Schacholympiade (8): Zwei Punkte bis zu den Medaillenrängen

Mit dem dritten Sieg in Folge – 3,5:0,5 über Kroatien – und der bislang besten Leistung im Turnier haben die deutschen Männer bei der Schacholympiade den Anschluss an die Tabellenspitze hergestellt. Die Frauen können mit ihrem 2:2 gegen die Niederlande nicht zufrieden sein. Drei Runden vor Schluss stehen beide Teams als Teil eines breiten Verfolgerfelds zwei Punkte hinter den Medaillenrängen.

Die Männer treffen in der neunten Runde auf Armenien, an 14 gesetzt, traditionell stark in Mannschaftswettbewerben. Die Frauen spielen gegen das an 15 gesetzte England, dessen Nationalmannschaft seit 2010 ohne Ingrid Lauterbach auskommen muss. Stattdessen haben die Engländerinnen jetzt erstmals Bodhana Sivanandan (9) ins Team eingebaut, eines der Wunderkinder der ganz jungen Generation.

Spitzenstand nach 8 Runden – Open

Rk.FlagTeamGames+=TB1TB2
1🇮🇳India880016262
2🇺🇿Uzbekistan870114204.5
3🇭🇺Hungary870114192
4🇨🇳China861113206.5
5🇺🇸United States of America861113201.5
6🇮🇷Iran861113187
7🇻🇳Vietnam852112197
8🇩🇪Germany860212196
9🇪🇸Spain860212194.5
10🇺🇦Ukraine860212193.5
11🇳🇴Norway852112190.5
12🇬🇪Georgia844012188
13🇸🇮Slovenia860212186.5
14🇦🇲Armenia860212186.5
15🇷🇸Serbia860212179.5

Spitzenstand nach 8 Runden – Frauen

Rk.FlagTeamGames+=TB1TB2
1🇮🇳India870114237.5
2🇵🇱Poland862014233
3🇰🇿Kazakhstan870114205.5
4🇺🇸United States of America861113226.5
5🇦🇲Armenia861113219.5
6🇺🇦Ukraine853013192.5
7🇨🇳China860212239
8🇨🇭Switzerland860212198.5
9🇻🇳Vietnam860212197
10🇪🇸Spain860212190
11🇩🇪Germany844012183
12🇬🇧England860212181.5
13🇧🇬Bulgaria852112180
14🇫🇷France860212178
15🇹🇷Turkiye852112177.5

Großmeisterin Peng Zhaoqin kann froh sein, dass nicht Georgios Souleidis ihr Teamkapitän ist. Erzürnt reagierte der große Grieche auf schachdeutschland.tv, als die Niederlängerin gegen Dinara Wagner eine Partie remis gab, die sie bei leichtem, stabilen Vorteil bequem hätte weiterspielen können, ja, müssen. Zu diesem Zeitpunkt sah es aus, als würden die Niederländerinnen ohne einen vollen Punkt am ersten Brett das Match gegen Duitsland nicht retten können.

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Dank Josefine Heinemann wissen wir jetzt unter anderem, dass der DSB seinen Nationalspieler:innen für die Schacholympiade eine Cloud-Engine von Chessify gemietet hat.

Dafür hatte Elisabeth Pähtz gesorgt. Da auf Seiten Hollands Eline Roebers aussetzte, traf Pähtz am zweiten Brett im Duell der Topscorerinnen auf Machteld van Foreest. Beide hatten bis dahin mit 6 Punkten aus 7 Partien erheblich dazu beigetragen, dass ihre Teams sich den fünften Platz in der Tabelle teilten. Als sie einander nun gegenübersaßen, zeigte sich einmal mehr, dass die Neusortierung der deutschen Nummer 1a und 1b funktioniert. Während Wagner an eins nicht zu bezwingen ist, richtet Pähtz am zweiten Brett gegen etwas schwächere Spielerinnen ein Massaker an.

Allzu blutig war die Partie gegen van Foreest nicht, dafür eindeutig. Pähtz kannte sich im Katalanen besser aus, spielte die gängigen Pläne und beendete die Eröffnung mit einen gesunden Mehrbauern, ohne dafür hart arbeiten zu müssen. Als nach 45 Zügen ein Pähtzscher Freibauer auf der siebten Reihe nicht mehr zu stoppen war, gab sich van Foreest geschlagen. Mit 7 Punkten aus 8 Partien ist Pähtz nun die einsam beste Punktesammlerin im Team.

