Über Donald Trumps Zusage, den Krieg zu beenden, hat sich jetzt der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyy am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos ausführlich geäußert. Zum wiederholten Male forderte Zelenskyy belastbare Sicherheitsgarantieren für die Ukraine, mehr als “ein Stück Papier”. Im Gespräch mit Bloomberg-Chefredakteur John Micklethwait sagt Zelenskyy, dass an einer möglichen Friedenstruppe in der Ukraine amerikanische Soldaten beteiligt sein müssten. – Das Gespräch (gekürzt, redaktionell bearbeitet):
Donald Trump versprach, innerhalb von 24 Stunden einen Friedensvertrag zu erreichen – das hat er offensichtlich verpasst. Sein Gesandter Keith Kellogg glaubt jedoch, dass in 100 Tagen ein Deal möglich ist. Glauben Sie das auch?
Mir ist die Qualität der Vereinbarung wichtiger als der Zeitrahmen. Natürlich ist auch Zeit eine Priorität, denn daran hängen Leben. Wir erleiden täglich Verluste. Aber zuallererst muss der Frieden stark und gerecht sein, so, dass Putin nicht zurückkommen kann. Und das will er. Putin wird nicht ruhen, bis ihn entweder jemand in seine Schranken verweist oder bis er die Ukraine zerstört hat. Er ist besessen von der Idee, uns zu okkupieren. Menschenleben interessieren ihn nicht. Er hat vielleicht 600.000 oder 700.000 Menschen verloren, aber für ihn sind diese Menschen nichts. Sein Ziel, sein Lebensziel sogar, ist es, der Ukraine die Führung zu nehmen und unsere Unabhängigkeit zu zerstören. Ich bin sicher, dass alle Ukrainer mir zustimmen werden, wenn ich mich darauf fokussiere, dass wir eine stabile, sichere und dauerhaft in Frieden existierende Ukraine erreichen.
Trump spricht von einem „Deal“.
Wir hatten ein paar Gespräche, er und sein Team waren in guter Stimmung. Inhaltlich kann ich dazu nicht zu sehr ins Detail gehen. Ich habe mit ihm über Sicherheitsgarantieren für die Ukraine gesprochen und in aller Offenheit über die NATO. Wir müssen zusätzliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine haben, bis wir in einer Sicherheitsallianz sind. Ich sagte Trump, dass die Ukraine den Krieg beenden will, schließlich haben wir ihn nicht begonnen und wollen ihn nicht. Wir sind bereit, den Krieg zu beenden, aber wir müssen in einer starken Position sein. Ich sagte ihm direkt: „Herr Präsident, wenn alle anderen den Krieg beenden wollen, werden Sie sehen, dass Putin ihn nicht beenden will.“ Darum betone ich immer wieder, dass es nur gelingen kann, wenn die Ukraine in einer starken Position ist.
Trump will mit Putin sprechen. Macht Sie das nervös? Oder sind Sie zuversichtlich, dass Präsident Trump Ihre Position vertreten wird?
Für alle, die den Krieg wirklich beenden wollen, ist es wünschenswert, einen Plan zu haben, bevor wir mit Putin kommunizieren. Ich glaube, das liegt im Interesse der Vereinigten Staaten, Europas und im Interesse der Ukraine und unseres Volkes. Die Verbündeten müssen diese Schritte koordinieren und die Details gründlich verstehen. Putin ist kein Verbündeter in diesem Prozess und wird auch nach Kriegsende kein Verbündeter sein. Er wird nur aufhören, wenn er schwach ist.
Sie haben früher gesagt, dass Sie nicht direkt mit Putin sprechen würden. Würden Sie das ändern, wenn es einen Deal gäbe?
Wir werden sehen, ob die Ukraine eine Chance bekommt, den Krieg mit einem gerechten Frieden zu beenden. Ich bin der Präsident der Ukraine und werde alles tun, um das zu beschleunigen. Wenn es eine gerechte Vereinbarung gibt, wenn Präsident Trump und ich daran glauben, wenn er starke und unumkehrbare Sicherheitsgarantien für die Ukraine sicherstellen kann, werden wir den diplomatischen Weg gehen. Ich verstehe, dass ohne Russland ein Kriegsende durch Diplomatie nicht möglich ist.
Ich erinnere mich an ein Video von Ihnen bei früheren Gesprächen mit Putin, als Merkel und Macron dabei waren. Sie wirkten dabei etwas ausgegrenzt. Befürchten Sie, dass Amerika einen Deal hinter Ihrem Rücken aushandeln wird?
