Fußball und Schach – auf den ersten Blick zwei verschiedene Welten. Doch viele Fußballtrainer und Spieler erkennen erstaunliche Parallelen. Pep Guardiola und Enzo Maresca sind zwei prominente Beispiele für Fußballtrainer, die von Schach inspiriert sind und diese Erkenntnisse in ihre Arbeit einfließen lassen. Unlängst bei der Fußball-Europameisterschaft zählte Schach zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen vieler Delegationen. Jetzt hat “The Athletic”, die Sportbeilage der New York Times, die Beziehung zwischen beiden Spielen und deren Akteuren aufgearbeitet.
Guardiola, einer der erfolgreichsten Trainer der vergangenen Jahrzehnte, traf während einer Auszeit in New York auf Garry Kasparov, später begegnete er Magnus Carlsen. Diese Begegnungen inspirierten ihn, Schachstrategien auf den Fußball zu übertragen. Im Buch “Pep Confidential” beschreibt Guardiola, wie ihn insbesondere ein Zitat von Magnus Carlsen beeindruckte: „Es spielt keine Rolle, Opfer zu bringen, wenn du die Kompensation verstehst.“ (Frei übersetzt, Anm. d. Red.) Diese Denkweise aus dem Schach hat Guardiola dazu angeregt, ähnliche Strategien im Fußball zu entwickeln.
Enzo Maresca, ein weiterer Verfechter des Schachs im Fußball, widmete in seiner Coaching-Abschlussarbeit umfangreiche Abschnitte der Schachstrategie. Für ihn ist das Schachbrett eine Metapher für das Fußballfeld: „Das Schachbrett ist wie ein Fußballfeld, das in drei Kanäle unterteilt werden kann – ein zentraler und zwei äußere. Im Fußball wie im Schach kann zentrales Spiel interessanter sein, da es der schnellste und direkteste Weg zum Tor oder König ist.“ Diese taktischen Ähnlichkeiten helfen Maresca, Fußballspiele besser zu analysieren und die Bewegungen seiner Mannschaft präziser zu planen.
Spieler wie Mohamed Salah, Christian Pulisic und Dani Olmo nutzen Schach, um ihre kognitiven Fähigkeiten zu schärfen. Salah, der laut eigenen Angaben „süchtig“ nach Schach ist, beschreibt, wie das Spiel seine Konzentration und Problemlösungsfähigkeiten verbessert. Pulisic sieht in Schach ein Mittel, um „den Kopf scharf zu halten“ und Muster schneller zu erkennen, was ihm auf dem Spielfeld zugutekommt. Olmo betont die Bedeutung des „Denkens über jede Bewegung“ auf dem Platz, was ihm hilft, die besten Lösungen zu finden – mit und ohne Ball.
Der ehemalige Barcelona-Trainer Quique Setien beschäftigte sich so intensiv mit Schach, dass er mit einer Elozahl deutlich über 2000 das Level sehr starker Vereinsspieler erreichte. „Im Fußball, wie im Schach, brauchst du eine koordinierte Mannschaft, bei der alle Spieler miteinander verbunden sind.“ Diese Synchronisation ist für ihn der Schlüssel zum Erfolg, sowohl auf dem Schachbrett als auch auf dem Fußballplatz.
Trent Alexander-Arnold und Anthony Gordon nutzen Schach als eine Form des Gehirntrainings. Alexander-Arnold, der in einem Match gegen Magnus Carlsen seine schachlichen Grenzen aufgezeigt bekam, glaubt, dass Schach ihm hilft, seine Konzentration zu verbessern und die gegnerischen Strategien besser zu durchschauen. Für Gordon ist Schach „eine Lebenskompetenz“, die er auf alle Bereiche des Lebens anwenden kann.
Schachkonzepte auf Fußball zu übertragen, ist längst im Denken von Coaches wie Profis verankert. Trotz offensichtlicher Unterschiede zwischen den beiden Spielen gibt es zahlreiche taktische Parallelen, die Fußballer und Trainer inspirieren und ihnen helfen, ihre eigene Leistung zu optimieren. Pep Guardiola: „Es geht darum, die Kontrolle zu übernehmen, zu zeigen, dass man die Oberhand hat, und dann seinen Vorteil auszunutzen… das bedeutet es, den Gegner zu übertreffen.“