Ab der Saison 2027/28 sollen alle Mannschaften in der zweiten Bundesliga mit mindestens einer Frau bzw. mindestens einem Mann antreten. So steht es in einem Antrag an den Kongress des Deutschen Schachbundes, den der Schachverband Württemberg, der Berliner Schachverband und Bundesturnierdirektor Michael Rütten einbringen werden. Der Antrag steht im Kontext der neuerlichen Bemühungen, Schach weiblicher zu machen.

Zur Begründung ihres Vorstoßes legen die Antragsteller dar, wie gering der Frauenanteil in den beiden höchsten Spielklassen derzeit ist: In der Bundesliga sind 2,1 Prozent Frauen gemeldet, in der 2. Bundesliga 1,6 Prozent. Nach Angaben der Antragsteller stagnieren diese Zahlen seit Jahren. Sie machten deutlich, dass freiwillige Maßnahmen allein bisher nicht ausreichend gewirkt hätten, um mehr Frauen in den Ligenbetrieb einzubeziehen.
Die Initiatoren sehen daher die Notwendigkeit, die Förderung von Frauen im Schachsport durch verpflichtende Regelungen zu intensivieren. Die geforderte Frauenquote soll dazu beitragen, dass weibliche Talente frühzeitig eingebunden und kontinuierlich gefördert werden. Langfristig erhoffen sich die Antragsteller dadurch eine Erhöhung des Frauenanteils in allen Spielklassen und eine Stärkung der Präsenz von Spielerinnen im Ligaschach.
Mannschaften, die sich nicht an die neue Vorgabe halten, müssten nach dem Vorschlag empfindliche Sanktionen hinnehmen: Wer ohne Frau an die Bretter geht, gilt als “nicht angetreten”. Diese Konsequenz soll die Bedeutung und Ernsthaftigkeit der Regelung verdeutlichen und gleichzeitig sicherstellen, dass sich die Vereine tatsächlich bemühen, entsprechende Strukturen aufzubauen.
Gleichzeitig sind sich die Antragsteller bewusst, dass eine solche Umstellung für viele Vereine Herausforderungen mit sich bringt. Deshalb sieht der Vorschlag eine Übergangszeit bis 2027/28 vor, in denen die Vereine Spielerinnen systematisch fördern und integrieren sollen, um die Vorgaben zu erfüllen. Diese Frist soll sicherstellen, dass bis zum Inkrafttreten der Regelung genügend weibliche Talente aufgebaut wurden und niemand unvorbereitet in eine neue Konstellation gerät.

Die Initiatoren verweisen auf internationale Vorbilder: Insbesondere in Frankreich (Studie) habe die Einführung verbindlicher Frauenquoten im Ligabetrieb den Frauenanteil im Schachsport steigen lassen. Dies zeige, dass solche Maßnahmen erfolgreich sein können, um strukturelle Ungleichheiten langfristig zu überwinden und Spielerinnen wirksam zu fördern.
Nun soll Deutschland diesem Beispiel folgen und eine überregionale Lösung einführen, die von oben nach unten einsickern kann. Da vom Schachbundesliga e.V. keine Initiative zu erwarten ist, sehen die Initiatoren den DSB und dessen Spielbetrieb gefordert, den Anfang zu machen.
Wer sich hinsichtlich des angeführten französischen Modells und dessen vermeintlichen Erfolgs bei der Geschäftsführerin des französischen Verbands erkundigt, stellt fest, dass der in Frankreich zu beobachtende Effekt womöglich nicht so eindeutig mit der Frauenquote im Spielbetrieb zusammenhängt, wie es die Initiatoren des Kongress-Antrags gerne hätten. Mathilde Choisy sagt sogar, der Effekt der Quote sei “nahe null”:

