Matthias Blübaum greift nach seinem zweiten EM-Titel. Zwei Runden vor Schluss der Europameisterschaft 2025 in Eforie Nord (Rumänien) führt der 27-Jährige das Feld allein an – als einziger Spieler mit 7,5 Punkten aus 9 Runden, Eloperformance 2808. In Runde neun besiegte Blübaum den bis dahin groß aufspielenden georgischen Publikumsliebling Baadur Jobava. In der zehnten Runde bekommt es Blübaum mit dem armenischen Routinier und Verfolger Gabriel Sargissian zu tun. Mit dem hat er schon vor drei Jahren um den EM-Titel gekämpft – erfolgreich.

Der Europameister von 2022 hat nun beste Chancen, Geschichte zu schreiben: Noch nie hat ein Spieler zwei Mal den Titel gewonnen, seitdem die Europameisterschaft im Jahr 2000 ins Leben gerufen wurde. Blübaum könnte der Erste sein. “Die Chance ist da, aber es wird nicht leicht. Mir stehen noch zwei harte Runde bevor”, sagte Blübaum nach seinem Neuntrundensieg. Er hofft jetzt, in den beiden entscheidenden Partien seine Nerven im Zaum zu halten. Nervosität, das weiß er aus Erfahrung, spielt in Konstellationen wie dieser auch eine Rolle.
Blübaum hätte am vergangenen Wochenende gerne für seine SF Deizisau Bundesliga gespielt. Die Kollision der Europameisterschaft mit der Bundesliga, die eine ganze Reihe von Teams traf, findet er unglücklich. Ohne ihn und den ebenfalls bei der EM weilenden Dmitrij Kollars unterlag sein Team dem FC St. Pauli, der damit den Klassenerhalt besiegelte.
Blübaum musste vor der EM nicht die fürs Bundesligateam, sondern die für den Schachprofi Matthias Blübaum beste Entscheidung treffen, und dieser Profi hatte das World-Cup-Ticket noch nicht gelöst. Insofern entschied er, der World-Cup-Perspektive wegen zur EM zu fahren. Blübaum kann davon ausgehen, dass er mit 7,5/9 zwei Runden vor Schluss die Qualifikation zum hochdotierten FIDE-Wettbewerb schon so gut wie sicher hat. Jetzt geht es um den EM-Titel.
Weil bei der EM World-Cup-Plätze vergeben werden, ist sie Jahr für Jahr ein extrem stark besetztes Turnier. Nicht an der Spitze, aber in der Breite. Während den meisten Spielern über 2700 Elo andere Wege in den World Cup offenstehen, haben diejenigen darunter bei der EM die beste Chance, sich World-Cup-Zahltage zu sichern. Und so tummeln sich in Rumänien 42 Spieler über Elo 2600 und mehr als 100 Großmeister. Dazu kommen dutzende ambitionierte Youngster, die die seltene Gelegenheit nutzen wollen, elf Partien am Stück gegen Top-Gegner zu spielen. Selbst ein Großmeister vom internationalem Klasseformat wie Matthias Blübaum ging als nominelle Nummer 17 des Felds ins Rennen.
Lange sah es in Eforie Nord aus, als würde Daniil Yuffa das Feld dominieren. Der Spanier russischer Herkunft startete mit 5,5/6, unter anderem dank glücklicher Siege gegen Jorden van Foreest und Misratdin Iskandarov. Doch Blübaum beendete die Serie in Runde 7 mit einem überzeugenden Weißsieg, Yuffa stürzte zurück ins Verfolgerfeld. In Runde 8 rehabilitierte er sich mit einem Sieg über Yuriy Kuzubov. Nach neun Runden ist er Teil des Quartetts, das Blübaum mit einem halben Punkt Rückstand im Nacken sitzt.

Eine Geschichte des Turniers schreibt Baadur Jobava, der nach 8 Runden mit 6,5 Punkten überraschend ganz vorne mitspielte. Der einstige Weltklassespieler, Elo-Rekord 2734, bekannt für außergewöhnlichen Erfindungsreichtum und Waghalsigkeit, ist mittlerweile auf 2578 Elo abgerutscht. Aber in Rumänien spielte er groß auf. Eine der wildesten Partien des Turniers lieferte er sich mit Frederik Svane – vier Damen auf dem Brett. Jobava hatte zwischenzeitlich Gewinnchancen, dann wendete sich das Blatt zugunsten des Deutschen, und am Ende stand ein Patt auf dem Brett. Mit 6,5/9 auf Rang 8 wird Jobava höchstwahrscheinlich nicht Europameister 2025 werden, aber segelt auf World-Cup-Kurs.
Neben Blübaum spielen andere Deutsche ein starkes Turnier. Frederik Svane, Niclas Huschenbeth und Alexander Donchenko (trotz Auftaktniederlage gegen Elo 2300) liegen mit 6,5/9 in Lauerstellung. Katastrophal lief der Wettbewerb für Dmitrij Kollars, mutmaßlich aus gesundheitlichen Gründen. Nach der achten Runde ist Kollars mit 4,5 Punkten und minus 27,9 Elo aus dem Wettbewerb ausgestiegen.
Rasmus Svane (6 Punkte) streitet derweil mit Felix Blohberger um den Publikumspreis für deutschsprachige Teilnehmer. Der deutsche und der österreichische Großmeister erfreuen wahrscheinlich nicht nur den Schreiber dieser Zeilen Abend für Abend mit Einsichten von der EM und einer Analyse der gerade gespielten Partie.
Nur an einem Tag setzte Rasmus Svane aus. In Runde 4 gewann er ein episches Damenendspiel über 165 Züge gegen Shiroghlan Talibov – die längste Partie des Turniers bisher. Danach war Svane froh, noch etwas zu essen zu bekommen, aber mochte kein Video mehr aufnehmen. Er zeigte das Damenendspiel am Tag danach:
Bluebaum ist natürlich kein sehr starker Spieler!
Matthias Bluebaum, der Klaus Kinski des deutschen Schachs.
“Selbst ein Großmeister vom internationalem Klasseformat wie Matthias Blübaum ging als nominelle Nummer 17 des Felds ins Rennen.” Die Unterschiede sind ja klein, und es gibt in Europa viele “Großmeister von internationalem Klasseformat”. Blübaum war vor dem Turnier Nummer 4 in Deutschland (hinter Keymer, Frederik Svane und Kollars) und Nummer 42 in Europa – im Turnier fehlen der eine mit 2800+, alle mit aktuell 2700+ und noch ein paar. Beinahe wäre es in der letzten Runde zum Derby zwischen Frederik Svane und Matthias Blübaum gekommen. Dieser Svane ist an 10 gesetzt und wird dabei vielleicht (noch nicht so lange auf… Weiterlesen »