„Wissenschaft ist ein Prozess, der Fehler macht – aber sie korrigiert sich selbst.“ Mit diesem Satz beschreibt Christian Drosten die Essenz seiner Arbeit als Virologe und zugleich eine der wichtigsten Lehren aus der Covid-19-Pandemie. In einem ausführlichen Interview mit dem Journalisten Tilo Jung (“Jung&Naiv”) teilt er seine Einsichten über die vergangenen Jahre, spricht über Fehler, die er gemacht hat, und skizziert, was Wissenschaft, Politik und Gesellschaft aus der Pandemie lernen können.
Als Direktor der Virologie an der Berliner Charité war Drosten eine der prägendsten Stimmen in Deutschland. Seine Reflexionen werfen ein Licht auf die Herausforderungen, denen sich ein Wissenschaftler in einer globalen Gesundheitskrise stellen muss. Eine Zusammenfassung:
Wissenschaft als Handwerk
Drosten beschreibt die Virologie als ein Handwerk, das akribische Arbeit und autodidaktische Neugier erfordert. „Ich komme vom Bauernhof, da bringt man sich Dinge selbst bei,“ erklärt er. Diese Haltung prägte auch seine wissenschaftliche Arbeit während der Pandemie, in der er sich tief in komplexe Fragestellungen einarbeitete. Für ihn ist Wissenschaft kein spekulatives Feld, sondern ein „ernsthaftes Handwerk.“
Während der Pandemie sah er es als Verpflichtung, das gesammelte Wissen verständlich und zugänglich zu machen. Der NDR-Podcast wurde für ihn ein zentrales Werkzeug, um breite Teile der Bevölkerung, aber auch politische Entscheidungsträger zu erreichen. „Ich wollte die Informationen, die wir hatten, für die Allgemeinheit zurückgeben.“
Fehler und Selbstkritik
Drosten spricht offen über Fehler, die er während der Pandemie gemacht hat. Fehler seien Teil des wissenschaftlichen Prozesses. Ein Beispiel ist seine anfängliche Fehleinschätzung zur Übertragbarkeit der Alpha-Variante. „Ich habe die Infektiosität der neuen Varianten zunächst unterschätzt,“ gibt er zu. Besonders bei der Alpha-Variante sei er davon ausgegangen, dass die Maßnahmen, die gegen die ursprüngliche Wuhan-Variante wirksam waren, auch hier ausreichen würden. „Das war ein Fehler, und ich hätte früher die Alarmglocken läuten sollen.“
Ein weiterer Punkt, den Drosten rückblickend kritisch betrachtet, war die Kommunikation zur Bedeutung von Masken. „Am Anfang waren wir unsicher, ob Masken in der breiten Bevölkerung wirklich einen Nutzen haben,“ sagt er. Er erklärt, dass diese Unsicherheit vor allem durch fehlende Daten und den Wunsch, medizinisches Personal nicht zu gefährden, verursacht wurde. „Es war ein Fehler, diese Unsicherheit nicht klarer zu kommunizieren.“
Auch die Rolle der Schulschließungen während der Pandemie sieht er im Nachhinein differenzierter. Während er anfangs dafür plädierte, Schulen frühzeitig zu schließen, betont er, dass spätere Daten zeigten, dass Kinder eine geringere Rolle bei der Virusübertragung spielten, als ursprünglich angenommen. „Wir haben in manchen Bereichen vielleicht zu rigoros gehandelt, aber das war immer auf Basis der besten Daten, die wir damals hatten,“ erklärt er. Für Drosten bleibt klar: „Wissenschaft ist ein Prozess, der sich mit neuen Daten weiterentwickelt.“
Lehren aus der Pandemie?
Drosten sieht deutliche Fortschritte in der internationalen Zusammenarbeit während der Pandemie, insbesondere durch Institutionen wie die WHO und Initiativen wie den Pandemic Fund der Weltbank. Diese Strukturen fördern den Wissensaustausch und die Unterstützung von Ländern mit begrenzten Ressourcen.
Er kritisiert jedoch, dass Deutschland und andere Gesellschaften in der öffentlichen Diskussion nicht genug reflektieren. „Wir sind gar nicht an dem Punkt, wirklich Lehren zu ziehen,“ sagt er. Vielmehr sei die Debatte oft von Halbwahrheiten geprägt. Er warnt vor einer zunehmenden Politisierung der Wissenschaft und fordert eine gründlichere und neutralere Betrachtung der Pandemie-Maßnahmen.
