Bundestrainer Jan Gustafsson hat das deutsche Aufgebot für die Mannschafts-Europameisterschaft 2025 in Batumi (Georgien) bekanntgegeben. Für das Turnier vom 4. bis 15. Oktober nominierte er Vincent Keymer, Matthias Blübaum, Frederik Svane, Dmitrij Kollars und Rasmus Svane. Nicht dabei sind Alexander Donchenko und Dennis Wagner. Die Brettreihenfolge wird erst kurz vor Beginn des Wettbewerbs festgelegt.
Der Kader der Frauen steht noch nicht fest. Voraussichtlich wird der DSB erst verkünden, wer als Nachfolger des unlängst verabschiedeten Yuri Yakovich neuer Bundestrainer wird, und danach den Kader nominieren.
„Alle sind stark, ich hätte mich mit allen wohlgefühlt“, sagte Gustafsson im DSB-Gespräch. Am Ende habe die Elozahl vom 1. Juli entschieden – mit dem knapp besseren Ende für Rasmus Svane, der zwei Elopunkte über Dennis Wagner steht: „Er hatte halt knapp die Nase vorn.“ Donchenko und Wagner habe er die schlechte Nachricht überbracht, sagt Gustafsson: „Sie waren natürlich nicht happy. Aber letztlich verstehen sie auch, dass die Elo-Zahl ein objektives Kriterium ist.“
Frederik Svane ersetzt Donchenko im Vergleich zum Olympia-Kader 2024, sodass nun zum ersten Mal die Svane-Brüder Seite an Seite für Deutschland spielen werden. Eine harte Entscheidung, so Gustafsson.
Vor jeder Nominierung steht er vor dem Luxusproblem, aus einer Reihe annähernd gleichwertiger Spieler den Deutschlandvierer plus Ersatzmann zu bilden. Das war auch diesmal so. Hinter der klaren Nummer eins Vincent Keymer haben sich, Stand jetzt, Matthias Blübaum und Frederik Svane als Nummer 2a und 2b etabliert. Dahinter wird es knapp.
Schon Ende 2023 nach seinem Sieg beim “Masters” hat Dennis Wagner kundgetan, dass er das Ziel Nationalmannschaft weiter im Blick hat. Und warum auch nicht? Einigen Beobachtern gilt Wagner als derjenige der ehemaligen “Prinzen” mit dem vielleicht größten Potenzial. Und obwohl er derjenige ist, der als hauptberuflicher Physiker nicht auf die Schachkarte gesetzt hat, hat er sich nun über 2600 etabliert. Beinahe hätte es diesmal gereicht.
Fehlendes Potenzial ist gewiss nicht das Problem von Alexander Donchenko, eher fehlende Konstanz. Wenn der Open-Spezialist aus Gießen einen Lauf hat, ist er kaum und von kaum jemandem zu stoppen. Andererseits ist Donchenko aus dem Top-Septett derjenige, der am ehesten Punkte gegen nominell schwächere Spieler lässt.
Seinen bisherigen Elohochs von 2678 (Februar 2021) bzw. 2684 (August 2023) hat sich Donchenko in der jüngeren Vergangenheit nicht wieder anzunähern vermocht – mit dem Ergebnis, dass er diesmal zu Hause bleibt. Was auch ein Indiz für die Klasse der Deutschen ist. Kaum eine Nationalmannschaft könnte es sich leisten, einen Spieler wie Donchenko nicht einzubauen.
Während die jetzt zur Wahl stehenden sieben Spieler, alle unter 30, dem Nationalteam einige Zeit erhalten bleiben, dürfte es bei kommenden Nominierungen noch knapper werden. Der Jahrgang 2008 scharrt schon mit den Hufen, derzeit Leonardo Costa (Elo 2528) etwas vernehmbarer als Marius Deuer (2495). Costa, ähnlich wie Wagner, hat unlängst gegenüber der Süddeutschen Zeitung gesagt, dass er eher nicht plant, Profi zu werden: “Lieber etwas in Richtung Elektronik.”
Für den 2011er-Jahrgang dürften solche existenziellen Überlegungen erst mittelfristig relevant werden. Abzusehen ist heute schon, dass auch die Ausnahmetalente Christian Glöckler (2439, IM mit 13) und Hussain Besou (2390, TV-Auftritt am Sonntag) das Zeug haben, dereinst ihr Land bei Europameisterschaften oder Schacholympiaden zu vertreten. Und wer weiß, wer sich in kommenden Jahren noch zu diesen vier Genannten gesellt. Die Liste der besten deutschen Jugendlichen offenbart einige Kandidaten.
Jetzt zählt erst einmal Batumi 2025 – wenn denn nicht die anhaltenden Unruhen in Georgien eine kurzfristige Änderung des Schach-Terminkalenders erfordern. Während draußen die kremltreue Regierung die Opposition zerschlägt, sollen drinnen vom 4. bis 15. Oktober die europäischen Nationalteams ihre Meister ermitteln. Außerdem steht die Generalversammlung des europäischen Verbands ECU an. Der, mit seinem georgischen Chef an der Spitze, versucht bislang, die Vergabe der EM nach Batumi wie Normalität aussehen zu lassen.

Georgien befindet nicht erst seit den Parlamentswahlen Ende 2024 in Aufruhr. Die Oppositionsbewegung hatte den Ausgang der Wahlen nicht anerkannt und zu Protesten aufgerufen. Diese eskalierten, als die autoritär agierende Regierungspartei “Georgischer Traum” bekannt gab, Gespräche mit der Europäischen Union über einen möglichen Beitritt Georgiens auszusetzen. Wer dagegen protestiert, muss damit rechnen, Opfer von Polizeigewalt zu werden. Dazu kommen zunehmend repressive Gesetze und horrende Geldstrafen. Gerade erst hat die Regierung einen weiteren führenden Oppositionspolitiker festnehmen lassen.
Auf den Brettern werden die deutschen Männer nach EM-Silber 2023 als Mitfavoriten ins Gefecht gehen. Ob diesmal der vor zwei Jahren denkbar knapp verpasste Coup gelingt? Der Bundestrainer gibt sich zurückhaltend: „Wir haben eine gute Truppe, so viel ist klar. Aber mit Prognosen tue ich mich schwer.“ Die Vorbereitung laufe noch – geplant sei eine Maßnahme mit einem externen Trainer, möglicherweise online oder im Juli in Präsenz.
Ein kleiner Fehler hat sich eingeschlichen: “Frederik Svane ersetzt Alexander Donchenko im Vergleich zur Olympiade 2024”. Frederik war damals schon dabei. Es war Rasmus, der damals zuschauen musste.