DSB-Sportdirektor Kevin Högy über Öffnung, EM-Bilanz, Frauenanteil, Schulschach

Kevin Högy, Sportdirektor des Deutschen Schachbundes, hat im WDR-Gespräch zentrale Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten des organisierten Schachs in Deutschland benannt. In der WDR-5-Sendung “Redezeit” sprach Högy ausführlich über die Notwendigkeit, sich zu öffnen, über die schwache Bilanz der Frauen bei der Europameisterschaft, über Frauenanteil und Diskriminierung im Schach sowie das Potenzial schulischer Projekte.

Neidischer Blick auf die Top-Nationen? Oder Genugtuung angesichts der vielen Mitbewerber, die sich hinter Deutschland anstellen müssen? Kevin Högy während der Schacholympiade 2022. | Foto: Paul Meyer-Dunker

„Wir müssen medienwirksamer werden“

Ein zentrales Anliegen Högys ist die Öffnung des Schachsports gegenüber der Öffentlichkeit. Klassisches Schach mit langen Partien sei aus Mediensicht „nicht das Gelbe vom Ei“. Schnell- und Blitzformate seien dagegen zuschauerfreundlich, weil sie mehr Partien, mehr Gegner und kürzere Entscheidungswege bieten – ein deutlicher Vorteil in Zeiten digitaler Rezeption. Högy fordert: „Wir müssen zusehen, dass unsere Angebote medienwirksamer sind.“ Formate müssten entsprechend weiterentwickelt werden, um Schach attraktiver und zugänglicher zu machen – nicht zuletzt für neue Zielgruppen.

Frauen-EM: „Absolut nicht zufriedenstellend“

Die enttäuschende Leistung bei der Europameisterschaft der Frauen will Högy differenziert verstanden wissen. Deutschland trat mit vier Kaderspielerinnen an, von denen drei ein schwaches Turnier erwischten. „Das kann passieren“, sagt Högy. „Die Bilanz ist absolut nicht zufriedenstellend – das ist ganz klar.“ Doch ein generelles Abrutschen ins Mittelmaß sehe er nicht. In der Weltrangliste gehörten Deutschlands Männer- und Frauenteams zur erweiterten Weltspitze, teils sogar zu den Top fünf. Der Auftrag sei, Schwankungen abzufangen: „Wenn wir die Ausschläge nach unten verringern können, wäre schon viel gewonnen.“

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Tatsächlich fällt bei den Kaderspielerinnen seit Jahren auf, dass sehr starken Ergebnissen regelmäßig sehr schlechte folgen. Es fehlt die Konstanz. Im Ergebnis tut sich die gegenwärtige Generation der Nationalspielerinnen schwer damit, in der deutschen Rangliste die Generation davor zu überholen, geschweige denn sich davon abzusetzen.

Nationalspielerin Josefine Heinemann hat angesichts stagnierender Leistungen und einer großen Zahl im Ausland ausgebildeter und danach eingewanderter Spitzenspielerinnen unlängst das Fundament der hiesigen Ausbildung in Frage gestellt. Allein ist sie damit nicht. Vincent Keymer findet, Deutschland sei bei der Nachwuchsföderung “im Vergleich mit Top-Nationen nicht konkurrenzfähig“.

Zehn Prozent Frauen

Auf die Frage nach der anhaltenden männlichen Dominanz im organisierten Schach antwortet Högy mit Zahlen: Rund 100.000 Mitglieder hat der Deutsche Schachbund – davon etwa 90 Prozent Männer. Högy benennt Probleme, die das mit sich bringt: „In kleineren Gruppen passiert es eher, dass sich Sprüche einschleichen – gerade in einem männlich dominierten Umfeld.“ Alte Männer, und von denen gibt es im Schach mehr als in anderen Sportarten, hätten teils überkommene Vorstellungen, „die nicht mehr in diese Zeit gehören“. Der DSB habe inzwischen einen eigenen Bereich zur Prävention sexualisierter Gewalt aufgebaut, in dem Trainer und Mitarbeitende geschult würden. Sanktionen seien möglich: von der Ermahnung bis zum Lizenzentzug.

