Damit der Club brummt – Gerhard Prill über Mitgliedergewinnung

Als Vizepräsident des Deutschen Schachbunds 2022/23 hat sich Gerhard Prill bei denen eingereiht, die jahrelang willfährig mitliefen, anstatt dem Wahnsinn an der Verbandsspitze Einhalt zu gebieten. Nun hat Prill beim Spitzenverband unseres Sports eine neue Aufgabe, die sich mit dem deckt, was er schon in seiner badischen Heimat erfolgreich angestoßen und in Teilen etabliert hat. “Schach soll wachsen” heißt es nicht nur bei kommerziellen Playern, auch beim Deutschen Schachbund.

“Wenn du einmal wächst, ist es fast ein Selbstläufer”: Gerhard Prill. | Foto: Matthias Wolf/DSB

Als DSB-Beauftragter für Mitgliedergewinnung erläutert der 75-Jährige in einem ausführlichen Interview, wie sich Schachvereine stärken lassen. Sein eigener Verein in Heitersheim (6.500 Einwohner) hat seine Mitgliederzahl in den vergangenen Jahren von 50 auf 100 verdoppelt – ein Erfolg, den Prill auf ein breites Angebot, Identifikation mit dem Verein und das gezielte Gewinnen von Nachwuchs zurückführt.

Gerhard Prill betont, dass erfolgreiche Mitgliedergewinnung auf Offenheit, gezielte Ansprache und Identifikation mit dem Verein basiert. Wer seinen Verein als geschlossene Gesellschaft (“closed shop”) führt, ohne Kontaktmöglichkeiten oder moderne Strukturen, könne sich nicht über fehlenden Nachwuchs wundern. Vereine, die sich engagiert um Mitglieder kümmern, werden langfristig wachsen.

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Die zentralen von Prill angeführten Punkte:

Erfolgsfaktoren für Mitgliedergewinnung

  1. Vielfältige Angebote an verschiedenen Tagen:
    • Zwei Spielabende: Einer für Vereinsmitglieder, einer als offener Schachtreff für Hobbyspieler.
    • Schach-AGs in Schulen und Vereinsräume für Nachwuchstraining.
    • Gemeinsame Turnierfahrten und Teamaktivitäten zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls.
  2. Identifikation mit dem Verein stärken:
    • Einheitliche Vereinstrikots schaffen Zugehörigkeitsgefühl und wecken Interesse.
    • Jugendliche sollen früh Verantwortung übernehmen, z. B. als Trainer oder bei der Turnierorganisation.
    • Einbindung junger Mitglieder in den Vereinsvorstand und Entscheidungsprozesse.
  3. Gezielte Nachwuchsarbeit über Schulen:
    • Schach-AGs finden nicht an der Schule, sondern direkt im Vereinsraum statt.
    • Schulmeisterschaften in der Aula erhöhen die Strahlkraft von Schach.
    • Eltern werden durch geschickte Platzierung von Vereinsanmeldeformularen in die Nachwuchsarbeit eingebunden.
  4. Integration und Offenheit:
    • Schachangebote für Geflüchtete, auch durch öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen.
    • Öffnung des Vereins durch öffentliche Spielangebote im Freien, um Passanten anzulocken.

Mitgliedergewinnung für Erwachsene

  1. Gezieltes Ansprechen von Wiedereinsteigern und Senioren:
    • Regelmäßige Einsteigerkurse für Erwachsene, um ehemalige Schachspieler und Neulinge zu gewinnen.
    • Zusammenarbeit mit Volkshochschulen zur Ansprache von Senioren.
    • Förderung von Menschen, die nach dem Berufsleben eine neue Beschäftigung suchen.
  2. Online-Schach als Herausforderung:
    • Auf dem Land finden Menschen noch den Weg in Vereine, in Städten bleibt Online-Schach oft anonym.
    • Vereine müssen Wege finden, Online-Spieler aktiv in ihre Strukturen einzubinden.
  3. Bessere digitale Präsenz von Vereinen:
    • Viele Schachclubs haben unzureichende oder veraltete Websites ohne klare Kontaktmöglichkeiten.
    • Eine ansprechende Homepage mit Ansprechpartnern ist essenziell für Neumitglieder.
    • Prill bietet Vereinen eine PowerPoint-Präsentation mit Tipps zur besseren Außendarstellung.

Frauen und Studierende

  1. Schwierige Mitgliedergewinnung bei Frauen:
    • Gescheiterte Versuche, reine Frauen-Spielabende zu etablieren.
    • Mehr weibliche Vorbilder als Trainerinnen und Spielerinnen notwendig.
    • Konkurrenz durch zahlreiche attraktive Freizeitangebote für Mädchen.
  2. Universitäten als ungenutzte Ressource:
    • Uni-Meisterschaften und Hochschulsportprogramme bieten Chancen für Schachvereine.
    • Prill sieht großes Potenzial in der stärkeren Einbindung von Studierenden in den Vereinsschachbetrieb.

Interview mit Gerhard Prill, Teil 1

Interview mit Gerhard Prill, Teil 2

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