DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach knapp im Amt bestätigt

Ingrid Lauterbach bleibt DSB-Präsidentin. In der Abstimmung gegen Herausforderer Paul Meyer-Dunker bestätigte sie der Kongress des Deutschen Schachbunds in Paderborn mit einer Mehrheit von 116:103 im Amt. Sie wird den Verband in das Jahr seines 150-jährigen Jubiläums führen.

Das neue DSB-Präsidium (von links): Jürgen Klüners, Jannik Kiesel, Ingrid Lauterbach, Alexander von Gleich. | Foto: DSB

Vor der Entlastung des Präsidiums (einstimmig) tauchten unerwartet Ex-Präsident Ullrich Krause und Ex-Finanzchef Lutz Rott-Ebbinghaus auf. Nicht persönlich, aber in einer Frage des hessischen Schachpräsidenten Andreas Filmann, die sich auf die Nichtentlastung dieses Duos 2023 bezog: “Wie gehen wir damit um?”, wollte er wissen – und erntete betretenes Schweigen. Im Bericht des Finanzuntersuchungsausschusses, der nur einen Teil des angerichteten Unheils ausleuchtet, kann sich Filmann informieren, warum die beiden mit einer Nichtentlastung gut bedient sind.

Meyer-Dunker hat seine knappe Führung nach der letzten Hochrechnung nicht über die Ziellinie zu bringen vermocht. Nach der Wahl begann sogleich die Spekulation, woran das gelegen haben mag. Kontraproduktiv mag die vom bayerischen Schachpräsidenten Ingo Thorn vorgetragene Anti-Lauterbach-Tirade des abwesenden und nicht mehr als Vizepräsident kandidierenden Guido Springer gewesen sein. Nicht nur der badische Schachpräsident Christoph Mährlein, zum ersten Mal bei einem DSB-Kongress, fand sie nicht angemessen.

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Vielleicht war auch die Meyer-Dunker stützende bayerisch-nordrhein-westfälische Koalition am Wahltag nicht mehr so geschlossen, wie sie bis dahin ausgesehen hatte. Sehr kluge Analysten mutmaßten, Vertreter kleiner Länder hätten sich vorgeführt gefühlt, als Meyer-Dunker in seiner Bewerbungsrede auf das verwies, was er in seinem Berliner Verband bewegt und angestoßen hat. Vielleicht hatten es sich auch einfach am Vorabend beim gemeinschaftlichen Schachverwaltungsumtrunk ein paar Delegierte anders überlegt. Immerhin stand die Drohung einer radikalen Verjüngung des DSB-Spitzenpersonals im Raum.

Vizepräsident Sport Jürgen Klüners, weiter im Amt, wunderte sich nach der Präsidentschaftswahl, dass auch er, Team Lauterbach, noch eine Kampfabstimmung gewinnen musste. Carlos Hauser, eigentlich Meyer-Dunkers Kandidat für die Vizepräsidentschaft Sport, trat trotzdem an. Ungeachtet einer wenig souveränen Bewerbungsrede unterlag er knapp mit 95:124 bei 9 Enthaltungen – noch ein Indiz für die Unzufriedenheit der Delegierten mit zumindest einem Teil des Präsidiums, gar nicht mal so sehr mit dessen Arbeit, mehr mit dem Gebaren.

Was hatte er erwartet? Gerald Hertneck sorgte mit seinem überraschenden Rückzug für eine weitere außergewöhnliche Personalie des Tages. Als Leistungssportreferent folgt ihm Carlos Hauser. Die andere Personalie: Die Leitung des Seniorenreferats ist ab sofort vakant. Erst fiel bei der Wahl Wolfgang Fiedler durch, dann der per Telefon mobilisierte Gerhard Meiwald.

Über den Dingen steht Finanzchef Alexander von Gleich. Der Tag, an dem von Gleich bei einer DSB-Wahl eine Gegenstimme bekommt, muss erst noch anbrechen. Einstimmig bestätigte ihn die Versammlung im Amt.

