Die Zuschussfrage

Das für den Sport zuständige Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) bestreitet auf Anfrage dieser Seite, es habe dem Schachbund Zuschüsse gestrichen. Eine Entscheidung über die Förderung des Deutschen Schachbundes für 2023 sei noch nicht gefallen, sagt ein Sprecher des Ministerium. “Zuschüsse sind also nicht entzogen worden.”

Die Mitteilung des Ministeriums erzählt gleichwohl nicht die ganze Geschichte. Laut DSB-Sportdirektor Kevin Högy hat das BMI dem Schachbund schon im November angekündigt, Zuschüsse für die Teilnahme deutscher Kaderspieler und -spielerinnen am WM-Zyklus und Europameisterschaften 2023 würden gestrichen, wenn an diesen Wettbewerben Russen und Weißrussen teilnehmen. Der Schachbund rechnet laut chesstech mit Einbußen von bis zu 60.000 Euro, die Spielerinnen und Spieler selbst tragen müssten, wenn sich keine Lösung findet.

Die Linie des Ministeriums, keine Wettbewerbe zu bezuschussen, an denen Russen und Weißrussen teilnehmen, gilt seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine. 2022 flossen die Mittel (für Reise, Trainer, Unterbringung) trotzdem angesichts des Umstands, dass Spieler und Spielerinnen aus diesen beiden Ländern zwar teilnahmen, aber unter neutraler Flagge. Ab 2023 zählt die Nationalität der Spieler, nicht die Flagge, unter der sie antreten. Und damit droht nach jetzigem Stand ein Wegfall der Mittel.

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Die Mitteilung des Ministeriums im November war der Grund, warum der Deutsche Schachbund versucht hat, auf europäischer Ebene einen Ausschluss von Russen und Weißrussen aus internationalen Wettbewerben zu erwirken. Aber damit haben sich die Deutschen einen Korb eingefangen. Gemäß einem Beschluss des europäischen Verbands (ECU) aus dem Sommer 2022 dürfen sie unter neutraler Flagge teilnehmen. Auf den Vorstoß aus Deutschland hin war, wie berichtet, einzig der ukrainische Schachverband willens, an dieser Regelung zu rütteln.

“Die Schachverbände aus Tschechien, Italien, Frankreich, Litauen, Spanien, Österreich und den Niederlanden teilten uns jedoch mit, dass sowohl die nationale Politik als auch die nationalen Sportdachverbände kein Problem in der Teilnahme von Russen/Belarusen an europäischen Meisterschaften sehen”, schreibt der DSB auf Anfrage. Andere europäische Verbände befürchten laut DSB keine Sanktionen daheim, wenn sie ihre Spieler zu internationalen Meisterschaften entsenden, an denen Russen/Weißrussen teilnehmen. In der Konsequenz werden deutsche Spitzenspieler und Spitzenspielerinnen 2023 im europäischen Vergleich benachteiligt sein.

Zuschüsse oder nicht? Elisabeth Pähtz (l.) und Dinara Wagner werden ab dem 1. Februar in München beim Frauen-Grand-Prix um Tickets fürs Kandidatinnenturnier kämpfen. | Foto: Paul Meyer-Dunker/Deutscher Schachbund

Das erste Turnier des neuen Jahres, bei dem die Zuschussfrage auf der Agenda steht, wird der Frauen-Grand-Prix ab dem 1. Februar in München sein. Dort werden Dinara Wagner und Elisabeth Pähtz teilnehmen. Zwar sind (neben Wagner) mit Alina Kashlinskaya und Alexandra Kosteniuk zwei gebürtige Russinnen im Feld, aber Kevin Högy hofft, trotzdem Zuschüsse erwirken zu können.

Kashlinskaya, verheiratet mit dem polnischen Großmeister Radoslaw Wojtaszek, ist längst zum polnischen Verband gewechselt und spielt unter dessen Flagge. Die in Paris lebende Kosteniuk, Kritikerin am Krieg gegen die Ukraine, wechselt einer Mitteilung des Schweizerischen Schachverbands zufolge in die Schweiz. Sollte das so sein, böte dieser Wechsel dem deutschen Verband eine Argumentationsbasis, um beim BMI Zuschüsse für Wagners und Pähtz’ Grand-Prix-Teilnahme zu erwirken. Allerdings wollte Kosteniuk auf Anfrage von chess.com ihren vermeintlich bevorstehenden Wechsel nicht kommentieren.

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Thomas Richter
Thomas Richter
1 Jahr zuvor

Nochmals: Was muss für den Frauen Grand Prix eigentlich bezuschusst werden? Neben “garantiertem Preisgeld” (2500 Euro auch für den ungeteilten 12. und letzten Platz) gilt laut https://handbook.fide.com/chapter/D0109 : 5.8.1. Each player shall get her travel expenses reimbursed (based on the standard economy class or comparable tariffs). [nach München also Zugfahrt Zweiter Klasse] 5.8.2. Each player shall be provided with a free single room with full board in an official hotel (minimum 4*) for the whole duration of the event. Es kann also nur um Trainer oder Sekundanten gehen – speziell für dieses Turnier, zusätzlich zu dem was Paehtz und Wagner… Weiterlesen »

Kommentator
Kommentator
1 Jahr zuvor

Wenn die Staatsangehörigkeit das maßgebliche Kriterium ist, dann sollte bereits die Teilnahme von Dinara Wagner gegen die Gewährung von Zuschüssen sprechen – oder sehe ich das falsch?
§ 9, Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetztes sieht jedenfalls eine Einbürgerung erst vor, wenn sie seit mindestens drei Jahren in Deutschland lebt und die Ehe seit mindestens zwei Jahren besteht – meines Wissens sind sowohl die Übersiedlung nach Deutschland als auch die Heirat Ende 2021 erfolgt.

Chris
Chris
1 Jahr zuvor

Ist ja beides nicht falsch, der DSb hätte mit dem Zuschüssen in Normalfall rechnen können da die zusage wohl eher eine formalität ist – aber zugesagt wurden sie noch nicht und da die Wettkämpfe dem Vergabekriterien nicht entsprechen bekommen sie sie diesmal nicht.
Weit weg sind die Aussagen voneinander finde ich nicht, formal ist die Aussage des Ministerium wohl richtiger und wäre wohl in Falle einer juristischen Auseinandersetzung von Bedeutung. Da wäre ein entziehen der Förderung sicher angreifbarer

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[…] Die ZuschussfrageAnfangs drohten dem Leistungssport neben dem Einschnitt bei den Eigenmitteln noch ein Wegfall von bis zu 60.000 Euro Fördergeld. Das hat sich nun relativiert. […]