Covid-19: der Ursprung
Die Theorie, dass das Virus in einem Labor in Wuhan entstanden sein könnte, schließt Drosten nicht aus, hält sie aber für unwahrscheinlich. Die genetischen Eigenschaften des Virus sprechen aus seiner Sicht für eine natürliche Übertragung von Tieren auf Menschen. „Die Evolution eines Virus hinterlässt Spuren, und bei SARS-CoV-2 deutet vieles darauf hin, dass es aus der Natur stammt,“ betont er.
Drosten erläutert die Schwierigkeiten bei der genauen Rekonstruktion des Ursprungs: „Wir werden vielleicht nie wissen, wie genau das Virus entstanden ist.“ Dennoch plädiert er dafür, dass die Wissenschaft weiterhin alle Möglichkeiten untersucht, um bessere Sicherheitsvorkehrungen für die Zukunft zu schaffen.
Was wir bei der nächsten Pandemie besser machen können
Für zukünftige Pandemien fordert Drosten klare Kommunikationsstrukturen und eine stärkere Einbindung der Wissenschaft in politische Entscheidungsprozesse. Er sieht Verbesserungsbedarf in der Art und Weise, wie Informationen in der Gesellschaft vermittelt werden: „Es geht darum, Fakten zu erkennen, Widersprüche zu benennen und Kommunikationsmuster zu verstehen.“
Außerdem betont er die Notwendigkeit, Pandemien global zu betrachten. Der Aufbau von Forschungskapazitäten in den Ländern des globalen Südens ist für ihn essenziell, da viele zukünftige Pandemien dort ihren Ursprung haben könnten. „Wenn wir nur auf uns selbst schauen, verpassen wir den Moment, an dem eine neue Pandemie beginnt.”
Die Rolle der Wissenschaft in der Politik
Drosten spricht kritisch über die Erwartungen, die an Wissenschaftler während der Pandemie gestellt wurden. Wissenschaftliche Erkenntnisse seien nicht immer populär oder gefällig, was im Widerspruch zu politischen Prozessen stehen könne, die auf Mehrheiten und Akzeptanz angewiesen sind. „Es ist gefährlich, wenn Wissenschaftler anfangen, wie Politiker zu agieren,“ warnt er.
Er fordert eine klare Abgrenzung zwischen wissenschaftlichen und politischen Verantwortlichkeiten. Wissenschaftler sollten sich auf ihre Expertise konzentrieren und die Ergebnisse neutral kommunizieren, ohne politische Interessen zu verfolgen. „Die Politik muss die Entscheidungen treffen, nicht die Wissenschaft.“
Kritik und Herausforderungen
Drosten berichtet von Angriffen auf seine Person, in sozialen Medien wie durch direkte Zuschriften. Er beschreibt die Belastung, die mit seiner öffentlichen Rolle einherging, und betont, dass Wissenschaftler nicht zu „Projektionsfiguren“ für gesellschaftlichen Unmut werden dürfen. „Wissenschaft ist nicht dafür da, beliebt zu sein.“
Er reflektiert auch über die zunehmende Emotionalisierung der Debatte und die Polarisierung der Gesellschaft. „Wir haben es verpasst, eine gemeinsame Sprache zu finden,“ sagt er. Besonders die Verbreitung von Desinformation sieht er als ein ernsthaftes Problem, das die wissenschaftliche Arbeit erschwert.
Komplexität akzeptieren: Vernunft, bitte
Das Gespräch mit Christian Drosten verdeutlicht die Komplexität der Pandemie und die Herausforderungen, denen sich Wissenschaft, Politik und Gesellschaft gleichermaßen stellen müssen. Drosten sieht die Wissenschaft als Quelle der Orientierung, betont jedoch, dass sie auf eine neutrale und faktenbasierte Vermittlung angewiesen ist. Fehler seien unvermeidlich. Sie müssten als Teil des Lernprozesses akzeptiert werden.
Sein Aufruf für die Zukunft: „Wir müssen Kommunikationsmuster erkennen, Vernunft walten lassen und Wissenschaft in ihrer vollen Komplexität akzeptieren – für die nächste Pandemie und darüber hinaus.“ Diese nächste Pandemie hofft Drosten erst als Rentner zu erleben oder, besser, “gar nicht”.
Man sollte sich wirklich die Zeit nehmen, und sich diesen Podcast/dieses Video zu gönnen. Selten so einen honoren Interviewgast gehört wie Christian Drosten. Wenn doch nur die Politik mehr auf solche Leute hören würde…
Ist das ein KI-generierte Video-Zusammenfassung?