Wegen des Rückzugs von Guido Springer trat auch Jannik Kiesel als einziger Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten Verbandsentwicklung an. Seine 46 Gegenstimmen bekam der Bayer in erster Linie – aus Bayern. Das dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass sich Kiesel bei der DSJ engagiert, aktuell sogar als stellvertretender Vorsitzender. Jemand aus den eigenen Reihen, der sich bei dieser Organisation einbringt, mag dem Bayern besonders zwielichtig erscheinen.

Jannik Kiesel, Vizepräsident Verbandsentwicklung. Glückwunsch!Erstaunlich gespaltenes Votum für den einzigen Kandidaten: 165 Ja, 46 Nein, 17 Enthaltungen

Perlen vom Bodensee (@bodenseeperlen.bsky.social) 2025-05-31T13:40:02.594Z

Dennoch sieht es aus, als sei der leidige Kleinkrieg der beiden Schachorganisationen bald überwunden, obwohl der seit mehr als zwei Jahren ausgetragene Konflikt um die “Projektmittel” immer noch schwelt. Wer partout Erbsen zählen möchte, der wird wahrscheinlich eine Grundlage finden, auf der der DSB der DSJ gegenüber Forderungen geltend machen könnte – und müsste, wie von Gleich ausführte, so lange der DSB-Kongress das Thema nicht zu den Akten legt.

Wie hoch diese Forderungen sein könnten, ob es für einen Erbseneintopf reicht oder nur für grüne Punkte im Risotto, das hat auch Alexander von Gleich noch nicht genau ermitteln können. Jetzt schlug er dem Kongress vor, das Thema per Beschluss zu beerdigen. In der folgenden, zivilisiert geführten Debatte, schien allgemein der Wunsch durch, einen Strich darunter zu machen und zu einer konstruktiven, nach vorne gerichteten Zusammenarbeit zu finden.

Namensschilder beim DSB-Kongress. | Foto: DSB

Auch abseits der DSJ ging es natürlich um Geld. Um kleine Summen nicht so sehr, die interessieren den DSB bekanntlich wenig, sonst würde er längst eine Gebühr für die Ausgabe von FIDE-Identifikationsnummern verlangen oder DWZ-Lizenzen ausgeben, wie es Niclas Huschenbeth tut. Während der DSB sparte, brauchte sein umtriebiger Kaderspieler keine zwölf Monate, um mit seinem DWZ-Lizenzverein auf ein paar tausend Euro Einnahmen pro Jahr zu kommen. Immerhin: Vielleicht verdient ja demnächst der DSB mit dem noch zu eröffnenden Merchandise-Shop und den dort zu verkaufenden neuen Kader-Hoodies und Shirts auch ein paar Taler.

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Ingrid Lauterbach und Alexander von Gleich fragen sich vor allem, wie sie abseits der Mitgliedsbeiträge an sechsstellige Summen kommen. Mit signifikanten extern eingeworbenen Mitteln will der Schachbund den Gipfel 2026, auch das Jubiläum 2027 finanzieren. Von Gleich verwies auf erste Akquise-Erfolge Lauterbachs im Zusammenhang mit München 2025 und zeigte sich optimistisch, daran anknüpfen zu können. Trotzdem: Wer einen Dax-Konzern kennt, der eine Million ins Schach stecken möchte, dürfe sich gerne beim DSB melden.

Lauterbach erweckte den Eindruck, als sei der Warnschuss angekommen. Sie will nicht länger nur die Sparpräsidentin sein, sondern Modernisiererin. Digitalisieren, Abläufe verbessern (der Begriff “Prozesse” fiel auffällig oft), solche Dinge stehen auf der Agenda des am Samstag gewählten Präsidiums. Und natürlich ein engerer, möglichst vertrauensvoller Austausch mit den Landesverbänden, damit es 2027 nicht wieder so knapp wird.

