Volodymyr Zelenskyy

Volodymyr Zelenskyy, Präsident der Ukraine, hat jetzt in einem mehr als zweistündigen Gespräch mit dem Podcaster Lex Fridman seine Sicht auf die Lage der Ukraine dargelegt – hinsichtlich des Kriegsverlaufs, der geopolitischen Herausforderungen und nicht zuletzt einem möglichen Ende des Kriegs. Im Austausch über die historische Entwicklung der gegenwärtigen Krise beleuchtet Zelenskyy auch die Rolle Deutschlands und Angela Merkels.

Volodymyr Zelenskyy im Gespräch mit Lex Fridman.

Lex Fridman (Wikipedia) bringt seine osteuropäische Perspektive in das Gespräch ein. Fridmans Familie stammt aus Kyjiw und Charkiw. Er wurde in Tadschikistan geboren, bevor seine Familie nach Russland und schließlich in die USA zog. Fridmans Verbindung zur Region prägt Fridmans Ansatz, das Gespräch mit emotionaler Sensibilität wie intellektueller Neugier zu führen.

Im Verlauf des Gesprächs geraten beide mehrfach in eine Sackgasse. Fridman will den Austausch nicht beenden, ohne mit seinem Gast einen Weg zum Ende des Kriegs skizziert zu haben. Der wiederum sieht weder Verhandlungsbereitschaft auf Seiten Vladimir Putins, noch akzeptiert er ihn als Gesprächspartner, mit dem sich belastbare Vereinbarungen treffen lassen. Zelenskyy nennt eine Reihe von Beispielen früherer Verabredungen, die Putin gebrochen hat. Und hört dennoch Fragen wie “Können die Ukrainer den Russen nicht einfach vergeben?”.

Werbung

Besondere Herausforderungen ergaben sich durch die sprachliche Vielschichtigkeit des Gesprächs: Zelenskyy und Fridman sprechen fließend Russisch, doch ein rein russischsprachiges Interview war keine Option. Der ukrainische Präsident betont, dass die ukrainische Sprache während des Krieges zu einem Symbol für die Unabhängigkeit und Freiheit seines Landes geworden sei. Zelenskyy spricht vorwiegend Ukrainisch, erläutert aber einige Punkte auf Russisch, um sicherzustellen, dass seine Botschaft im Detail und allen Nuancen verstanden wird. Fridman fragt zumeist auf Englisch.

Um das in drei Sprachen geführte Gespräch einem globalen Publikum zugänglich zu machen, setzt Fridman auf eine technische Lösung: Mithilfe von KI und menschlicher Übersetzer wurde das Interview in verschiedenen Sprachversionen veröffentlicht. Zuhörer können zwischen englischen, ukrainischen und russischen Tonspuren wählen oder die Originalversion mit Untertiteln hören, die alle drei Sprachen kombiniert.

Die offenbar am Wochenende begonnene neue ukrainische Offensive in der russischen Oblast Kursk war nicht Gegenstand des Gesprächs.


Putin und Trump

Zelenskyy gibt eine klare und eindringliche Einschätzung zu Vladimir Putin ab. Für ihn ist der russische Präsident ein von Macht und Ideologie getriebener Akteur, der weder Mitgefühl noch moralische Prinzipien kennt. Er vergleicht Putins Ideologie der „russischen Welt“ mit der von Adolf Hitler, da beide darauf abzielen, eine revisionistische Ordnung zu schaffen, in der Freiheit und Souveränität der Nachbarstaaten unterdrückt werden. “Putin versteht nur die Sprache der Stärke”, sagt Zelenskyy und betont, dass jegliche Versuche, ihn durch Diplomatie oder Zugeständnisse zu besänftigen, gescheitert sind.