Ich glaube nicht, dass die USA das tun werden, aber bin mir nicht sicher, da so etwas früher schon passiert – und ich spreche nicht nur über Amerika, sondern auch über einige europäische Partner. Ich weiß, dass die USA und Europa vor und während der Invasion auf Geheimdienstebene mit Russen kommunizierten. Nach 2014, als ein Teil des ukrainischen Territoriums besetzt wurde, gab es Kommunikation. Ich war damals nicht Präsident, aber ich weiß, dass die Kommunikation so ablief, dass Teile unseres Territoriums ohne Gegenwehr aufgegeben wurden. Wir wollen nicht, dass Absprachen hinter dem Rücken der Ukraine geschehen. Ich werde alles tun, damit alle Kommunikation öffentlich ist.
Elon Musk hat Starlink zur Verfügung gestellt, aber auch gesagt, die Ukraine könne den Krieg nicht gewinnen und solle Territorium aufgeben. Ist er hilfreich?
Was Starlink betrifft, hat er wirklich geholfen. Dafür bin ich ihm und seinem Team dankbar. Diese Systeme halfen zunächst gegen russische Angriffe auf unsere Infrastruktur. Leider nahm dieser Vorteil ab, je mehr die Russen technisch aufholten oder gleichzogen. Was die Territorien betrifft: Es gibt keine Person oder Führung, die die Ukraine zwingen kann, Teile unseres Landes als russisch besetzt anzuerkennen. Das wird niemals passieren.
Sie haben früher gesagt, Friedensgespräche könnten nur beginnen, wenn Russland auf den Stand vom Februar 2022 zurückkehrt. Halten Sie noch daran fest, oder sind Sie bereit, entlang der aktuellen Kontaktlinie zu verhandeln?
Die Frage ist, ob die Ukraine wie früher im Normandie-Format allein sein wird oder ob sie mit Verbündeten verhandelt, während Russland isoliert ist. Verhandlungen können gerecht oder ungerecht sein. Es hängt davon ab, wer an unserer Seite steht. Wenn die Ukraine nicht allein ist, werden wir alles tun, damit die Verhandlungen gerecht sind. Gerecht bedeutet, dass der Gegner mindestens zur Linie vor der Großinvasion zurückkehrt. Aber im Leben läuft es oft anders. Vieles hängt davon ab, wie wir Gerechtigkeit verstehen – das hängt von den USA ab, von der neuen Regierung, von der Europäischen Union, von der Haltung der Verbündeten Amerikas und Europas und des globalen Südens.
Wäre ein Einfrieren des Konflikts an der aktuellen Kontaktlinie ein akzeptabler erster Schritt?
Das ist keine gute Lösung – gelinde gesagt. Es wäre eine schwache Position für die Ukraine und ein Gewinn für Russland. Sie verlieren nichts und gewinnen Zeit, um ihre Kräfte zu erneuern, um damit zurückzukommen. Entscheidend sind die Sicherheitsgarantien, die Putin davon abhalten, den Krieg von Neuem zu beginnen. Deren Details möchten wir klären, bevor Verhandlungen beginnen. Russlands Zusagen wird niemand glauben. Die Budapest-Memorandum, Minsker Abkommen – diese und andere Vereinbarungen hat Putins Regime gebrochen. Wenn Sicherheitsgarantien nur ein Blatt Papier sind, werden wir das nicht akzeptieren. Selbst in der NATO gibt es vor der Anwendung des fünften Artikels Konsultationen. Im Budapest-Memorandum gab es ebenfalls die Möglichkeit von Konsultationen. Nachdem Putin-Russland die Krim besetzt hatte, hat die Ukraine hat mehrfach Konsultationen gefordert – während der Präsidentschaften von Obama, Trump und Biden. Jedes Mal kam niemand.
Russland will verhindern, dass die Ukraine der NATO beitritt. Ist das eine rote Linie für Sie?
Wir verteidigen im Kampf gegen Russland Europa und die NATO-Länder. Aber sehen Sie sich die Beziehungen zwischen NATO-Ländern und der Ukraine an. Seien wir ehrlich – es gab bislang keine 100-prozentige Unterstützung von den USA, Deutschland, Ungarn und der Slowakei für unseren NATO-Beitritt. Stellen Sie sich ein Szenario ohne NATO vor: Wir hätten eine Million Soldaten gegen Russlands 1,5 Millionen. Woher sollen wir die Ressourcen dafür nehmen? Unsere gesamte Wirtschaft müsste für eine Million Soldaten arbeiten. Und wir könnten nicht unsere militärische Kapazität reduzieren, das würde Putin einen erneuten Einmarsch nur erleichtern. Eine Lösung mit der NATO wäre günstiger, weil jemand anderes die Armee mitfinanzieren würde. Innerhalb der NATO könnte unsere Armee auch anderweitig helfen.
Trump hasst es, als Verlierer dazustehen. Glauben Sie, dass es Ihre stärkste Karte ist, dass er einen Deal vermeiden möchte, der wie ein Sieg für Putin aussieht?