Was ansonsten zu tun ist, kann das neue Präsidium dem unverändert gültigen Verbandsprogramm des Deutschen Schachbunds entnehmen. Eile ist geboten. Im Papier heißt es unter anderem:

  • Ein deutscher FIDE-Vizepräsident und ein deutscher ECU-Vizepräsident sind bis 2026 gewählt worden.
  • Eine Frau hat bis 2025 2500 Elo erreicht.
  • Bis 2025 gehören zwei deutsche Spieler der erweiterten Weltklasse an (2700 Elo oder mehr).
  • Bis 2025 hat der DSB 115.000 Mitglieder.
  • Bis 2025 gibt es 25.000 weibliche Mitglieder, davon 20.000 im U20-Bereich.
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Klaus Zachmann
18 Tage zuvor

Die Wahl von Ingrid Lauterbach finde ich gut.
Ich bitte zu bedenken, dass das Verbandsprogramm von dem stammt, der den DSB finanziell an die Wand gefahren hat.
Von daher sollte das Verbandsprogramm nicht zu ernst genommen werden. 🙂

Thomas Richter
Thomas Richter
17 Tage zuvor

Zum Verbandsprogramm: Erstens bringt Conrad Schormann da den zeitlichen Rahmen durcheinander. Im Vorwort ist definiert: taktische Ziele bis Ende 2023, strategische Ziele bis Ende 2025, “Agenda 150” bis zum Jubiläumsjahr 2027. Einiges in seiner Bulletliste ist “Agenda 150”, z.B. “Eine Frau erreicht 2500” und 115.000 Mitglieder – für 2025 soll(t)en es 100.000 sein, das ist fast erreicht und nur 96.000 oder 99.000 wäre kein Weltuntergang. Zweitens steht man da auch im Wettbewerb mit anderen Ländern, nicht nur bei FIDE- und ECU-Ämtern. Aktuell gibt es elf Frauen mit Elo 2500+: vorne fünf Chinesinnen (darunter die fast inaktive Hou Yifan), dann eine… Weiterlesen »

Thomas Richter
Thomas Richter
17 Tage zuvor

Die Wahlergebnisse waren knapp, für DSB-Verhältnisse ungewöhnlich knapp. Bisher bekam bei zwei Bewerbungen der Sieger tendenziell 55-60% (eine Siegerin gab es zuvor nie, Olga Birkholz verlor 2021 gegen Amtsinhaber Ullrich Krause). Nun waren es, je nachdem wie man es definiert, 53% für Ingrid Lauterbach (116 von 219) oder wenn auch bei dieser Wahl 228 Stimmen abgegeben wurden oder abgegeben werden konnten (Enthaltungen und Neinstimmen nicht erwähnt) 51%. Derlei Mehrheiten (dabei bei Wahlbeteiligung <100% nur relative Mehrheiten) sind in der “echten Politik” durchaus gängig. Unter umgekehrten Vorzeichen – knapper Sieg für Paul Meyer-Dunker – könnte man hier vielleicht lesen, dass viele… Weiterlesen »

von und aus dem Walde
von und aus dem Walde
17 Tage zuvor

Wer stellt denn solche Vorgaben auf? Okay Ziele darf man sich setzen und auch Visionen haben, aber diese Zahlen erinnern dann doch sehr an die 100% Planerfüllung zu DDR-Zeiten.

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Peter Müller
Peter Müller
16 Tage zuvor

Ist die Rede PMDs irgendwo nachzulesen bzw. protokolliert? Als Berliner würde mich sehr interessieren, was er im BSV angestoßen zu haben reklamiert und offenbar für beispielhaft hält.

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Senior mit Frage
Senior mit Frage
17 Tage zuvor

Sind Gründe bekannt, warum die beiden Kandidaten, die bereit waren, das Seniorenreferat zu übernehmen, nicht gewählt wurden? Bevor so ein Amt vakant bleibt, wähle ich dann in Zeiten, in denen es sowieso an Ehrenämtlern mangelt, nicht lieber denjenigen, der bereit ist, das Amt zu übernehmen? Oder sind das beides Kandidaten aus der Sphäre von Dirk Jordan, so dass deshalb – dann m.E. auch nachvollziehbar – die Wahl verweigert wurde?