Zwei Mal traf Frederik Svane bei der Deutschen Einzelmeisterschaft in der ersten Runde auf Dennis Wagner, zwei Mal war er nahe am Gewinn – und verlor. 2023 war es so, 2025 wieder. Vom “Dennis-Wagner-Fluch” spricht Svane jetzt im Chessbase-Interview mit einem halbernsten Lächeln.
Nach seiner bitteren Auftaktniederlage bei der DEM 2025 gegen Dennis Wagner versucht Svane etwas Neues. Er nimmt sich vor, anders mit Rückschlägen umzugehen, als er es sonst tut. Lockerer, gelassener. Aber in der zweiten Runde mit Schwarz gegen Vincent Keymer klappt das überhaupt nicht. Die Eröffnung misslingt, die Stellung wird schwierig, die Partie geht verloren. Und damit die Hoffnung, Deutscher Meister zu werden. Keymer wiederum ist die Revanche für die kurz zuvor erlittene Niederlage gegen Svane in der Bundesliga gelungen.
Svane ist bereit, neue Wege zu gehen. Auch wenn sie nicht sofort funktionieren. Das Turnier in München dreht er trotzdem noch: drei Siege in Serie, vier aus den letzten sechs Partien. Am Ende springt Platz vier heraus, punktgleich mit, verflucht, Dennis Wagner. Der wird Dritter, da er den direkten Vergleich gewonnen hat.
Die semi-missratene Deutsche Meisterschaft, in der er eigentlich an Vincent Keymers Thron rütteln wollte, ist nicht viel mehr als eine Fußnote in Svanes eindrucksvoller Bilanz der vergangenen Monate. Zwei Medaillen bei den Europameisterschaften 2024 und 2025, Bronze und Silber, außerdem Gold für seine Performance bei der Schacholympiade 2024, dazu ein starker Auftritt beim Freestyle in Karlsruhe.
Mit einer Elo jenseits der 2650 hat sich der 20-Jährige endgültig in der erweiterten europäischen Spitze etabliert. Im Mai 2025 stand er mit 2671 auf Rang 52 der Weltrangliste, bislang sein Peak, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht das Ende der Entwicklung.

Auch wenn der zweite Platz bei der EM 2025 auf dem Papier mehr wert ist, misst Svane selbst dem dritten Platz im Jahr zuvor eine höhere Bedeutung bei: „Da hab ich einfach besser gespielt. Dieses Jahr war viel Glück dabei.“ Eine nüchterne, analytische Selbstsicht, typisch für die Spitzenkönner des Schachsports, für die unbedingte Objektivität eine essenzielle Haltung ist. Svane sagt: „Natürlich gehört Können dazu. Aber man sollte sich selbst ehrlich einschätzen – auch wenn’s gut läuft.“
Mit seiner Klasse und seiner Haltung ist Svane auch im Freestyle angekommen. In Karlsruhe teilte er Platz drei – in einem Feld mit Carlsen, Caruana, Keymer. „Das war was völlig Neues. Kein Vorbereiten. Kein Repertoire. Du musst ab dem ersten Zug denken.“ Für Svane ist das ein Gewinn: „Mir macht das mehr Spaß als traditionelles Schach.”
Neun Stunden pro Tag, Doppelrunden, wenig Pause – Freestyle war körperlich wie mental eine Herausforderung. Aber Svane war nicht abgeschreckt. Im Gegenteil. Er wünscht sich, dass das Format weiter wächst. Und dass es bald eine eigene Wertungszahl bekommt. „Dann würden es mehr Leute ernst nehmen. Zuschauer könnten besser einordnen, wie gut jemand spielt. Das wäre ein nächster Schritt zur Professionalisierung.“
Frederik Svane spricht mit spürbarer Wärme über das Miteinander in der Nationalmannschaft. Die deutschen Topspieler kommen bestens miteinander aus, ein Glück. Ob Schacholympiade oder Freestyle, die Nationalspieler verbringen auch abseits des Brettes gerne Zeit miteinander. Und, das bringt die Profession mit sich, manchmal sitzen sie einander als Widersacher gegenüber. Svane würde solche Paarungen am liebsten vermeiden. Doch er weiß: Der Wettkampf gehört dazu. Und die Freundschaft hält trotzdem.
Sein eigener Weg geht weiter. In der polnischen Liga lief es nicht rund (4,5/9, 8 Elo verloren). Aktuell spielen Svane und die anderen Nationalspieler in London als “Team Germany and Friends” die Rapid- und Blitz-Team-WM in London. Danach steht das Schachfestival Biel an, wo er als einziger Deutscher Teil des stark besetzten Einladungsturniers ist. Am Horizont ist schon die Mannschaftseuropameisterschaft zu erkennen, angesetzt im Oktober 2025 in Georgien, wo das deutsche Team um Keymer, Svane, Blübaum als Mitfavorit ins Rennen geht – und versuchen wird, es noch besser zu machen als 2023.
Und Dennis Wagner? „Nächstes Jahr wünsche ich mir einfach, dass ich ihn nicht in Runde eins bekomme.“ Und sollte das nicht klappen, Svane hat schon eine Idee, wie sich der Fluch brechen lässt: „Vielleicht sollte ich einfach mal auf Verlust stehen. Dann gewinne ich womöglich.“
(Titelfoto: Stev Bonhage/DSB)