Chess.com plant, einen prominenten Großmeister wegen Betrugs zu sperren. “Wir bereiten die Schließung eines hochkarätigen Accounts vor”, sagte jetzt Erik Allebest, CEO von Chess.com, im Gespräch mit dem Schach-Podcaster Greg Mustreader. “Es ist ein Name, den jeder kennt.”
Anfang August hatte die größte Schachplattform angekündigt, ab sofort Sperren von Titelträgern öffentlich zu machen – inklusive deren Namen. “Diese Art der Öffentlichkeit kann in einigen Fällen als Abschreckung dienen”, erklärte seinerzeit Kassa Korley, Director of Professional Relations bei chess.com. In anderen Fällen sei die Publikation der Namen “einfach das Richtige, das zu tun ist”. Nun wird diese neue Regelung offenbar zum ersten Mal bei einem prominenten Fall greifen.
Allebest geht davon aus, dass Schach 2025 und 2026 nicht nur im Gespräch bleibt. Die neue Popularität des Spiels wie des Sports werde noch wachsen: “Wir erwarten einen weiteren Boom durch Filme, Serien und Bücher.” Angekündigt ist schon, dass die Geschichte um Magnus Carlsen und Hans Niemann zu einer Episode der Sport-Dokumentarserie “Untold” auf Netflix werden soll. Angekündigt ist auch ein Carlsen-Niemann-Film der Produktionsgesellschaft A24 mit Hollywood-Star Emma Stone als Produzentin. Das Werk soll “Checkmate” heißen.
“Checkmate” basiert auf einem zwölfseitigen Buchentwurf des Bestseller-Autors Ben Mezrich, dessen Bücher wie “The Social Network” und “Dumb Money” zu Filmen wurden. Auch Mezrichs Werk über die Übernahme Twitters durch Elon Musk, “Breaking Twitter”, wird derzeit verfilmt. Dem Vernehmen nach soll daraus eine mehrteilige Doku werden.
“Netflix hat mich und Danny Rensch drei Tage lang interviewt, um unsere Geheimnisse zu erfahren”, berichtet Allebest von den Untold-Dreharbeiten. Nun “bin ich ziemlich nervös, was sie daraus machen”. Die ausstehende Erklärung von Magnus Carlsen, welcher Teufel ihn in Sachen Niemann geritten hat, soll Teil dieser Doku sein. Carlsen hat längst angekündigt, dass er seinen Part zu dieser Geschichte ausschließlich in der Netflix-Doku erzählt.
Chess.com steht laut Allebest kurz vor der Marke von 200 Millionen registrierten Nutzern. “Pro Tag haben wir fünf bis zehn Millionen aktive Spieler, im Monat zwischen 30 und 50 Millionen”, sagt Allebest. Der Erfolg der Plattform basiere auf kontinuierlicher Weiterentwicklung.
Neben verbesserten Serverstrukturen und regionalen Spielservern kündigt die Plattform eine eigene Kursplattform an, ein internes Gegengewicht zu Chessable, das auch mit Chessable-Inhalten arbeiten wird. “Wir wollen, dass Lernen und Spielen auf einer Plattform ineinandergreifen”, erklärt der CEO. Derweil hat Chessable mit einer neuen Preispolitik einen Teil seiner Kundschaft gegen sich aufgebracht.
Einen Schwerpunkt legt Chess.com auf die Entwicklung von KI-Schachlehrern. Diese sollen Spielern helfen, ihre Fähigkeiten zu verbessern, ohne von der Komplexität des Spiels überwältigt zu werden. Allebests Vision: “Die KI wird wie ein persönlicher Coach funktionieren, der Partien analysiert, Fehler erklärt und individuell zugeschnittene Trainingsvorschläge macht.” Unterschiedliche Persönlichkeiten für die virtuellen Trainer seien geplant: Magnus Carlsen als Coach sei auswählbar oder ein “grimmiger Trainer, der dich neckt”. Die Einführung der ersten Version dieser KI-Coaches ist bereits für Anfang 2025 geplant.
Betrug bleibt das drängendste Problem im Online-Schach. Chess.com hat laut Allebest erhebliche Ressourcen in dieses Feld investiert, inklusive eines “geheimen Cheater-Programms”, um Schwachstellen im eigenen System zu testen. “Viele glauben, sie könnten schlau betrügen, aber sie unterschätzen, wie viel wir wissen”, sagt Allebest. Besonders in hochdotierten Events kommen verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, Kameras und Aufseher, zum Einsatz. Die meisten vermeintlich “schlauen Betrüger” gebärden sich nach Allebests Einschätzung nicht besonders schlau.
Statistiken zeigen laut Allebest, dass ein bis zwei Prozent der Spieler in Titelturnieren betrügen. “Cheating ist weniger verbreitet, als viele glauben”, betont Allebest. Aber die Wahrnehmung des Phänomens sei oft von Paranoia geprägt. “Wir arbeiten daran, das Spielerlebnis sicherer und angenehmer zu machen, ohne in extreme Überwachungsmaßnahmen abzurutschen.”
Der ehemalige Weltmeister Vladimir Kramnik beschuldigt chess.com unverändert, die Betrugsbekämpfung zu vernachlässigen. Allebest weist dies entschieden zurück. “Unsere Fair-Play-Teams wachsen weiter.” Kramniks Aussagen basieren laut Allebest nicht auf Fakten: “Wir leben in einer Welt, in der jemand selbstbewusst etwas sagen kann, das nicht auf der Realität beruht, was auch immer. Und dann werden viele Leute das glauben, besonders wenn es von einem ehemaliger Weltmeister kommt.”