Zum Auftakt der Mannschaftseuropameisterschaft 2025 werden beide deutschen Mannschaften Favorit sein, die Männer gegen Dänemark, die Frauen gegen Georgien III. Rundenbeginn ist täglich um 13 Uhr MESZ (am Schlusstag 10 Uhr). Bis zum Dienstag, 14. Oktober, sind neun Runden Schweizer System zu absolvieren.

Mission Gold: Keymer, Blübaum und das Wir-Gefühl
Die Ausgangslage der Männer ist selten so eindeutig gewesen: Deutschland ist mit einem Eloschnitt von 2681 die Nummer eins in Europa und in der FIDE-Nationenrangliste (Top-10-Durchschnitt) weltweit auf Platz fünf. Der Anspruch ist dementsprechend hoch. Matthias Blübaum formuliert ihn offen: „Ich hoffe, wir holen Gold!“ Der 28-Jährige kommt aus einer Fabelphase – Doppeleuropameister, Grand-Swiss-Silber, WM-Kandidat.
Daneben steht Vincent Keymer als klare sportliche Nummer eins. Wie Blübaum blickt Keymer auf ein starkes Jahr zurück, in dem ihm der Sprung in die Weltklasse gelungen ist – und das weitere Herausforderungen bereithält. Erst die Europameisterschaft, dann der World Cup.
Das Spitzenduo von Weltklassespieler und WM-Kandidat weckt Erinnerungen an das Jahr 2000, als die deutsche Mannschaft, angeführt von Artur Jussupow und Robert Hübner, Olympia-Silber schaffte. Bei der Europameisterschaft im Jahr zuvor hatte es „nur“ zu Bronze gereicht.

Bundestrainer Jan Gustafsson bleibt bei aller Euphorie nüchtern: „Es sind vier Bretter, nicht zwei.“ Erfolgreich werde das Team nur sein, wenn alle Spieler in Form sind, namentlich Rasmus Svane, Frederik Svane und Dmitrij Kollars. Die Frage ist nicht, ob sie es können, sondern ob alle gemeinsam zehn Tage lang ihre PS auf die Bretter bringen. Sicher ist: Während andere Teams Sollbruchstellen aufweisen, weil es hinter den Stars dünn wird, sitzt bei Deutschland an jedem Brett ein Großmeister von internationaler Klasse.
Wie bei der EM 2023 hat Gustafsson den soliden Svane vor den aggressiven Svane gesetzt. Die Hoffnung dürfte sein, dass Frederik, an fünf aufgestellt, sich wie bei der Schacholympiade 2024 in einen Lauf spielt und gegen vergleichsweise schwächere Gegner ein Massaker anrichtet.
An Herausforderungen für das (knapp!) an eins gesetzte Team wird es nicht mangeln. Bei den Ungarn sitzt Richard Rapport an Brett eins, dahinter mit Peter Leko eine Legende, die zudem die deutsche Nummer eins in- und auswendig kennt. Aserbaidschan mit Shakhriyar Mamedyarov, die Niederlande mit WM-Kandidat Anish Giri oder das ausgeglichene, in Mannschaftswettbewerben traditionell starke Armenien werden zu beachten sein. Dann ist da noch der Titelverteidiger, die Serben, die vor zwei Jahren hauchdünn vor dem deutschen Team Gold holten.
Gustafsson hat den Modus verinnerlicht: Team-Schach ist Ergebnisverwaltung mit Augenmaß. Zweieinhalb Punkte müssen her, egal wie, ohne Rücksicht auf Einzelbilanzen. Rotationen sind Teil der Statik. Der Kader ist in den vergangenen Jahren gewachsen ist – sportlich, auch als Gruppe. „Wir sind in der komfortablen Situation, dass sich alle gut verstehen“, sagt der Coach.
Die Frauen: Neuer Bundestrainer und ein Traum
Bei den Frauen hat Zahar Efimenko übernommen. Der langjährige Werderaner bringt die Mischung aus Akribie und Zugänglichkeit, die in der Nationalmannschaft sofort verfängt. Aber ob er die ersehnte Stabilität reinbringt? Nach einem intensiven Lehrgang in Kienbaum formuliert Efimenko das Ziel pragmatisch: Top Ten. Lara Schulze ergänzt: „Ein bisschen träumen darf man ja auch.“ Eine Medaille, das wäre der Traum.
Viel wird davon abhängen, ob Dinara Wagner am ersten Brett so spielt wie in der starken ersten Hälfte des Grand Swiss oder wie in der missratenen zweiten. Dahinter: Lara Schulze als Team-Küken sowie die etablierten Kräfte Hanna Marie Klek, Kateryna Dolzhykova und Josefine Safarli.

