Die Tradition der deutschen Schachgipfel 2026 soll wiederbelebt werden. Was sich lange andeutete, was hier schon im August 2023 stand (siehe dieser Beitrag), hat der Deutsche Schachbund jetzt offiziell bekanntgegeben: Erstmals seit 2022 findet der Schachgipfel 2026 wieder statt – in Dresden, vom 16. bis 26. Juli mit einer ganzen Reihe nationaler Titelkämpfe. Veranstaltungsort ist das Maritim-Hotel und -Kongresszentrum.
Am 15. Mai kam es zur abschließenden Besprechung mit Dresdens Sportbürgermeister Jan Donhauser. Danach war ein entscheidender Punkt geklärt: Die Stadt Dresden unterstützt die Veranstaltung finanziell. Ein Hotelbuchungsportal mit weiteren Informationen ist laut DSB in Vorbereitung.

DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach: „Dresden war unser Wunschort – auch weil dort 2026 ein Doppeljubiläum stattfindet: 150 Jahre Dresdner Schachverein von 1876 sowie 100 Jahre Schachkongress in Dresden anno 1926.“ Die Gespräche mit der Stadt seien „sehr vertrauensvoll und konstruktiv“ verlaufen.
Donhauser: „Bereits zur Schacholympiade im Jahr 2008 zeigte sich: Dresden kann Schach. Ich freue mich, dass wir auch im kommenden Jahr zeigen, dass Dresden sehr attraktiv für die Austragung von Meisterschaften im Spitzensport ist. Und Schach gehört auf jeden Fall dazu, immerhin spielt der USV Dresden in der 1. Bundesliga.“
Geplant sind zwölf nationale Titelkämpfe, darunter die Deutschen Meisterschaften der offenen Klasse, der Frauen, der Senioren (Ü50 und Ü65), im Blitz- und Schnellschach sowie das DSAM-Finale. Hinzu kommen Rahmenveranstaltungen wie Ausstellungen, Simultanvorführungen, Kinder- und Jugendangebote und eine Schau zur Schachlegende Wolfgang Uhlmann.
Bemerkenswert ist die Heimkehr der abtrünnigen Senioren zum DSB, bemerkenswert ist auch die Ausrichterstadt Dresden. Weite Teile der Dresdner Schachszene verband mit dem Schachbund zuletzt ein kontroverses Verhältnis. Mehr dazu später.
Was Joseph Henry Blackburne, Frank Marshall, Alexander Aljechin und Aaron Nimzowitsch gemeinsam haben? Sie alle waren Sieger von DSB-Kongressen. Nachdem sich 1877 in Leipzig der Deutsche Schachbund gegründet hatte, schlossen sich ihm bis 1879 mehr als 60 Schachclubs an. Deren Vertreter trafen sich 1879 in Leipzig zum ersten Kongress des neuen Verbands.
Kongress des Deutschen Schachbunds – das bedeutete damals ein internationales Weltklasseturnier auf deutschem Boden, an dessen Rande die Funktionäre ihre Sitzungen abhielten. Bis 1932 in Bad Ems (Sieger: Georg Kieninger) hielt diese Tradition. Nur 1914 stoppte sie kurz. Dem wegen des Kriegsausbruchs abgebrochenen 19. DSB-Kongress 1914 in Mannheim (Sieger: Alexander Aljechin) folgte der 20. erst 1920 in Berlin (Sieger: Friedrich Sämisch).

Heute sind in Deutschland nicht mehr, wie in Frankreich oder Norwegen, die Clubs Mitglieder des nationalen Verbands, sondern die Landesverbände. Der Begriff „DSB-Kongress“ steht seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Sitzungen der nationalen Schachverwaltung: Die Länder entsenden ihre Schachverwaltungsfachleute, die beim Kongress gemeinschaftlich bestehende Ordnungswerke erweitern oder neue erfinden. Die Tagesordnung des DSB-Kongresses 2025 dokumentiert eindrücklich, dass diese auf Außenstehende peinlichbefremdlich anmutenden Versammlungen fürs Schach bestenfalls nutzlos sind. Zuletzt waren sie oft weniger als das.
Nach französischem Vorbild (siehe dieser Bericht) wollte Ullrich Krause vor acht Jahren die ursprüngliche Tradition der Kongresse wiederbeleben. Dem neuen DSB-Präsidenten schwebte ein jährliches zentrales deutsches Schachfest vor, als Produkt speziell gegenüber Kommunen vermarktbar, an dessen Rande die Schachverwaltungsfachleute an ihren Papieren feilen. Die, die spielen, und die, die verwalten, sollten einander an einem Ort begegnen, der Hotellerie dieses Orts Übernachtungen und der Gastronomie Umsätze bescheren. Sportliches Highlight: Die „Masters“, zwei Rundenturniere mit den besten deutschen Spielerinnen und Spielern.
Schon die Premiere dieses „Schachgipfels“, so der neue Name, sollte 2019 bei Dresden stattfinden, in Radebeul. Aber dann eskalierte der „Fall Jordan“. Als Organisator der Deutschen Amateurmeisterschaften (auch der Seniorenmeisterschaften) hatte Dirk Jordan nicht mit dem Veranstalter DSB abgesprochen, wie mit eventuellen Hotelprovisionen zu verfahren ist. Stattdessen strich er sie jahrelang klammheimlich ein, sechsstellige Beträge. Unbekannt war das nicht, aber, auch das eine DSB-Tradition, niemand hatte genau wissen wollen, was da läuft.
Im Mai 2018 trennte sich der DSB von Jordan (vor Gericht streiten sie immer noch). Hinsichtlich des bevorstehenden ersten Schachgipfels war das ein Problem. Auch die Gipfel-Premiere hatte der Dresdner Schachunternehmer mit seinem Verein Schachfestival organisieren sollen. Nach der Trennung galt es, kurzfristig umzudisponieren. Das gelang. Nicht in Radebeul, sondern in Magdeburg erlebte der Gipfel 2019 seine Premiere.

