Nora Heidemann, Deutsche Meisterin U18, wird nicht zur Weltmeisterschaft fahren. Sie entschied sich stattdessen für die Jugend-Europameisterschaft (ab dem 28. Oktober in Montenegro). Das berichtet jetzt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (für Abonnenten). Hintergrund der Entscheidung: Die für die EM zuständige Europäische Schachunion (ECU) erkennt das von Verbänden gemeldete Geschlecht an, während WM-Ausrichter FIDE Transfrauen erst nach „Prüfung“ zulässt.
DSB-Frauenreferentin Nadja Jussupow fordert eine Sperrfrist für Transfrauen. Gegenüber der Welt hatte sie erklärt, Nora Heidemann sei ein als Mädchen deklarierter Junge, der mit einem Freiplatz beschenkt worden sei. Nachträglich wurde in dieser Passage des schon veröffentlichten Interviews (für Abonnenten) aus dem „Jungen“ ein „Transmädchen“. Die FAZ zitiert sie nun mit dem verbreiteten Argument: „Dass Männer ihr Geschlecht umdeklarieren, nur um einen Titel zu gewinnen oder attraktives, für Frauen ausgeschriebenes Preisgeld zu bekommen, müssen wir verhindern.“
Heidemanns Eltern erklären dazu das Offensichtliche: Mit Schach habe die Geschlechtsanpassung ihrer Tochter nichts zu tun.
Die Eltern beschreiben einen befreienden Effekt. Seitdem ihre Tochter kein Junge mehr sein müsse, hätten sich ihre Leistungen in der Schule verbessert. Bei der Deutschen Meisterschaft gelang ihr, an Zehn gesetzt, ihr bestes Turnier jemals. Und das, obwohl ihre Teilnahme Sabotage ausgesetzt war. Vor der Deutschen Meisterschaft scheiterte in ihrem Landesverband der Versuch, ihr den Freiplatz zu verwehren, der ihr nach Rating zustand. Während des Turniers musste sie neben ihren Gegnerinnen gegen das Cheating-Gerücht spielen. Heidemann sei wahrscheinlich die meistkontrollierte aller Teilnehmerinnen gewesen, sagt eine Betreuerin.
Ob in der Schule oder am Schachbrett, auf lokaler Ebene in Ostwestfalen-Lippe sei Nora sofort als Nora akzeptiert worden, sagten die Eltern der FAZ. Während sie ihr Heimatverein SG Hücker-Aschen mit einem Gratulationsbanner als Deutsche Meisterin feierte, stellte sich auf überregionaler Ebene Ablehnung ein – eher nicht seitens der Mit- und Gegenspielerinnen. In erster Linie Eltern und Trainer:innen seien gegen ihre Teilnahme gewesen. Insbesondere die Mutter einer Konkurrentin fiel mit ihren Tiraden in den Sozialen Medien und in den E-Mail-Zirkeln des organisierten Schachs auf. Nicht nur während der Deutschen Meisterschaft.
Als ihr wenig später bei der Deutschen Ländermeisterschaft der Frauen klar wurde, dass Transfrauen mitspielen, reisten sie und ihre Tochter ab. Zwar nehmen Transfrauen seit Jahrzehnten an Frauenwettbewerben teil, aber nun, da Menschen ohne erniedrigende Prozedur selbst bestimmen dürfen, wer sie sind, nimmt ihre Zahl zu.
Die Präsidentin des Deutschen Schachbunds, Ingrid Lauterbach, bestätigte gegenüber der FAZ, sie wolle Transfrauen weiterhin ohne Sperrfrist zulassen. Lauterbach lehnt es ab, eine Studie über biologische Ursachen von Leistungsunterschieden aus Verbandsmitteln zu finanzieren. Aus ihrer Sicht ist nicht die Teilnahme von Transfrauen, sondern viel mehr Sexismus und Diskriminierung der wesentliche Faktor, der Frauen aus dem Turnierschach vertreibt.
Beim DSB-Hauptausschuss am 4. Oktober soll das Thema auf der Agenda stehen. Allerdings ist fraglich, ob es zu diesem Hauptausschuss kommt. Hinter den Kulissen steht zur Debatte, stattdessen einen außerordentlichen Kongress mit dem Tagesordnungspunkt „Abwahl der Präsidentin“ einzuberufen. Mit dem Trans-Thema hat das nichts zu tun, sondern mit den Gründen, die Lauterbach beim Kongress Ende Mai einen Gegenkandidaten und eine knappe Wiederwahl beschert haben: der Umgang mit Angestellten und ehrenamtlich Engagierten. Das Problem habe sich zuletzt noch verschärft, heißt es.