Högy betont außerdem: „Es gibt gar keinen Grund, warum Frauen schlechter Schach spielen sollten als Männer. Also es ist ja kein Muskelsport, wo man jetzt Gewichte heben müsste, wo es vielleicht auf Muskelkraft ankäme. Sondern das können Männer, das können Frauen.“ Der Leistungsunterschied sei rein strukturell bedingt – nicht biologisch oder kognitiv. Die geringe Anzahl weiblicher Spitzenspielerinnen sei in erster Linie Folge ihrer zahlenmäßigen Unterrepräsentation im organisierten Schach.

Fehlt Frauen am Ende des Kampfes die Kraft? Elisabeth Pähtz sieht das so. | Foto: David Llada/FIDE

Damit widerspricht Högy seiner langjährigen Spitzenspielerin. Elisabeth Pähtz hat wiederholt öffentlich erklärt, Männer seien ihrer Meinung nach beim Schach körperlich im Vorteil – eine Folge evolutionärer Prägung, auch eine Folge von körperlichen Unterschieden. Männern verhelfe ihr höherer Testosteronspiegel zu mehr Risikobereitschaft am Brett, aus ihrer Sicht ein Vorteil. Außerdem profitierten Männer von ihrer stärkeren Physis: “Bei Frauen treten nach vier, fünf Stunden mehr Fehler auf, was damit zu tun hat, dass Männer mehr Energie und Kraft haben”, hat sie etwa gegenüber der Berliner Zeitung erklärt.

Schulschach als Motor

Besonders engagiert äußert sich Högy zum Thema Schule. Es gebe viele Projekte, in denen Schach nicht nur als AG, sondern auch im Regelunterricht verankert sei – etwa „Schach macht Schule“ oder das Hamburger Modell „Schach statt Mathe“, bei dem eine Mathematikstunde durch eine Schachstunde ersetzt wurde. Studien zeigten: Schach helfe Kindern, Verantwortung zu übernehmen, sich zu konzentrieren und eigenständig zu denken. Zugleich eigne sich Schach hervorragend zur Integration: „Du brauchst keine Sprache. Schach können alle spielen – egal ob mit oder ohne Deutschkenntnisse.“

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Peter
Peter
26 Tage zuvor

Trauriges, blutleeres Geschwurbel eines DSB-Vertreters. Das zeigt, woran der DSB grundsätzlich krankt. Behauptungen, Vermutungen ohne Fakten oder wissenschaftliche Untermauerung. Garniert mit bösen alten Männer als Schuldige und erbärmliche Ausrede für das Versagen eines Verbandes. Wie armselig dieser DSB ist, das kann man an diesen Aussagen erkennen. Natürlich schwurbelt ein Mann als Frauenversteher zum Thema. Dass ein biologischer Unterschied zwischen Mann und Frau besteht, ist eine Binse. Die Überlegungen von E. Pähtz ist wenigstens ein Ansatz, den man nicht einfach als Unsinn disqualifizieren sollte. Mehr wirkliche wissenschaftliche Forschung wäre nötig, anstatt ideologisches, einseitiges und voreingenommenes Klischee-Mainstream-Geschwurbel. Dieser Verband sollte komplett aufgelöst… Weiterlesen »

Gernot Isola
Gernot Isola
25 Tage zuvor

Befremdlicher Artikel. Was Herrn Högy und vor allem Frau Pähtz (wo sind die Belege für die “Testosterontheorie?) die Qualifikation gibt, die Leistungsfähigkeit von Frauen im Schach seriös zu bewerten, bleibt ungeklärt. Es entsteht der Eindruck, dass “eine Meinung zu haben” bereits einen Ritterschlag darstellt.
Darüberhinaus wird wieder die (nach derzeitigem Stand widerlegte) Behauptung, dass “laut Studien” Schach bei kindern positive kognitive Effekte habe, wieder aufgewärmt.Zum Drüberstreuen gibt es noch einen schönen Schlusssatz, dass Schach als Sprache integrativ wirke – mit Grammatikfehler!

