Die Mongolei hat einen neuen Ministerpräsidenten – den Präsidenten des mongolischen Schachverbands. Zandanshatar Gombojav, früher Parlamentspräsident und langjähriger Förderer des Schachs, wurde am 12. Juni mit breiter Mehrheit vom Großen Staatskhural, dem mongolischen Parlament, zum Premierminister gewählt. Mit dieser Personalie könnte in der Mongolei eine Phase politischer Instabilität enden. Zugleich beginnt eine neue Debatte über die demokratische Zukunft des Landes, eingeklemmt zwischen den Diktaturen China und Russland.
Zandanshatar ist seit Jahrzehnten eine feste Größe in der mongolischen Politik. Er war Außenminister, Kabinettschef, Vorsitzender des Parlaments – und immer wieder Schachfunktionär. Bereits von 2011 bis 2015 stand er an der Spitze des Mongolischen Schachverbands, ehe er im Dezember 2024 erneut zum Präsidenten gewählt wurde. Als solcher setzte er sich für die Förderung des Schachs als Bildungsinstrument ein und integrierte es in nationale Programme. FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich würdigte ihn nun als „Verfechter strategischen Denkens und internationaler Zusammenarbeit“, der die Werte des Schachs auf die politische Bühne heben könne.
Proteste, Skandale und ein Rücktritt
Die Ernennung Zandanshatars folgt auf den Rücktritt seines Vorgängers Luvsannamsrain Oyun-Erdene. Auslöser war eine Welle von Protesten junger Mongolinnen und Mongolen gewesen, die sich gegen Korruption, soziale Ungleichheit und politische Arroganz richteten. Empörung hatte insbesondere der verschwenderische Lebensstil von Oyun-Erdenes Familie ausgelöst – Luxusautos, Hubschrauberflüge und Designertaschen prägten die Bilder von ihm, während große Teile der Bevölkerung unter steigenden Preisen und stagnierenden Löhnen litten.
Hinzu kamen strukturelle Missstände: Die Ausgaben der Regierung waren im ersten Quartal um 20 Prozent gestiegen, die Einnahmen dagegen gesunken – unter anderem wegen eines massiven Einbruchs der Kohleexporte. Gleichzeitig gab es keine spürbaren Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung. Zwar hatte Oyun-Erdene Reformgesetze eingebracht, doch Vertrauen in die Justiz fehlte, und prominente Korruptionsfälle blieben folgenlos.
Zwischen Demokratie und autokratischen Gelüsten
Die Mongolei ist eine junge Demokratie mit einem fragilen parlamentarischen System. Seit dem demokratischen Umbruch 1990 hatte das Land 18 Premierminister, die meisten hielten sich nur wenige Jahre im Amt. Zandanshatars Ernennung – er selbst wurde 2024 nicht ins Parlament gewählt – wirft Fragen nach demokratischer Legitimation und politischer Richtung auf.
Beobachter sind gespalten. Die einen sehen in Zandanshatar einen Technokraten mit internationaler Erfahrung – er war unter anderem Gastwissenschaftler an der Stanford University – und hoffen auf eine sachorientierte Regierung. Andere fürchten eine Machtkonzentration: Zandanshatar gilt als Vertrauter von Präsident Ukhnaagiin Khurelsukh, der in der Vergangenheit Ambitionen auf eine Verfassungsänderung zur Stärkung seiner Befugnisse erkennen ließ. In sozialen Netzwerken kursieren Bilder, die Khurelsukh als Autokrat zeigen.
Zwischen Moskau und Peking
Geopolitisch befindet sich die Mongolei in einer prekären Lage. Das rohstoffreiche Land mit seinen 3,5 Millionen Einwohnern ist wirtschaftlich stark abhängig von China, wohin 90 Prozent seiner Exporte gehen – vor allem Kohle und Kupfer. Gleichzeitig bezieht es 90 Prozent seines Treibstoffs aus Russland und ist sicherheitspolitisch eng an Moskau gebunden. Präsident Khurelsukh empfing im September 2024 Vladimir Putin in Ulaanbaatar, trotz eines internationalen Haftbefehls gegen den russischen Diktator.
Beobachter wie der Politikwissenschaftler Julian Dierkes, Mongolei-Experte von der Uni Mannheim, verweisen auf die begrenzten Spielräume des Landes: „Es gab für die Mongolei keine Möglichkeit, nein zu sagen.“ Andererseits ist Khurelsukh ein regelmäßiger Gast bei der UN-Vollversammlung. Dort hat er zumindest indirekt den anhaltenden russischen Überfall auf die Ukraine kritisiert.

Zwischen Hoffnung und Misstrauen
Zandanshatar selbst gab sich nach seiner Wahl staatsmännisch: „Indem wir die Einheit achten, werden wir diese wirtschaftliche Krise überwinden.“ Er kündigte ein Sparprogramm von umgerechnet 640 Millionen US-Dollar an und versprach, die Anliegen der Demonstrierenden ernst zu nehmen.
Doch ob seine Regierung tatsächlich zu mehr Transparenz, Demokratie und wirtschaftlicher Stabilität führt, ist offen. Seine Nähe zum Präsidenten, die fragile parlamentarische Basis und die geopolitische Abhängigkeit bergen Risiken. Gleichwohl besteht auch die Chance auf einen Neuanfang – mit einem Premier, der weiß, wie man mehrere Züge im Voraus denkt? Die FIDE führt ihn zwar, FIDE ID 4903056, aber eine ausgewertete Partie hat der langjährige Schach- und neue Ministerpräsident offenbar nie gespielt. Aber der neue Ministerpräsident spielt online. Auf der FIDE-Plattform hat er sich den Titel “Arena International Master” erkämpft.
