performances aus Mannschaftswettbewerben (EM, Europacup der Clubs) nicht zählen.

chess.com mit einer gehörigen Portion Rating-Statistik, aufgehangen an Vincent Keymers Leistungsexplosion.

Im World Cup steigt Keymer als Gesetzter in Runde 2 ein. Er trifft auf Vladislav Kovalev oder Paul Velten. Sollte er diese Hürde überwinden, könnte es schon zum ersten deutschen Duell kommen – gegen Dmitrij Kollars. Keymers weiterer Weg ins Kandidatenturnier könnte über ein Achtelfinale gegen Andrey Esipenko und ein Viertelfinale gegen Praggnanandhaa in ein Halbfinale gegen Arjun Ergiaisi führen. Statistik-Guru @ChessNumbers (Twitter) hat eine Wahrscheinlichkeit von 24,3 Prozent dafür ausgerechnet, dass Keymer es unter die ersten drei schafft.

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Gespielt werden in jedem Match zwei Turnierpartien und bei Gleichstand ein Tiebreak mit Schnell- und, falls nötig, Blitzschach. Für die Spieler bedeutet diese Kurzdistanz, dass einerseits alles möglich ist, andererseits ein schwacher Moment das Match kosten kann. „Richtig reizvoll für die Fans“, nennt DSB-Sportdirektor Kevin Högy den Modus, „aber auch richtig schwer für die Spieler. Du kannst Dir im Grunde keine schwache Partie erlauben.“

Während Keymer in Goa auf das große Ziel zusteuert, hat Matthias Blübaum es bereits erreicht. Der 28-Jährige aus Lemgo qualifizierte sich als Zweiter des Grand Swiss in Samarkand für das Kandidatenturnier. Auch Blübaum könnte sich in Goa einem Vergleich mit einem Landsmann stellen müssen. Wenn beide bis dahin durchkommen, trifft er in der vierten Runde auf Alexander Donchenko.

Die erste Runde gegen FM Bomo Kigigha aus Nigeria wird Alexander Donchenko überstehen. Die Auftaktpartie mit Schwarz am Samstag hat er gewonnen. | Foto: Michal Walusza/FIDE

Während Blübaum in Goa ohne Druck spielen kann, arbeiten im Hintergrund andere daran, ihm eine adäquate Kandidaten-Vorbereitung zu ermöglichen. Die, so erfahren wir in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (für Abonnenten), kostet mindestens 50.000 Euro. Ideal wäre das Doppelte. Das hat laut FAZ Bundestrainer Jan Gustafsson dem DSB-Finanzchef Alexander von Gleich vorgerechnet. Der verkündet nun, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blübaum-Kandidatenhilfe mobilisieren kann, die zwischen dem Minimum und dem Idealen liegt. Außerdem, heißt es, ist eine Neuauflage des Prinzen-Projekts geplant.

Bundestrainer Jan Gustafsson ist beim World Cup mit von der Partie. Die FIDE hat ihn als Kommentator angeheuert. | Foto: Michal Walusza/FIDE

Im Fall Blübaum kommt zur Verbandsunterstützung das Crowdfunding, das die Frage nahelegt, was sich mobilisieren ließe, würde so eine Aktion transparent gehandhabt und professionell kommuniziert. Selbst so, wie es ist, sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags offenbar fast 10.000 Euro für Matthias Blübaum gespendet worden. Zudem ist sichergestellt, dass er zumindest einen Teil seiner Vorbereitung nicht in einer Lemgoer Kemenate absolvieren muss. Jan Henric Buettner hat laut FAZ Blübaum eingeladen, das Weissenhaus-Resort als Trainingsort zu nutzen. Weitere Unterstützung ist aus Weissenhaus allerdings nicht erwarten. Nachdem Buettner schon Keymer ein sechsstelliges Budget fürs schachliche Vorankommen zur Verfügung gestellt hat, will er nun nicht auch noch Blübaum finanzieren.

Auch Dmitrij Kollars wird die zweite Runde des World Cups erreichen. In seinem Auftaktmatch gegen FM Akar Ali Salih Salih aus dem Irak gewann er am Samstag die erste Partie mit Schwarz. | Foto: Michal Walusza/FIDE

Hinter Keymer und Blübaum steht ein Quintett deutscher Großmeister, die sich zumindest ein veritables Stück vom Zwei-Millionen-Dollar-Preisgeldkuchen abschneiden wollen: Dmitrij Kollars, Alexander Donchenko, Rasmus und Frederik Svane sowie Niclas Huschenbeth komplettieren das Aufgebot in Goa. Dazu kommt Georg Meier, der unter der Flagge seines zweiten Heimatlands Uruguay spielt. Für den World Cup der Frauen hat sich keine Deutsche qualifziert. Huschenbeth, 33, nennt das Turnier im DSB-Interview „ein Highlight“. „Ich bin ja als Schachspieler schon halb in Rente“, sagt er. Jetzt sei die Freude groß, nochmal die Chance zu haben, bei so einem Turnier mitzuspielen.

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Joschi
Joschi
17 Tage zuvor

Ich dachte „Ilja Schneider“ spielt mit, dabei ist es „Ilan Schnaider“ aus Argentinien lol

Schachus
Schachus
17 Tage zuvor

Ich finde den Twitter Post von @ChessNumbers zu WeltCup odds nicht, kannst du den verlinken?

Mathias
Mathias
14 Tage zuvor

Hi, Die Spendeseite für Blübaum finde ich auch maximal verwirrend. Da steht stand jetzt ca. 20.000€ gespendet. Aber das ist doch allgemein für die Verbandsarbeit oder? Blübaums Spendenaktion sieht man weiter unten auf der Homepage. Da steht dass 9428€ von 9999€ fehlen(!).