Uwe Böhm
Uwe Böhm
25 Tage zuvor

Grundsätzlich spielen im Schach die Kondition und so etwas wie der Killerinstinkt eine Rolle. Von daher sollte man mit der Aussage, Frauen und Männer hätten dieselben Voraussetzungen vorsichtig sein.

Dass in der Schule eine Stunde Mathematikunterricht durch eine Stunde Schach ersetzt wird, geht überhaupt nicht. Wer kommt denn auf so etwas?

Schach mag ja integrativ sein. Aber damit verbessert man nicht seine Deutschkenntnisse, wenn es an denen mangelt. Schach kann keinen Sprachunterricht ersetzen. Der ist dann erst einmal wichtiger.

Fluffy
Fluffy
20 Tage zuvor

Ich habe ich mir doch mal das Interview vom WDR angehört, um mir ein komplettes Bild zu machen, und stelle zunächst fest, dass der Inhalt im Text oben treffend wiedergegeben wurde. Da kam nicht viel mehr. Mit einigen der Aussagen von Kevin Högy kann aber auch ich mich nicht so anfreunden. So sagt er: „Wir müssen medienwirksamer werden“ Wen meint er mit Wir? Es gibt eine ganze Reihe von durchaus interessanten Kanälen im Netz, die Schach präsentieren. Es gibt eine Reihe von Plattformen, die Nachrichten bringen und auf denen man online Schach spielen kann. Meint er den DSB oder das… Weiterlesen »

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Peter
Peter
23 Tage zuvor

„Wir müssen medienwirksamer werden“Wer hindert die Geschäftsstelle daran zu arbeiten? Brauchen wir noch einen Festangestellten der sich kümmern kann?

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H D
H D
24 Tage zuvor

“Die geringe Anzahl weiblicher Spitzenspielerinnen sei in erster Linie Folge ihrer zahlenmäßigen Unterrepräsentation im organisierten Schach.” Högys Behauptung lässt sich mit den DSB-Zahlen selbst leicht widerlegen: Wenn 10% der deutschen Schachspielenden Frauen sind und Frauen und Männer gleich spielstark wären, müsste es statistisch ca. 10 Spielerinnen in den deutschen Top 100 geben. Tatsächlich ist es aber aktuell nur eine (Wagner) bzw. bis vor kurzem zwei (Wagner, Pähtz), also nur 1-2%. Auch bei den Spielern mit Elo >2200 bzw. Elo >2000 liegt der Frauenanteil nur bei ca. 1%, siehe die Listen und Statistiken unter Top 100 FIDE-Eloliste – Deutscher Schachbund –… Weiterlesen »

Georg Adelberger
Georg Adelberger
23 Tage zuvor

Erst der RBB zum Thema, dann der WDR, jetzt grad der Tatort. Zufall, oder Promotion im Vorfeld?

Manfred
Manfred
26 Tage zuvor

“In der Weltrangliste gehörten Deutschlands Männer- und Frauenteams zur erweiterten Weltspitze, teils sogar zu den Top fünf.”

Bei den Männern vielleicht, da gab es ja durchaus einige Erfolge. Aber wann waren denn die deutschen Frauen jemals auch nur in der Nähe der Top fünf?

Jens
Jens
25 Tage zuvor

Wer sich das Interview des WDR mit Kevin Högy als Podcast anhören will, hier gehts lang, “Schach in Deutschland: wieder beliebter – Kevin Högy”: https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/neugier-genuegt/redezeit-kevin-hoegy-100.html