Donald Trump hingegen sieht Zelenskyy ambivalent. Einerseits hält er ihn potenziell für einen Akteur, der Putin durch Entschlossenheit und Druck Einhalt gebieten könnte. “Trump hat die Fähigkeit, auf Putins Schwächen einzugehen und ihn in eine Ecke zu drängen,” sagt Zelenskyy. Andererseits warnt er vor simplen Lösungen, die keinen dauerhaften Frieden bringen. Ein Waffenstillstand ohne klare Sicherheitsgarantien würde Russland lediglich Zeit verschaffen, um sich auf eine erneute Offensive vorzubereiten. “Frieden durch Stärke,” betont Zelenskyy, “muss das Leitmotiv sein – nicht naiver Optimismus oder verfrühte Zugeständnisse.”


Ein Weg zum Frieden

Zelenskyy beschreibt Frieden als ein Ziel, das nur durch klare Sicherheitsgarantien für die Ukraine erreicht werden kann. Für ihn sind drei zentrale Elemente essenziell:

  1. Militärische Stärke der Ukraine: Zelenskyy betont, dass die Ukraine ohne ausreichende militärische Kapazitäten keinen dauerhaften Frieden erreichen kann. Die Unterstützung des Westens – Waffenlieferungen sowie technologische und logistische Hilfe – sei entscheidend, um Russland von weiteren Aggressionen abzuhalten.
  2. Internationale Sicherheitsgarantien: Zelenskyy fordert eine neue Sicherheitsarchitektur, die über bestehende Bündnisse wie die NATO hinausgeht. Ein NATO-Beitritt sei zwar wichtig, aber nicht ausreichend, um die langfristige Sicherheit der Ukraine zu gewährleisten. Er schlägt vor, dass auch neutrale Staaten wie die Schweiz oder Österreich an Sicherheitsabkommen beteiligt werden könnten, um eine breite Basis für Stabilität zu schaffen.
  3. Gerechtigkeit für Kriegsverbrechen: Für Zelenskyy ist Gerechtigkeit ein unabdingbarer Bestandteil des Friedensprozesses. Russland müsse für seine Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden, sowohl durch internationale Gerichte als auch durch Wiedergutmachungsleistungen. “Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen echten Frieden.”

Zelenskyy bleibt skeptisch, dass Russland aus eigener Initiative Frieden anstreben wird. “Putin sieht Frieden nicht als Ziel, sondern als Schwäche,” sagt er. Daher könne der Krieg nur durch einen starken und vereinten Westen beendet werden, der Russland militärisch und wirtschaftlich so stark unter Druck setzt, dass es keine andere Wahl hat.

Angela Merkel und Deutschland

Volodymyr Zelenskyy reflektiert die Rolle Deutschlands und insbesondere Angela Merkels im Kontext des NATO-Gipfels 2008 in Bukarest. Damals blockierte Merkel mit Unterstützung anderer europäischer Staaten den von den USA unter George W. Bush befürworteten NATO-Beitritt der Ukraine. Merkel argumentierte laut Zelenskyy, dass ein solcher Schritt Russland provozieren könnte und nicht im Interesse Europas liege.

Zelenskyy kritisiert diesen Ansatz vehement. Er habe Putin ermutigt, seine geopolitischen Ambitionen ungehemmt zu verfolgen. “2008 war ein Wendepunkt”, sagt Zelenskyy. “Russland sah die Schwäche des Westens und nutzte sie aus.” Diese Zurückhaltung habe letztlich zu den Ereignissen von 2014, als Russland die Krim annektierte, und zur groß angelegten Invasion 2022 geführt.

Beim Normandie-Format 2019 kamen Angela Merkel und Emmanuel Macron mit Zelenskyy und Putin zusammenkamen, um einen Waffenstillstand und humanitäre Fortschritte zu erreichen. Zelenskyy hebt hervor, dass Merkel sich stark für die Fortsetzung des Gastransits aus Russland einsetzte – ein Anliegen, das Deutschland wirtschaftlich absichern sollte. Gleichzeitig habe Putin die humanitären Vereinbarungen, wie den Austausch von Gefangenen, missachtet und die verabredete Waffenruhe nach kurzer Zeit gebrochen.


