Zwei Großmeisternormen in 24 Stunden: GM Frederik Svane!

Eine Partie nach der anderen, da gerät man leicht in einen Trott. Als Frederik Svane am Samstagnachmittag wie in den Tagen zuvor in der Hamburger Eliteschule des Sports am Schachbrett Platz nahm, war ihm offenbar entfallen, dass „Bundesliga“ auf dem Programm stand. „Hamburger GM-Turnier“ schrieb der 17-Jährige auf sein Formular, auf dem er seine Bundesliga-Partie gegen Eduardas Rozentalis notieren sollte. Der Spielort war ja derselbe wie in den Tagen zuvor, nur war besagtes GM-Turnier am Freitag zu Ende gegangen.

Die Großmeisterpartie. | Foto: Sandra Schmidt

Vielleicht bewegte Frederik Svane der Wunsch, das Hamburger GM-Turnier möge noch eine Weile weitergehen?!

Mit drei Siegen am Stück hatte Svane am Vortag das Einladungsturnier seines HSK abgeschlossen. Mit diesem gewaltigen Endspurt sicherte er sich doch noch seine zweite GM-Norm, die nach einem schlappen Start schon fast außer Reichweite geraten war. Und er sicherte sich die Chance, etwas zu schaffen, das es im Schach bis dahin mutmaßlich nie gegeben hatte: zwei GM-Normen binnen 24 Stunden und den GM-Titel noch dazu.

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Oktober 2021: Frederik Svanes erste GM-Norm, erzielt in Kiel.

Wenige Tage vorher hatte es danach überhaupt nicht ausgesehen. Mit vier Remisen war Svane in das von Frank Bracker organisierte Einladungsturnier gestartet, dann ein Sieg, dann noch ein Remis: 6 Partien, 3,5 Punkte – zu wenig.

Überragend: Frederik Svane (2.v.r.) bei der Siegerehrung mit dem Turniersieger Leon Luke Mendonca (M.), dem Drittplatzierten Vasilios Kotronias (2.v.l.) sowie Turnierdirektor Frank Bracker (r.) und Hauptschiedsrichter Hugo Schulz (l.). | Foto via Thorsten Cmiel

Um auf die für die GM-Norm erforderlichen 6,5/9 zu kommen, würde der im vergangenen Jahr zum HSK gewechselte Lübecker seine letzten drei Partien gewinnen müssen. Und das gegen die stärksten Spieler im Wettbewerb.

In Runde sieben saß ihm der Turnierfavorit gegenüber, der ungarische GM Peter Prohaszka mit seinen stattlichen 2579 Elo. Und es passierte dieses:

Der erste Streich.

Damit war das erste Drittel des erforderlichen Endspurts erfolgreich absolviert.

In Runde acht saß Svane der griechische GM Vasilios Kotronias gegenüber, einst 2640 Elo stark, jetzt auf 2465 abgerutscht, aber immer noch ein brandgefährlicher Gegner. Es passierte dieses:

Der zweite Streich.

Fehlte noch ein Schlussrundensieg, aber auch in Runde neun wartete ein dicker Brocken. Schwarz gegen IM Ruben-Gideon Köllner, der eigentlich als solide und schwer zu schlagen gilt. Svane wird froh gewesen sein, als ihm Köllner ein wildes Handgemenge anbot. Svane ließ sich darauf ein, behielt die Übersicht, kassierte erst einen Bauern und schließlich den ganzen Punkt.

Tags darauf profitierte Svane davon, dass er in der Bundesliga seit dem Saisonstart prächtig vorgelegt hatte. 6/8 gegen einen Eloschnitt von etwa 2470 standen in der Saison 2022 zu Buche. Wieder würden 6,5 Punkte aus 9 Partien die Marke sein, die es zu erreichen gilt, um am Tag nach der zweiten GM-Norm sogleich die dritte nachzulegen.

Niemand in Hamburg wird Frederik Svane verübeln, dass er gegen den erfahrenen GM Rozentalis nicht Kopf und Kragen riskierte, sondern lieber mit dem halben Punkt in der Tasche spielte: Vierspringerspiel und den Ball flach halten war die Devise.

Frederik Svane hatte schon eine Elozahl, als Vincent Keymer noch nicht wusste, was das ist. Hier ist Frederiks Geschichte, vom 6-jährigen Eloträger, der Schach durch Zuschauen beim Bruder gelernt hatte, zum 17-jährigen Weltrekord-Großmeister.

Um 15.55 Uhr nach knapp zwei Stunden und 20 Zügen war auf dem Brett nicht allzu viel los. Mit seinem 21. Zug bot Svane remis an. Rozentalis überlegte nicht lange.

Einen Tag nach seinem 59. Geburtstag machte der Litauer seinem 42 Jahre jüngeren Gegenspieler das größte Geschenk, das im Schach zu vergeben ist. Er nahm an, und Frederik Svane hatte sich binnen 24 Stunden zwei GM-Normen und den Großmeistertitel gesichert.

Nicht mit letzter Sicherheit lässt sich sagen, ob es vor Svane jemals einem Spieler gelungen ist, binnen 24 Stunden zwei GM-Normen zu erzielen. Höchstwahrscheinlich ist Frederik Svane der Erste, dem dieses Kunststück gelungen ist, aber die FIDE will noch ihr Archiv konsultieren, bevor sie es bestätigt.

https://twitter.com/FIDE_chess/status/1530571230209794048
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Thomas Richter
Thomas Richter
1 Jahr zuvor

FIDE legt sich nach dem “Fall Paehtz” auf gar nichts mehr fest …. . Derlei (2 Normen innerhalb von 24 Stunden) geht ja nur, wenn die zweite Norm aus einem Turnier stammt, das nicht an einem Stück gespielt wird sondern über mehrere Termine verteilt. Generell sind das – abgesehen von seltenen Sonderfällen wie Kandidatenturnier 2020/2021 – vor allem Ligen, Deutschland und (schwächer besetzt) einige andere Länder. Die Bundesliga kann das dann weitgehend selbst untersuchen – Anzahl erzielter GM-Normen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ist wohl zweistellig aber vermutlich nicht dreistellig. Dabei muss auch rekonstruiert werden, wann während einer laufenden… Weiterlesen »

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