Schulze widerspricht der Dauerdebatte um eine „Krise“ bei den deutschen Frauen: Einzelne schwächere Turniere seien keine Grundlage für eine generelle Diagnose. „Für Deutschland zu spielen ist für mich das Größte“, sagt sie – und benennt damit den Kern dessen, worum es auch bei den Frauen gehen wird: Team-Timing schlägt individuelle Trendkurven. Dass Deutschland an Nummer sechs gesetzt ist, passt zur Erwartung. Nach oben ist der Weg offen, darunter die Fallhöhe gewaltig. Wie war das noch 2024 bei der Schacholympiade? Zwei Runden vor Schluss die Medaillen in Sicht, dann zwei Niederlagen und am Ende Rang 22. Das soll nach Möglichkeit nicht wieder passieren.
Favoritinnen sind Georgiens Frauen mit der beeindruckenden Fünferreihe über 2400 Elo (Nana Dzagnidze, Nino Batsiashvili u.a.). Dahinter lauern Polen (Alina Kashlinskaya), Ukraine (Yuliia Osmak, Anna Ushenina) und weitere Nationen mit je einer 2400-Spitze. Für Deutschland heißt das: erst Pflicht, dann Kür. Solide starten, dann die Nerven-Matches gegen etwa gleichwertige Teams und, wenn es gut läuft, vielleicht die Gelegenheit, eines oder zwei der großen Teams zu überrumpeln. Eine Medaille muss kein Luftschloss sein, aber dafür muss es durchgängig sehr gut laufen.

Schach-EM im Land der Angst: Baramidzes Blick auf Georgien
Zusätzlichen Kontext liefert David Baramidze, vor 21 Jahren U16-Vizeweltmeister. Im Gespräch mit dem DSB zeichnet der in Tiflis geborene Deutsch-Georgier ein düsteres Bild seiner Heimat. „Die Schach-EM findet in einem Land statt, in dem die Menschen Angst haben.“ Er spricht von einer Regierung, „die von Oligarchen kontrolliert wird“, von russischem Einfluss und vom Gefühl, mundtot gemacht zu werden – Erfahrungen, die in seiner Familie bis in die 1990er-Jahre reichen.

Baramidze erwartet bei den Männern von Georgien wenig („Startplatz 23 sagt alles“), bei den Frauen sehr viel. Die Top-Spielerinnen genießen in Georgien Heldinnenstatus. Seine Prognose für Deutschland ist sportlich optimistisch: starkes Männerteam, Topform bei Blübaum und Keymer, insgesamt „deutsches Schach international aufgeholt“.
Alle Runden der Europameisterschaften werden bei SchachdeutschlandTV live übertragen. Ab Rundenbeginn um 13 Uhr MESZ, am letzten Spieltag bereits um 10 Uhr MESZ, führt Online-Referent Jannik Liebelt durch die Sendung. Unterstützung erhält er von den Großmeistern Robert Rabiega und Raj Tischbierek, die sich als Kommentatoren abwechseln.

Runde 1: Fluch des Favoriten (Kollars Pferdchen naschte einen vergifteten Bauern; F. Svane hätte auch verlieren können; Keymer hatte bis Zug 30 Vorteile, später aber kaum mehr Chancen); das gilt auch für die an sich starken Ungarn, denen ausgerechnet der stets zwischen Genie und Wahnsinn wandelnde Jobova den Todesstoß versetzte. Diesmal also Genie (oder besser gesagt: ein Einsteller des Gegners sorgte für den Sieg Jobavas). Die Schweiz strotzte den Spaniern tatsächlich ein 2:2 ab, Chapeau. Niederlande, Aserbaidschan und England haben sich nicht überraschen lassen. Erwartungsgemäß auch der Sieg der Österreicher gegen Kosovo (überraschend nur, dass der (ehemalige?) Solinger Ragger an… Weiterlesen »
Dann übernehme ich mal: heute Deutschland-Georgien 2-0! Bei den Damen ein überraschend ungefährdetes 2,5-1,5. Die Weißpartien: Dolzyhkova begnügte sich in besserer Stellung (Mehrqualität) mit Remis, vielleicht da Klek eine glatte Gewinnstellung hatte die sie auch gewann. Die beiden Schwarzremisen von Wagner und Safarli waren ungefährdet, eher Plusremisen. Bei den Herren sah es als ich auf der Arbeit zuletzt mal kurz reinschaute fast nach vier Remisen aus, nur der solide Rasmus Svane stand gegen den unsoliden Pantsulaia (Benoni) aus der Eröffnung heraus besser. Keymer und Frederik Svane gewannen dann auch, auf der georgischen Habenseite: Jobava machte es wieder – Sieg ausgerechnet… Weiterlesen »
Die Perlen vom Bodensee. Ergebnis zweite Runde und Paarungen dritte stehen seit 16 Stunden hier: https://perlenvombodensee.de/forum/topic/europaeische-mannschaftsmeisterschaft-2025/#postid-3632 Siehe auch oben in der Laufleiste und in der Seitenleiste
Runde 2: Nach schöner Gewinnpartie von Herrn Bluebaum und zwei Unentschieden der Gebrüder Svane hat Herr Keymer in weit über 100 Zügen seinen Endspielvorteil zu einem vollen Punkt und dem 3:1 Endstand gegen die Türkei geknetet. In Runde 3 geht es gegen das A-Team von Georgien (Eloschnitt ca. 2550). Unser Frauenteam hat gestern den zweiten Sieg eingefahren! Dieses Mal gegen die Türkei mit drei Unentschieden und einem klaren, ungefährdeten Sieg von Frau Schulze am vierten Brett (Zur Belohnung hat sie heute einen Urlaubstag). Gespielt wird gleich ebenfalls gegen das Georgien-A-Team (Eloschnitt ca. 2450!) – allerdings um die Tabellenspitze! Wer übernimmt… Weiterlesen »
Ist Alexander Donchenko als Sekundant mit dabei? Bei den letzten größeren Turnieren war jeweils derjenige der Stamm-Sechs, der nicht aufgestellt wurde, als Helfer dabei.