Nicht nur den deutschen, auch den US-Verband beschäftigt das Thema. Den Amerikanern droht der Wegfall staatlicher Gelder. Schon im Februar, einer von diversen Erlassen zum Amtsantritt, hat US-Präsident Donald Trump per Verordnung festgelegt, dass Sportverbände, die Transfrauen zulassen, keine Mittel vom Staat mehr erhalten.
Dazu laufen in den USA auf Bundes- und Bundesstaatenebene diverse Verfahren, die sich mit der Frage befassen, ob Trumps Vorstellungen verfassungsgemäß sind und mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar. Im Herbst wird sich der Supreme Court, der oberste Gerichtshof der USA, der Angelegenheit annehmen. Der US-Schachverband mit seinen knapp 115.000 Mitgliedern ließ eine Anfrage der FAZ zum Stand der Dinge unbeantwortet.
Nora Heidemann geht laut FAZ derweil davon aus, dass getrennte Frauen- und Mädchenwettbewerbe nicht mehr sind als ein befristetes Förderinstrument für eine Minderheit. An biologische Gründe für Leistungsunterschiede, wie sie vor allem Elisabeth Pähtz immer wieder anführt, glaubt die 17-Jährige nicht. Wenn erst einmal gleich viele Frauen und Männer Schach spielen, brauchen nach ihrer Auffassung Frauen keine eigenen Wettbewerbe mehr.
Das Geschlecht zum Kriterium im Schach zu machen, ist völlig absurd. Ob Nora oder Noa oder wie auch immer, darum geht es nicht. Menschen spielen Schach. Es ist längst überfällig, im Schachsport sollte die Geschlechtertrennung überall radikal abgeschafft werden. Und zwar sofort. Dann gibt es diese unsinnigen und völlig überflüssigen Diskussionen sofort nicht mehr. Dann werden ALLE gleich behandelt, ALLE haben die gleichen Rechte. Und es geht endlich nur noch um SCHACH.
Es ist verständlich, dass bei dieser Diskussion Fragen offen sind und dass es auch Empörung und Gegenstimmen gibt. Dass sich vor allem Eltern und Trainer artikulieren ist auch klar, da Jugendliche, um die es hier ja konkret geht, noch nicht die Erfahrung und die Plattformen haben, sich zu solchen brisanten Themen zu äußern. ich sehe vor allem folgende Punkte, die zu den kontroversen Diskussion geführt haben: Die betreffende Person hatte sich nicht regulär qualifiziert. Die Teilnahme erfolgte über einen Freiplatz. Zum Zeitpunkt des Meldeschlusses gab es noch keine offiziellen, behördlichen Eintrag des „aktuellen Geschlechts“. Wird es in Zukunft möglich sein,… Weiterlesen »
Nach mehr als sieben Jahren Pause habe
ich am 16. Juli wieder bei einem Blitz-Turnier
mitgespielt, bei der Spenger Etappe des Teuto-
Pokals. Es war ein harmonischer Abend, auch
mit Nora Heidemann im Starterfeld. Von den
13 Partien verlor ich genau zwei: gegen Helena
Neumann (Dritte der DEM wU18) und gegen Nora
Heidemann (Meisterin DEM wU18) – und zwar
wurde ich in beiden Partien klar überspielt.
Der Umgang aller TeilnehmerInnen miteinander
war herzlich.
Ingo Althöfer.
Schachturnier-Ergebnisserver Chess-results.com – Teutopokal Juli 2025
Mich ärgert die Verengung der Diskussion auf den Einzelfall der Nora Heidemann. Auch diese Website versucht die Diskussion in diese Richtung zu lenken und die grundsätzliche Diskussion über Transmenschen im Frauenschach zu personalisieren und zu polemisieren. (…) Zur Position von Frau Jussupow mag man stehen, wie man will. Sie sollte jedenfalls gehört und ernst genommen und vom Schachbund und seinen Gremien nicht einfach unkommentiert ignoriert werden.
(gekürzt, Anm. d. Red.)
Der Text springt zwischen dem Einzelfall und der internationalen Ebene. Der Schwerpunkt liegt jedoch eigentlich auf den jüngsten Änderungen bei der Ummeldung des Geschlechts durch das Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland. Diese Änderungsmöglichkeit existierte zuvor, wurde jedoch so weit vereinfacht, dass es zu einem politischen Thema wurde. Als Beispiel sei hier der prominente Fall Liebich genannt. Der Vorschlag von Frau Jussupow versucht, die beschleunigte Ummeldung ein abzufedern, aber es ist nicht die Aufgabe des Schachverbands, klüger als der Gesetzgeber zu sein. Ich möchte dennoch betonen, dass ihr Vorschlag mit einer verlängerten Wartezeit nicht einmal annähernd damit vergleichbar ist, welche Hindernisse die Betroffenen… Weiterlesen »