Die letzte Austragung des Schachgipfels fand 2022 mit rund 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ebenfalls in Magdeburg statt. Später sollte sich offenbaren, dass der DSB zu diesem Zeitpunkt schon vor dem Ruin stand, nicht existente Sponsoren präsentierte und mit Fantasiezahlen hantierte. Es offenbarte sich auch, dass DSB-Geschäftsführer Marcus Fenner den Kontakt zur Ausrichterstadt Magdeburg hatte abreißen lassen, anstatt ihn zu pflegen. Schon den Gipfel 2021 hatte Magdeburg nicht mehr unterstützt. DSB-Goldesel Gernot Gauglitz sprang kurzfristig ein, um die Veranstaltung zu retten.
2023 sollte der Gipfel nach Braunschweig umziehen. Die Verhandlungen standen kurz vor dem Abschluss, als die Bombe platzte: Die Reserven sind verbrannt, der DSB steht vor der Pleite. Angesichts der zutage tretenden Abgründe zogen die Braunschweiger Verhandlungspartner die Notbremse. Und so bleibt Magdeburg 2022 der vorerst letzte Schachgipfel.
Die Wertigkeit von Großveranstaltungen beurteilen Kommunen ganz wesentlich anhand der Zahl von Übernachtungen, die damit verbunden sind. Fürs Schach spielt in diesem Zusammenhang der wachsende Tross der Schachsenioren, oft mit Partnerin oder Partner unterwegs, eine wesentliche Rolle. Ausgerechnet die sind seit der Jordan-Affäre mit dem DSB verkracht und in großer Zahl ihrem Lieblingsorganisator Jordan nach wie vor verbunden.
Den letzten Senioren-Zoff mit dem da schon abgewirtschafteten Krause-Präsidium gab es, als die Senioren nach dem Ausfall des Gipfels 2023 ihre Meisterschaft kurzerhand nach Dresden in die Obhut des Vereins Schachfestival geben wollten, bei dem bis heute Martina Jordan als Schatzmeisterin fungiert. Der DSB intervenierte (siehe dieser Bericht) und teilte mit, er werde nicht mit einem Verein zusammenarbeiten, dessen Schatzmeisterin wegen Geldwäsche in Zusammenhang mit der DSAM angeklagt ist. Mit dem Lauterbach-Präsidium gab es erheblichen Zoff ums Geld, als die DSB-Spitze den Senioren 2024 ihren Etat von 26.000 Euro auf knapp über Null zusammenstrich.
Dass es nun schon in Dresden 2026 zur „Reintegration der bockigen 30.000“ (PvB) kommt, war nicht unbedingt zu erwarten. Das Lauterbach-Präsidium kann es sich auf die Liste seiner Errungenschaften schreiben. Ob es dafür alleine verantwortlich ist, erscheint möglich, aber nicht ganz klar.
Ende 2023 hieß es, der Dresdner Gipfel 2026 sei in Abstimmung mit dem Schachverband Sachsen geplant. Aber in der aktuellen Mitteilung des DSB zu Dresden 2026 kommen der sächsische Verband und sein Chef André Martin nicht vor – eine Parallele zur Deutschen Meisterschaft in München 2025. Auffällig war, dass sie den DSB-Verlautbarungen nach gänzlich ohne Zutun und Beteiligung des Bayerischen Schachbunds über die Bühne ging. In den Verlautbarungen des Bayerischen Schachbunds wiederum kam die Deutsche Meisterschaft in München nicht vor.
Grossveranstalltungen sind mir immer ein greul, aus vielerlei Gründen. Leider sind sie notwendig -Finazierung- und Orginasatoren/Ehrenamtler glücklich zu machen.Leider ist die Zeit von einer gemütlichen Zigarre und rundem Deckelchen am Brett schon längst vorbei.
Dazu noch e-Sport und Kinderbetreung, dann könnte man auf dem Hotel- Parkplatz noch WC-Wagen aufstellen und Zelte für die Kinderbetreuung.
Was mir gerade durch den Kopf schoss: Das montierte Foto zum Bericht wirkt wie ein Standbild aus der Werbung für wirkaufendeinauto.de … Nichts für ungut.