Die Frage der Beendigung des Krieges in der Ukraine muss seiner Meinung nach ein Sieg für Trump und nicht für Putin sein. Putin ist für ihn bedeutungslos. Amerika, Europa und China sind viel stärker als Russland. Wir sehen seit drei Jahren, dass Russland nicht einmal fähig ist, die Ukraine zu besetzen. Trump muss als Sieger aus diesem Konflikt hervorgehen. Er ist dazu fähig, aber das bedeutet, Putin die Möglichkeit zu nehmen zurückzukommen. Putin wird Präsident Trump viele Versprechungen machen, aber hinterher definitiv alle brechen.
Sie haben gestern von Friedenstruppen für die Ukraine gesprochen – 200.000. Was war die Reaktion darauf?
Die Zahl habe nicht ich genannt, ein Journalist hatte danach gefragt. Ich sagte, es könnten mehr oder weniger sein, je nach Situation. Wenn wir keine NATO oder Sicherheitsallianz haben, bräuchten wir eine Million Soldaten, um Putins Kräfte zu stoppen. Wenn Europa und Amerika sagen, wir sollen die Truppenstärke reduzieren, bedeutet das, dass wir andere Truppen in der Menge benötigen, um die Reduktion auszugleichen. Dann wären wir bereit. Aber es kann keine rein europäische Initiative ohne die Vereinigten Staaten sein. Wir brauchen entweder die NATO oder etwas sehr Ähnliches sein – mit Europa und Amerika. Ohne die USA geht es nicht. So eine Lösung könnte die EU und die USA spalten, und genau davon träumt Putin. Außerdem haben die Europäer, Stand jetzt, kaum genug Truppen. Unsere Armee hat über 800.000 Soldaten, sehr groß. In Europa käme als Nächstes Frankreich mit vielleicht 200.000, alle anderen haben weniger. Wie soll Europa allein hunderttausende Soldaten als Friedenstruppe aufstellen?
Wie wichtig ist China in diesen Verhandlungen?
Ich hatte einige Telefonate mit Xi Jinping. Ich glaube, er kann Putin zum Frieden drängen. Nur Trump und Xi Jinping können das meiner Meinung nach wirklich. Putins Wirtschaft hängt komplett von China und den Entscheidungen des chinesischen Führers ab.
Russland hat im letzten Jahr etwa 4.000 Quadratkilometer Territorium gewonnen. Was können Sie militärisch tun, um das zu stoppen oder umzukehren?
Wir brauchen Finanzierung für die interne Drohnenproduktion. Wir sind gut darin, aber wollen die Produktion beschleunigen und erhöhen. Wir brauchen Ausrüstung für unsere Brigaden.
Was halten Sie von der Möglichkeit, westliche Waffen tiefer in Russland einzusetzen?
Das ist aktuell so wichtig, wie es das von Anfang an war. Unsere Partner, besonders in Europa, sehen jetzt, warum wir lange Zeit Langstreckenwaffen gefordert haben. Wenn wir Militärlager zerstören, verringern wir die Möglichkeiten des Feindes zu kämpfen. Wir müssen ihre Militärflugplätze zerstören, wo die Jets mit den Lenkbomben starten. Russland hat 6.000 solcher Bomben gegen unsere zivile Infrastruktur eingesetzt. 6.000!
Sie haben Luftverteidigung.
Die können wir nicht gegen Bomben einsetzen. Außerdem verfügen wir pro Monat über Dutzende Raketen. Dutzende! Gegen tausende Bomben. Unsere Luftverteidigung setzen wir vorrangig gegen Raketen und Drohnen aus Russland ein.
Was halten Sie von nordkoreanischen Truppen, die Russland helfen?
Sie zeigen Russlands Schwäche, es mangelt Putin an Militärpersonal. Von 12.000 nordkoreanischen Truppen im Raum Kursk sind 4.000 tot oder verwundet – etwa ein Drittel.
Ihre Verbündeten kritisieren, dass Sie nur Menschen über 25 mobilisieren. Würden Sie im Austausch für mehr Waffen jüngere Menschen mobilisieren?
Das ist unsere Gesetzgebung. Wir haben das Mobilisierungsalter von 27 auf 25 gesenkt. Ich will unsere Jugend schützen. Wenn wir mit Drohnen und Ausrüstung verteidigen können, sollten wir das tun.
Sie führen einen Krieg, aber Sie sind auch der gewählte Präsident einer Demokratie. Als solcher mussten Sie nationale Wahlen aussetzen. Werden dieses Jahr lokale Wahlen stattfinden?
In Übereinstimmung mit unserer Gesetzgebung werden alle notwendigen Wahlen stattfinden, wenn der Krieg endet. Lokale Wahlen müssen im Herbst sein. Genau wie immer, wir müssen alles tun. Endet der Krieg, wird es Wahlen geben und alles andere.