Das mag ja – je nachdem wie man es nennen will – gut gemeint, populistisch oder politisch korrekt sein. Aber was würde es wohl in der Praxis bedeuten? Brett 8 hat in der Zweiten Bundesliga generell Elo 2300-2450, auch bei den tatsächlich eingesetzten Reservespielern oft 2300+ und meistens 2200+. Bei Männern sind das wohl weitgehend Amateure bis höchstens Halbprofis. Frauen vergleichbaren Niveaus sind – jedenfalls im oberen Bereich dieses Spektrums – eventuell (Möchtegern-)Profis bzw. wollen jedenfalls Geld, wenn sie unbedingt gebraucht werden. Das kann Ärger innerhalb von Mannschaft oder Verein auslösen? Und woher sollen die ganzen Spielerinnen kommen? 24 Vereine… Weiterlesen »
So ein Blödsinn… wird aber vermutlich/hoffentlich abgelehnt.
Es wäre hilfreich, wenn die Antragsteller sich wenigstens mal die Frage gestellt hätten, warum denn die Deutsche Schachjugend vor gut 30 Jahren das Mädchenbrett abgeschafft haben – tatsächlich war dieses eher kontraproduktiv, weil stärkere Spielerinnen kaum einmal gefordert wurden, Anfängerinnen ebenso regelmäßig überfordert waren, aber beide “dank” des Pflichtmädchenbrettes praktisch keine Chancen hatten, dort aufgestellt zu werden, wo sie Partien auf Augenhöhe bekommen hätten. Wenn es den Antragstellern wirklich um die Förderung des Frauenschachs geht, warum setzen sie dann nicht bei den Einzelmeisterschaften an und fordern, diese in einem gemeinsamen Turnier von Frauen und Männern auszutragen – eine solche Maßnahme… Weiterlesen »
Schach ist eine Leistungsgesellschaft. Das Geschlecht spielt keine Rolle. Quoten für Frauen einzuführen, das ist genau das Gegenteil von dem, was beabsichtigt wird. Das ist Frauen-Diskriminierung, eingeführt von Männern, die die Realität nicht mehr erkennen können und wollen. Das ist völliger Unsinn, der den Schachsport weiter schädigt. Die Meinung der Spitzen-Schach-Spielerinnen würde mich interessieren, wenn sie per Quote zum Anhängsel definiert werden. Starke Schachspielerinnen haben diese seltsamen Konstrukte immer abgelehnt und das zu Recht.
Ohne zu wissen, wer der Antragsteller ist, dachte ich sofort, das kann nur aus Württemberg kommen. 🙂 Vielleicht hätte man mal vorher mit Mathilde Choisy Kontakt aufnehmen sollen und nachfragen, ob der Frauen-Boom beim franzößischen Schachverband denn wirklich damit zusammenhängt oder es doch andere Ursachen gibt. Und siehe da, es war dann doch die Arbeit in den Schulen und vom Staat geförderte Trainerstellen. Insofern ist der Antrag vielleicht gut gemeint, aber er geht am Ziel vorbei. Die Schlussfolgerung aus den Ausführungen von Madame Choisy sind andere. Wenn man das deutsche Schach denn auch in den höheren Spielklassen vielfältiger machen will,… Weiterlesen »
Wenn man sich die Kader der Liga anschaut frag ich mich ob die 1+2 Liga überhaupt Sinn machen.
Der Schachsport macht sich selbst was vor. Einige Funktionäre machen den Sport in Deutschland einfach Kaputter als Kaputt.
Haben die Initiatoren des Antrags eigentlich auch mit den Frauen gesprochen, die davon betroffen wären? Ich meine damit ausdrücklich nicht Profis/Halbprofis, denen womöglich das Dollarzeichen in den Augen leuchtet, sondern Spielerinnen, die bereits jetzt Zweitligavereinen angehören, entsprechend ihrer Spielstärke in klassentieferen Mannschaften spielen und nachrücken würden, wenn entweder ihr Verein nicht gewillt ist, bezahlte Kräfte zu engagieren oder diese nicht zur Verfügung stehen. Wäre eine solche Regelung ernsthaft im Sinne von 2100ern wie Alena Kushka oder Caroline Rieseler, 2000ern wie Katerina Bräutigam, Hanna Greßmann oder Kerstin Kunze, 1900ern wie Karelle Bolon, Martina Skogvall oder Amina Fock (und das wären schon… Weiterlesen »
Ein Punkt gegen die Regel ist noch nicht genannt worden: Heutzutage ist in unserem Land die Eintragung einer Geschlechtsumwandlung für kleines Geld zu haben (und auch nach einem Jahr oder länger wieder rückgängig machbar). Wenn es genügend viele Schachspieler im DWZ-Bereich zwischen 2300 und 2450 gibt, die finanziell in eher prekären Verhältnissen leben, dann sollte es für interessierte Verein möglich sein, so jemanden für z.B. 2.000 Euro pro Spieljahr zu einer Umwandlung zu bewegen.