Elisabeth Pähtz, Punktesammlerin. | Foto: Maria Emelianova/chess.com

Dass dieses Team nicht zwei Punkte sammelte, lag daran, dass an den unteren beiden Brettern die Waagschalen arg schwankten, bis sie auf Deutscher Seite schließlich bei 0,5 stehenblieben. Lara Schulze unterlag in einer wilden Partie, die so, so oder auch so hätte ausgehen können, sodass beim Stand von 1,5:1,5 die Verantwortung für das Mannschaftsergebnis auf Hanna Marie Klek lastete.

Die weiße Ruine sieht äußerst unschön aus, aber noch ist sie nicht zusammengekracht. Nach 31.Sc4? Tdxc4! sollte es eigentlich bald vorbei sein. Aber das Endspiel erwies sich als trickreich.

Aus einer überlegenen Stellung hatte Klek mit einem gut getimten Qualitätsopfer eine gewinnträchtige gemacht. Aber das Endspiel mit Minusqualität, in dem ihre verbunden Freibauern hätten laufen sollen, erwies sich als trickreich. Mit der Zeitkontrolle verpasste sie den einzigen Gewinnzug, der sie aus dem Störfeuer der weißen Türme befreit hätte. Die Partie und damit das Match endete Unentschieden, kein gewonnener Punkt.

Wer würde hier nicht 40…Ke7 ziehen, um danach mit Schachgebot den f4 einzusammeln? Tatsächlich ist 40…Kg7! der einzige Gewinnzug.

Bei den Männern stellte sich gegen Kroatien sehr bald nur die Frage nach der Höhe des Sieges. Matthias Blübaum machte am dritten Brett mit Levon Livaics Königsinder kurzen Prozess. Mit 6 Punkten aus 7 Partien wäre er in den meisten Mannschaften der überragende Akteur – nicht in dieser, in der ein Brett weiter Frederik Svane seine Serie fortsetzte.

Auf der h-Linie vertripeln, mattsetzen. Wenn Matthias Blübaum Königsindisch auseinanderschraubt, sieht das ganz einfach aus.

Rochaden in entgegengesetzte Richtungen, Königsangriff, dann eine feine Taktik und nach gut 20 Zügen war alles vorbei. Und das mit Schwarz in einem Alapin-Sizilianer gegen einen gestanden 2530-Großmeister, der mit einer 3,5/4-Bilanz ans Brett gekommen war. Svane sprang mit diesem Sieg erstmals auf den zweiten Platz der deutschen Elo-Rangliste. Aber der soeben überrundete Dmitrij Kollars spielte beim Stand von 2:0 ja noch. Und das sollte noch fast drei Stunden so bleiben.

2.c3 gegen Sizilianisch hält Frederik Svane nicht davon ab, mit Schwarz Kurzpartien zu produzieren.

Gegen eine Mannschaft etwa aus der Montenegro– oder Litauen-Klasse schickten sich Vincent Keymer und Kollars an, auf 4:0 zu stellen. Keymer wollte es offenbar gleich zu Beginn erzwingen. In der Eröffnung sprang er Ante Brkic (Elo 2640) an, ohne dass der ein anzuspringendes Ziel angeboten hätte. Aber Keymer schaffte es, eine garstige Initiative herauszuspielen. Nach einigen Verwicklungen saß der Kroate vor einem verlorenen Doppelturmendspiel, das um die Zeitkontrolle herum knapp zu werden drohte, aber letztlich ein Beute Keymers war.

Vincent Keymer wollte es gegen Ante Brkic erzwingen.
Gegen Ante Brkic kannte Vincent Keymer nur eine Richtung – vorwärts. Das galt auch für den h-Bauern. Der konnte an dieser Stelle bis nach h5 marschieren, weil der Sg5 tabu ist.

Dmitrij Kollars hätte mit Schwarz gegen Sasa Martinovic (Elo 2563) in einer ausgeglichenen, symmetrischen Stellung jederzeit remis machen können, aber nach einer bislang durchwachsenen Schacholympiade wollte er mehr. Kollars verwickelte die Lage und spielte sich schließlich ein Turmendspiel mit einem Mehrbauern heraus. 99 Züge lang versuchte er, daraus einen vollen Punkt zu pressen – vergebens.

Frederik Svane, seit dem 19. September die neue deutsche Nummer zwei.
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Christian
Christian
25 Tage zuvor

Warum ist eigentlich Saric nicht dabei bei den Kroaten?

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[…] vor dem Achtrundenmatch gegen Kroatien als Ziel ausgegeben. Aber der dritte Sieg in Folge und das beste Match des Turniers führten nicht zu einer Dynamik, aus der die fürs “oben reinkommen” notwendigen […]