Das organisierte Schach braucht einen Hauptamtlichen für die IT – das fordert Michael S. Langer im Interview mit chessecosystem.com. Im Gespräch mit Thorsten Cmiel spricht der Funktionär aus Niedersachsen über verpasste Chancen, Machtverschiebungen im Präsidium und die Frage, ob der Schachbund seine Finanzen schon wieder zu locker sieht.

Lauterbach vs. Meyer-Dunker
Langer gibt sich “ein bisschen überrascht”, dass Ingrid Lauterbach die Abstimmung um die DSB-Präsidentschaft gewonnen hat. Die Präsidentschaftswahl beim DSB werde generell am Freitagabend vor dem Kongress beim Beisammensein aller Beteiligten gewonnen, erklärt Langer. “Und das hat auch in diesem Fall meines Erachtens so stattgefunden.”

IT braucht Hauptamtlichkeit
Michael S. Langer fordert einen fest angestellten IT-Verantwortlichen beim DSB. Präsidentin Ingrid Lauterbach wollte zwar einen neuen Vizeposten für Digitalisierung schaffen, scheiterte aber an der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit – nach Einschätzung des schleswig-holsteinischen Landespräsidenten Dirk Martens “ein fatales Zeichen” des DSB-Kongresses (ein weiteres in einer langen Reihe, ließe sich hinzufügen).
Langer hingegen hält Ehrenamtlichkeit für den falschen Weg. “Wir benötigen einen Verantwortlichen im Hauptamt für dieses eminent wichtige Thema”, sagt er. Dass der Antrag auf einen IT-Vizepräsidenten nicht durchgegangen ist, führt “Schachpolitiker” Langer darauf zurück, dass er nicht oder unzureichend vorbereitet war. Nach seiner Einschätzung hätte Lauterbach vor dem Kongress ihr Vorhaben in den Ländern erklären müssen.
Fauxpas bei der Stellvertreterwahl
Ingrid Lauterbach schlug Jürgen Klüners als ihren Stellvertreter vor – ohne sich offenbar vorher im Präsidium abzustimmen. Prompt kam ein Gegenkandidat aus dem Plenum: Alexander von Gleich. Der gewann deutlich. Für Langer, der eine solche Konstellation in all den Jahren nie erlebt hat, ein klarer Fehler der Präsidentin. „Wahlen funktionieren in Gremien anders als: Jürgen ist mein Stellvertreter, weil ich das will.“ Langer bemühte eine Star-Wars-Analogie: Beim Schachbund sei von nun an die Macht mit Alexander von Gleich.

Finanzpolitisch fragwürdige Planung
2026 ist ein Schachgipfel in Dresden geplant, 2027 die Jubiläumsfeier. Kostenpunkt: rund 370.000 Euro. Im Haushalt ist erst einmal vorgesehen, dass der DSB diese Kosten aus eigenen bzw. Beitragsmitteln trägt. Als mögliche Finanzierung steht, Stand jetzt, eine Absichtserklärung des Präsidiums im Raum, Sponsoren für diese Veranstaltungen zu finden. Und eine Bitte von Alexander von Gleich an den Kongress: “Falls jemand ein Dax-Unternehmen kennt, das eine Million Euro ins Schach geben möchte…”
Als einziger Delegierter beim Kongress in Paderborn war Langer aufgestanden, um diese Planung zu hinterfragen. Im Interview sagt er nun: “Wir haben den Beitrag erhört, um die Liquiditätsrücklage zu stärken. Und jetzt sind diese zusätzlichen Gelder 2026 und 2027 quasi die Finanzierung der Sonderveranstaltung Gipfel in Dresden und der Jubiläumsveranstaltungen in 2027.” Langer sieht einen Widerspruch zwischen dem ursprünglichen Beschluss und der jetzigen Planung.
Mitgliederentwicklung
Langer erwartet, dass die Zahl der Vereinsmitglieder in Deutschland bis 2035 steigt. Dann greife der demografische Wandel, nicht nur im Schach, in allen Sportarten. Schach hat nicht nur in Langers Sicht im Vergleich zu anderen Sportarten einen Bonus in der Hinterhand, der sich aktivieren ließe: Eine Hälfte der Bevölkerung, die weibliche, erreicht der organisierte Sport kaum. Würde sich das ändern, wäre viel mehr Wachstum drin.
Ich finde, dass Michael Langer etwas überproportional in den Perlen gewürdigt wird. Aber das kann auch eine Fehleinschätzung sein.
Da ist der Zug längst abgefahren. Das IT-Projekt steht aktuell statt der angebotenen 100.000 € bei ca. 750.000 € für fünf Jahre, da wird kein Geld mehr für einen hauptamtlichen Mitarbeiter drin sein. Und was soll der auch machen? Selbst so Kleinigkeiten wie eine Liste verstorbener Mitglieder müssen beim IT-Dienstleister beauftragt werden (knapp 1.000 € Kosten), da die Mitgliederverwaltung offenbar keine offenen Schnittstellen hat.
Meine folgende Kritik richtet sich nicht speziell gegen Michael Langer. Aber ich frage mich: Warum müssen so viele Personen aus der deutschen Schachszene die Eindrücke vom Paderborner Kongress wiederkäuen?
Leute, guckt nach vorne!
Die Vorgänger vom DSB-Vizepräsidenten Finanzen Alexander von Gleich kommen schlecht weg, durchaus zurecht.
Die erste Ausnahme ist Gulsana Barpijewa, die nach kürzester Zeit gesehen hat, dass man mit “Professor” “Doktor” Marcus Fenner nicht zusammenarbeiten kann und aus persönlichen Gründen zurückgetreten ist. Schade, sie wäre großartig gewesen!
David Blank, der zu meiner Zeit aktiv war, war fachlich und menschlich ein Riese, es war mir eine große Ehre! Sein Rücktritt aufgrund einer Beförderung erwies sich nachträglich als Katastrophe.