Die Eskalation nach Waffenstillstandsvereinbarungen

Zelenskyy schildert eindringlich, wie Russland nach dem Waffenstillstand im Donbas 2019 seine militärischen Taktiken eskalierte. Russische Scharfschützen nutzten die ostukrainischen Gebiete, insbesondere jene mit überwiegend russischsprachiger Bevölkerung, als Trainingsgelände. Sie schossen gezielt auf Zivilisten, darunter Frauen und Kinder. “Es war eine regelrechte Jagd auf Menschen”, beschreibt Zelenskyy.

Er habe mehrmals direkt mit Putin telefoniert, um ihn zur Beendigung der Angriffe zu drängen, doch Putin habe nur ausweichend geantwortet. Nach einigen Wochen stellte Russland die Kommunikation komplett ein. Zelenskyy sieht darin einen klaren Beweis, dass Russland nie ernsthaft an einer Friedenslösung interessiert war. “Putin hat uns angelogen, unsere Leute getötet und jede Chance auf Frieden sabotiert.” Die Weltgemeinschaft, so Zelenskyy, habe diese Gräueltaten größtenteils ignoriert, wodurch Russland weiter ungehindert handeln konnte.


Andere Akteure

  • Iran liefert Drohnen, die von russischen Streitkräften eingesetzt werden, um gezielte Angriffe gegen ukrainische Zivilisten durchzuführen. Zelenskyy kritisiert diese Unterstützung scharf. Er fordert strengere Sanktionen gegen den Iran sowie andere Staaten, die Russland in seinem Krieg unterstützen.
  • Israel wird von Zelenskyy als Beispiel für ein Land genannt, das trotz ständiger Bedrohungen effektive Sicherheitsgarantien etabliert hat. Besonders hebt er die hochmodernen Luftverteidigungssysteme Israels hervor, die während Raketenangriffen erfolgreich eingesetzt werden. “Israel zeigt, dass es möglich ist, auch außerhalb der NATO starke Verteidigungsmechanismen zu haben, die die Sicherheit des Landes gewährleisten,” betont Zelenskyy. Dieses Modell sieht er als Vorbild für die Ukraine.
  • Syrien sieht Zelenskyy als weiteres abschreckendes Beispiel für die Gräueltaten Russlands. Er beschreibt, wie russische Scharfschützen, die in der Ukraine trainiert wurden, später in Syrien und Afrika eingesetzt wurden, um dort systematische Gewalt gegen Zivilisten auszuüben. “Die Methoden, die in Syrien angewendet werden, sind eine direkte Fortsetzung der Taktiken, die wir in der Ukraine sehen,” erklärt Zelenskyy. Diese parallelen Gräueltaten verdeutlichen für ihn die globale Gefahr, die von autoritären Regimen wie Russland ausgeht.
  • China bleibt für Zelenskyy ein ambivalenter Akteur. Einerseits erkennt er das wirtschaftliche Potenzial einer Partnerschaft mit China an, mahnt jedoch zugleich zur Vorsicht. “China spielt eine komplexe Rolle. Während sie wirtschaftlich bedeutend sind, dürfen wir nicht übersehen, dass ihr Schweigen im Ukraine-Krieg eine stille Unterstützung Russlands darstellt.”
  • Nordkorea wird von Zelenskyy besonders scharf verurteilt. Er schildert, wie das nordkoreanische Regime Söldner und Artilleriemunition an Russland liefert, um die Invasion in der Ukraine zu unterstützen. Besonders erschreckend sei, dass nordkoreanische Kämpfer sich selbst verstümmeln, um ihre Identität zu verschleiern und so schwer nachweisbar zu machen. “Diese Grausamkeiten zeigen die völlige Missachtung menschlichen Lebens durch autoritäre Regime, die bereit sind, alles zu tun, um ihre Agenden durchzusetzen,” sagt Zelenskyy.
1 1 vote
Article Rating
Werbung

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

0 Comments
Most Voted
Newest Oldest
Inline Feedbacks
View all comments