Sie hat den besten Spieler der Welt gekleidet, eine anhaltende Debatte ausgelöst und ging nun für 36.100 US-Dollar an den meistbietenden Käufer: Magnus Carlsens Jeans, das wohl berühmteste Kleidungsstück der Schachgeschichte, hat einen neuen Besitzer gefunden. Der Erlös geht an Big Brothers Big Sisters of America, eine Organisation, die sich für Mentoring-Programme für Kinder einsetzt.

Arzt, Podcaster, Jeansbesitzer
Der Käufer ist kein Unbekannter: Dr. Peter Attia (Wikipedia) aus Austin/Texas, Arzt, Bestsellerautor und Host des populären Wissenschaftspodcasts The Drive, sicherte sich das Stück Denim-Geschichte. Attia, bekannt für seinen Fokus auf Langlebigkeit und Präventivmedizin, kommentierte die Auktion auf Twitter – inklusive Bezug auf Magnus Carlsens Besuch unlängst Texas beim Podcaster Joe Rogan:
“Happy to have won this auction, given the great cause and the great story behind the jeans. I know you were just in Austin, but if you ever swing by again I would love to host you on my podcast, The Drive, for a deep dive (and a crazy idea I have). Huge fan!”
Von 14.100 auf 36.100 Dollar in 30 Minuten
Die Auktion auf eBay begann mit einem Startgebot von wenigen hundert Dollar. Lange sah es aus, als würde das Höchstgebot bei 14.100 Dollar bleiben – doch dann, in den letzten 30 Minuten, explodierte das Rennen um das umstrittene Beinkleid.
29 Gebote kurz vor Ende der Auktion ließen den Preis auf die Endsumme von 36.100 Dollar schnellen. Attia muss außerdem 74 Dollar Versandkosten drauflegen. Was ursprünglich eine Corneliani-Jeans für ein paar hundert Dollar war, wurde in weniger als einer Stunde zum teuersten Kleidungsstück der Schachgeschichte.

Jeansgate
Der Vorfall, der die Auktion erst möglich machte, ereignete sich am 27. Dezember 2024 bei der Schnellschach-Weltmeisterschaft in New York. Carlsen trug besagte Jeans, als ihn die Turnierleitung aufforderte, sie gegen eine formellere Hose zu tauschen.
Der Dresscode der FIDE untersagt Jeans bei offiziellen Weltmeisterschaften. Carlsen weigerte sich – mit der Konsequenz, dass er nicht mehr antreten durfte. Der Vorfall ging als „Jeansgate“ in die Schachgeschichte ein und löste – einmal mehr – eine Debatte über Kleiderordnungen im Profischach aus.
“Ich habe die Strafe von 200 Dollar akzeptiert, aber das war es mir wert.” So erklärte Carlsen später seine Entscheidung. Die Bilder seines Outfits gingen viral – mehr als 12 Millionen Menschen sahen seinen Social-Media-Post mit der berühmten Jeans.

Jeansgeschichte
Carlsens Hose ist zwar das teuerste Bekleidungsstück der Schachgeschichte, hat es aber bestenfalls auf Platz drei der teuersten versteigerten Jeans geschafft. Abseits einiger durch Edelsteinbesatz künstlich verteuerter Hosen finden sich in der Jeansgeschichte mindestens zwei Levi’s die teurer waren – und deutlich älter, aus dem späten 19. Jahrhundert nämlich:
- Eine Levi’s von 1893 erzielte bei einer Auktion knapp 100.000 Dollar.
- Die berühmte Minen-Jeans aus den 1880er-Jahren wurde für 87.000 Dollar versteigert.
Letztere hat eine erstaunliche Geschichte: Die Jeans lag 130 Jahre lang in einem verlassenen Minenschacht, bis sie Goldsucher entdeckten. Sie war staubig und mit Kerzenwachs übersät – Rückstände der Lichter, die die Arbeiter damals in den engen Gängen nutzten. Trotz ihres Alters galt sie als tragbar.

Die Jeans trug noch ihr originales Levi’s-Label mit einem rassistischen Slogan aus der Zeit der chinesischen Einwanderungsverbote in den USA. Auf einem Etikett auf der Innenseite der Jeans steht: “Von weißen Arbeitern hergestellt”. Levi’s erklärte gegenüber dem Wall Street Journal, dass das Unternehmen den Slogan in Anlehnung an den Chinese Exclusion Act von 1882 einführte, der chinesischen Arbeitern die Einreise in die USA in einer Zeit grassierender Diskriminierung untersagte. Tatsächlich verfolgte Levi’s zu dieser Zeit eine antichinesische Arbeitspolitik.
Ein Sammler aus Kalifornien ersteigerte sie für 87.000 Dollar und kommentierte: „Man könnte sie heute problemlos in einem Starbucks tragen.“ Die Goldgräber-Jeans war unfassbar dreckig, aber konserviert – Carlsens Hose dagegen war zwar ungewaschen, aber wahrscheinlich in deutlich besserem Zustand als die mittlerweile 140 Jahre alte Goldgräberhose.
Stefan Martin, Mode-Ikone
Die skurrile Auktion inspirierte den Deutschen Schachbund, mit einem Mann zu sprechen, der in der Schach-Bundesliga als Mode-Ikone gilt: Stefan Martin, Vorsitzender des Deutschen Meisters SC Viernheim. Der Funktionär ist bekannt für seine extravaganten Hosen, darunter eine mit Schachbrettmuster.

Im Interview verriet Martin, dass er Carlsens Jeansproblem nachvollziehen kann. Auch der Vorsitzende des SC Viernheim wäre schon einmal fast wegen einer zu bunten Hose aus einem Turniersaal geworfen worden – als Teamkapitän beim Mannschafts-Europacup 2023 in Albanien.
“Der Hauptschiedsrichter sagte: ‚Mit dieser Hose kommst du hier nicht rein!‘ Sie war ihm zu bunt, nicht dem Anlass angemessen. Ich habe mit dem Regelwerk argumentiert: Keine Löcher, kein Problem. Schließlich durfte ich rein – aber mit der Auflage, nächstes Mal eine andere Hose zu tragen.”
Martin sieht Mode als Chance, dem Schach einen frischen Anstrich zu geben: “Die Bundesliga ist zu wenig modisch. Wir müssen uns auch als Teil eines Unterhaltungsbetriebs sehen. Ich setze meine Akzente über die Hosen.”
Ob sich Carlsens Jeans-Hype auf die Bundesliga auswirkt? Martin schließt nicht aus, dass sein Verein zur Endrunde der Bundesliga im April in Deggendorf mit einem einheitlichen, auffälligen Beinkleid antritt:
“Das wäre doch eine Idee. Ich lasse meine Partnerin das Internet nach etwas Passendem durchforsten.” Allerdings zweifelt der Viernheimer Teamchef angesichts der variierenden Konfektionsgröße seiner Großmeistertruppe, dass er es wirklich schafft, alle Viernheimer Spieler mit einheitlich modischen Hosen auszustatten.