World Chess Club Berlin schließt

Für das Publikum kam es aus heiterem Himmel, für die Mitarbeitenden auch. Der World Chess Club Berlin (WCCB) schließt seine Türen. Der bis dahin regelmäßige “Sunday Cup” am vergangenen Wochenende war die letzte Veranstaltung. Grund für die Schließung am prestigeträchtigen Standort Unter den Linden sei, dass das Konzept trotz treuer Schach-Community wirtschaftlich hinter den Erwartungen zurückblieb. CEO Ilya Merenzon kündigte in einer Mitteilung von World Chess an, aus den Erfahrungen zu lernen.

Noch vor acht Tagen hat World Chess auf seinem YouTube-Kanal ein Video über den “most stylish Chess Club in the world” veröffentlicht. “Ich würde mich freuen, Sie hier zu begrüßen”, sagt Clubchef Ilya Merenzon am Ende des Videos zum Publikum.

Auf Anfrage dieser Seite stellte Merenzon auf Twitter die Schließung als Umzug an einen neuen Ort dar. Möglichst bald, bestimmt noch in diesem Jahr will die Betreibergesellschaft einen neuen Standort in Berlin eröffnen. Welcher das sein könnte, ist noch nicht bekannt. Der neue Club soll besser zu dem passen, was sich der Betreiber vorstellt: mehr Räume, mehr Möglichkeiten für späte Blitzturniere mit Musik und “Negroni nach 22 Uhr”, wie es auf dem Telegram-Kanal von World Chess hieß.

Kurz vor der Eröffnung des WCCB in Februar 2022.

Der bisherige Standort mit mehr als 800 Quadratmetern nahe dem Brandenburger Tor sei zwar als Treffpunkt beliebt gewesen, habe sich aber nicht gerechnet. Künftig wolle man effizienter und nachhaltiger arbeiten. Der neue Club soll mit deutlich geringeren Fixkosten funktionieren und stärker mit der Online-Plattform chessarena.com verzahnt sein, die World Chess unverändert als “offizielle” Online-Plattform der FIDE betreibt.

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Der im Februar 2022 eröffnete World Chess Club Berlin galt mit mehr als 800 Quadratmetern Fläche, hochwertiger Gastronomie, Eventausstattung und Streaming-Technik als ambitionierter Versuch, Schachkultur und urbanes Lebensgefühl zu verbinden. Der Standort direkt am Brandenburger Tor war strategisch gewählt, auch als symbolischer Schach-Hotspot. Trotz einzelner Turnier-Höhepunkte wie der Ausrichtung der Grand-Prix-Turniere der FIDE 2022 fand das Konzept kommerziell nicht den erhofften Durchbruch.

Laut Merenzon ist der Standort nicht gescheitert, sondern „ein notwendiger Testlauf gewesen für das, was nun kommt“. Es wäre keine Mitteilung von Merenzon, käme darin nicht ein ganz großes Rad vor, an dem er zu drehen gedenkt. In diesem Fall klingt das so: “This is part of a larger strategy to build a scalable network of chess venues that combine real-world events with our digital infrastructure.”

Nach eigenen Angaben arbeitet World Chess an weiteren Standorten in ganz Europa – gleich mehrere neue World Chess Clubs seien geplant. Das waren sie freilich schon vor drei Jahren, als nach der Schließung des Clubs in Moskau das Berliner Etablissement öffnete – und nur der erste von mehreren World Chess Clubs in den Metropolen dieser Welt sein sollte.

Auch für den Berliner Schachverband kam die Nachricht überraschend. Im September 2023 hatten der Verband und World Chess eine Kooperation besiegelt. Dem World Chess Club bescherte sie Publikum, dem Verband Räumlichkeiten für Wettbewerbe. Nun muss der Verband kurzfristig einen neuen Austragungsort für seine Schach960-Liga finden, die zuletzt im WCCB beheimatet war.

Auf der Website des Clubs ist diese neueste Entwicklung noch nicht abgebildet.

Titelfoto: World Chess

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Edelpatzer
Edelpatzer
27 Tage zuvor

Schade. Man kann nur hoffen, dass es wirklich etwas wird mit der Wiedereröffnung. Denn Bedarf an einem Schachcafé im Zentrum Berlins mit Öffnungszeiten am Nachmittag und vor allem am Wochenende besteht ja offensichtlich, das hat der Publikumszuspruch gezeigt. Aber wenn das Projekt an einer solchen Premiumadresse rasch (viel?) Gewinn abwerfen soll, wird es natürlich schwierig – trotz Berlin-Mitte-typischer Preise für Gastronomie ebenso wie für Turniere. Es sei allerdings daran erinnert, dass man in der Hauptstadt an nahezu jedem Abend irgendwo für sehr viel kleineres Geld sein Blitz- oder Rapid-Turnier spielen kann. Zugegebenermaßen in weniger schicken Lokalitäten, ohne Lounge-Musik und bei… Weiterlesen »

joschi
joschi
27 Tage zuvor

Ich war im letzten Herbst einmal dort, irgendwann einmal unter der Woche. Gähnende Leere. Ein Shop, dessen Besuch sich nicht lohnt (kaum Produkte, keine witzigen Shirts, keine coolen Tassen, keine Schlüsselanhänger, eine Handvoll überteuertes Zeug mit dem Logo von World Chess), eine Bar, die uninteressant ist.
Die Lage “direkt am Brandenburger Tor” ist tatsächlich in einem Innenhof. Und dennoch zu teuer um es nur fallweise zu füllen.
Ich hielt die ganze Unternehmung für ein Lokal, um Geldwäsche zu betreiben (was freilich eine unbelegte und naive Hypothese ist) …
Es würde mich interessieren, wessen Geld dort verbrannt wurde.

Timm Schmidt
Timm Schmidt
27 Tage zuvor

Man fragt sich wessen Geld hier verbrannt wurde. Schach spielen habe ich hier kaum jemand gesehen.

Trampeltiger
Trampeltiger
21 Tage zuvor

Es gibt in einer Stadt wie Berlin Dutzende Schachvereine.

Warum ich dann einem kommerziell gescheiterten Schachcafé nachtrauern sollte, weiß ich nicht.

Und ohne nun wirklich Branchenkenner zu sein, war mir von Beginn an klar, dass das scheitern würde und ich könnte mir auch vorstellen, dass nie etwas anderes geplant war.

Matthias
Matthias
26 Tage zuvor

Das man mit einem Schachcafe, auch noch in teurer Lage meint, wirklich Geld verdienen zu können, überrascht mich. Und soweit ich das verstehe, wirkt dieses Format ja noch nicht einmal einladend auf Menschen, die gar kein Schach spielen.

Peter
Peter
26 Tage zuvor

Im Vereinsheim ist das Bier und die Stulle mit Schmalz sicher günstiger.

Berliner
Berliner
22 Tage zuvor

Nun muss der Verband kurzfristig einen neuen Austragungsort für seine Schach960-Liga finden, die zuletzt im WCCB beheimatet war.”

Die Schach960-Liga war dort nicht “beheimatet”. Es gab eine Vereinbarung, dass 2 Spieltage der Schach960-Liga im WCCB stattfinden sollten. Gerade einmal 5 Tage vor dem ersten 1. Spieltermin hat die Turnierleitung die Info bekommen, dass das WCCB schließt. Die Info kam aber nicht vom WCCB, der es nicht für nötig hielt abzusagen, sondern von einem Spieler, der irgendwie davon mitbekommen hat. Es hätte eine Heimat werden können, aber es war nie eine. Zumindest nicht für die besagte Schach960-Liga.