Franz Jittenmeier ist tot. Der langjährige Betreiber des Schach-Tickers starb am 27. Dezember im Alter von 84 Jahren. Das bestätigte Jittenmeiers Sohn Holger auf Facebook. Zuletzt hatten ihn gesundheitliche Gebrechen belastet. Trotzdem blieb er mit seinem Ticker und zahlreichen täglichen Facebook-Beiträgen stets präsent in der deutschsprachigen Schachszene.
Wer im Internet nach berichtenswerten Neuigkeiten vom Schach suchte, fühlte sich zwangsläufig häufig wie der Hase, der feststellte, dass der Igel in Person von Franz Jittenmeier längst dagewesen war. Teilweise habe Jittenmeier schon Beiträge verlinkt, bevor diese fertig gestaltet gewesen seien, berichtet der Deutsche Schachbund in seinem Nachruf.
Jittenmeiers schachliche Laufbahn begann 1975 beim SV Constantin Herne. Auf regionaler Ebene feierte er einige Erfolge, darunter die Stadtmeisterschaft von Herne (1979), die Bezirksmeisterschaft Herne/Castrop-Rauxel (1981) oder den Gewinn des Dähne-Pokals Herne/Castrop im Jahr 2001. Über viele Jahre spielte er in der Verbandsliga mit einer DWZ von bis zu 1936, seinem Höchstwert.
Auch als Mäzen trat der einstige Geschäftsführer eines Planungsbüros auf. Die erste Mannschaft des SK Herne-Sodingen schaffte es dank seiner Unterstützung aus der Verbandsliga bis in die zweite Bundesliga. Das hochklassige Abenteuer in der Saison 1996/97 währte nur ein Jahr.
Sein schachliches Lebenswerk schuf Jittenmeier mit dem „Schachticker“. Fasziniert vom Internet, sicherte er sich 1999 die Domain chess-international.com. Im Dezember 2000 ging die Seite online. Was als persönliches Hobby begann, entwickelte sich rasch zu einer wichtigen Informationsquelle im deutschsprachigen Raum. Im bis heute analog geprägten organisierten Schach war Jittenmeier ein Internet-Pionier. Und das in einem Alter, in dem andere in den Ruhestand gehen.
Anfangs unterstützt von Norbert Lukas, der ihm die Grundlagen der Webmasterei beibrachte, widmete sich Jittenmeier mit Leidenschaft und großem Einsatz seinem „Baby“, oft mehr als 40 Stunden pro Woche, wie er verschiedentlich gesagt hat. „Es gibt keinen geregelten Feierabend. Die aktuelle Nachricht hat immer Vorrang“, erklärte er Mitte 2020 in einem Gespräch mit seinem Facebook-Spezi Gerald Hertneck.
2015 erhielt Jittenmeier gemeinsam mit Raymund Stolze den Deutschen Schachpreis für seine Verdienste in der schachlichen Öffentlichkeitsarbeit. Die Zusammenarbeit mit Stolze von 2012 bis 2016 trug maßgeblich zum Erfolg des „Schachtickers“ bei. Den Preis nahm Jittenmeier im Evangelischen Kinderheim Herne entgegen, das er seit Jahren ehrenamtlich unterstützte.
Auch zum raschen Wachstum dieser Seite nach ihrer Entstehung Anfang 2018 hat Jittenmeier erheblich beigetragen. Beiträge, die hier erschienen, verlinkte er sogleich. Anfangs fand etwa ein Viertel der täglichen Besucher dank des Schach-Tickers zu den Perlen, sodass am Bodensee viel eher als erwartet die Zahl von 100.000 Seitenaufrufen im Monat geknackt war. Eine solche Marke war allerdings weit entfernt von den 850.000, die Jittenmeier schon im Dezember 2012 zählte.
In den dunklen DSB-Jahren 2018 bis 2023 erwies sich Jittenmeiers Ticker als einer der wenigen Leuchttürme in der Schachlandschaft. Während jahrelang die ChessBase-Website, alle Schachzeitschriften, ein Dutzend DSB-Vizepräsident:innen und der DSB-Kongress sich durch Anbiederei oder Indifferenz mitschuldig machten, wies Jittenmeier wiederholt darauf hin, dass an der Spitze des Schachbunds Dinge aus dem Ruder laufen. Die Beharrungskraft des verkrusteten Establishments im organisierten Schach vermochte jedoch nicht einmal der Schach-Lautsprecher und -Preisträger aus Herne zu brechen.
Sein selbstloses Engagement für die Schachgemeinschaft, fernab monetärer Interessen, machte Jittenmeier zu einem geschätzten Mitglied der Schachfamilie. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und seiner gesundheitlichen Problemen arbeitete er weiter. „Arbeit die man gerne macht, hält jung“, sagte Franz Jittenmeier – und wünschte sich mit Blick auf seine nachlassende Kraft doch, dass jemand seinen Ticker übernimmt und weiterführt. Jittenmeier suchte einen Nachfolger.
In vergangenen Jahr haben schon schach.com und das Blog schach-welt.de den Betrieb eingestellt. Folgt nun der Schach-Ticker? Schon im September 2023 hatten sich Sven Noppes‘ Chess Tigers in Sachen Übernahme selbst ins Gespräch gebracht. Daraus scheint nichts geworden zu sein.
Er wisse nicht, ob und wie es weitergehe, sagt Walter Rädler auf Anfrage dieser Seite. Rädler war in den vergangenen Monaten aktiver denn je auf Jittenmeiers Seite. Gerald Hertneck bestätigt auf Anfrage, die Zukunft sei offen, betont aber: “Wir müssen den Schachticker auf jeden Fall retten.”
Franz Jittenmeiers letzter Facebook-Eintrag, verfasst am frühen Morgen seines Todestags und natürlich garniert mit einem Bild, gemalt von der KI, mit deren Möglichkeiten er sich bis zuletzt intensiv auseinandersetzte:
Zunächst: Ruhe in Frieden Franz! Gesundheitlich angeschlagen war er schon einige Zeit (nach meinem Whatsapp-Archiv jedenfalls seit 2021) und nahm es mit Gelassenheit und Humor. Vielleicht ja besser wenn er nun womöglich “plötzlich aber nicht unerwartet” abtreten konnte statt nach langem Leiden. Einige Insider-Bemerkungen zum Rest: “Nachfolger zu Lebzeiten” war wohl unrealistisch, es war ja sein Projekt und Konzept. Die Zusammenarbeit mit Raymund Stolze war dann nur vorübergehend. Es lag wohl an beiden (und ich kenne beide Versionen), Franz selbst nannte sie anlässlich der Preisverleihung “anstrengend” – das war kurz nach der Trennung. “Potenzial für weitere Käufe besteht allemal –… Weiterlesen »