Sogar eine Niederlage kann am heutigen Mittwoch reichen, um ins Viertelfinale einzuziehen. Andererseits könnte selbst ein Sieg über die hochfavorisierten Ukrainerinnen nicht genug sein, wenn die punktgleiche Amerika-Auswahl höher gewinnt. Kurz: Die deutsche Nationalmannschaft steht bei der Team-WM in Sitges vor einer Zitterpartie, bei der die Schützlinge von Bundestrainer Yuri Yakovich fremde Hilfe brauchen. Ob sie das Viertelfinal-Ticket lösen, wird auch davon abhängen, was auf den Brettern der Konkurrenz passiert. (Zu den Livepartien mit Kommentar)
Kritisch war, wie im WM-Vorbericht (siehe oben) prognostiziert, gleich das erste Match gegen Kasachstan. Der Deutschland-Vierer um Elisabeth Pähtz hatte gegen die favorisierten Damen aus dem Steppenstaat beste Chancen, einen oder sogar zwei Punkte mitzunehmen – und stand am Ende doch mit leeren Händen da. “Das war sehr unglücklich. Unsere Frauen haben stark gespielt”, sagt Yakovich.
Angesichts zweier Übermannschaften in der deutschen Gruppe, Georgien und Ukraine, war nach dieser Niederlage klar, dass das Zweitrundenmatch gegen Polen vorentscheidend sein würde. Um ins Viertelfinale zu kommen, müssen die Deutschen zwei der fünf anderen Teams hinter sich lassen. Nachdem gegen Kasachstan keine Überraschung gelungen war, kamen dafür nominell nur die Polinnen sowie die Amerika-Auswahl infrage.
Gegen Polen gelang der bitter nötige Sieg, der laut Yakovich auch höher hätte ausfallen können. “Aber Elisabeth war müde am Ende der zweiten harten Partie an diesem Tag.”
Mit dem Erfolg demonstrierten die Spielerinnen ihrem neuen Coach sogleich eine ihrer Qualitäten: Kampfgeist nach Rückschlägen. Er nahm es erfreut zur Kenntnis. Trotz der nicht idealen Punktausbeute war Yakovich zumindest nicht unzufrieden mit dem Auftakt: “Unsere Frauen haben gezeigt, dass sie spielen können.”
Dass die gegen Deutschland unterlegenen Polinnen keine Laufkundschaft sind, zeigten sie bei ihren Punktgewinnen gegen die Ukraine und Georgien. Mit diesen beiden Punkten auf dem Konto haben vor der heutigen letzten Runde auch die Polinnen die Chance, noch unter die besten Vier der Vorrundengruppe zu kommen und ins Viertelfinale einzuziehen.
Der Tabellenstand nach vier von fünf Runden:
Die heutigen Paarungen:
Die Auslosung hat zum Finale der deutschen Gruppe für drei Matches der oberen gegen die untere Hälfte gesorgt. Um 15 Uhr geht es los: Livepartien mit Kommentar
Ein Verlierer der WM steht schon fest: Die FIDE hat für die Team-WM die Bedenkzeit verkürzt, um den Wettbewerb für die Zuschauer attraktiver zu machen. Aber dem Weltverband mit seinem katalanischen Ausrichter ist es nicht gelungen, für eben diese Zuschauer eine fehlerfreie Übertragung der Partien sicherzustellen. Beobachter, die hofften, dass am zweiten Tag die Fehler abgestellt sind, nachdem am ersten Turniertag die Matches praktisch nicht zu verfolgen gewesen waren, wurden enttäuscht.
Gerade aus deutscher Sicht ist das schade. Notgedrungen musste der Schachbund wegen der Übertragungsprobleme seine geplante WM-Begleitmusik eindampfen.
Besser spät als nie: Nachdem jahrelang alle Weckrufe vom Bodensee wirkungslos verhallt waren bzw. als DSB-Schlechtmacherei abgetan wurden, bemüht sich unser Schachbund nun doch, deutsches Spitzenschach für Zuschauer erlebbar zu machen. Diese Kehrtwende war schon unlängst beim Gipfel zu besichtigen, als Schachdeutschland TV unermüdlich sendete, die DSB-Website für ihre Verhältnisse topaktuell war und Sportdirektor Kevin Högy seinen Spieler:innen Gesicht und Stimme gab, indem er nach den Partien kleine Clips produzierte.
Unnmittelbar vor Beginn der Frauen-Team-WM war jetzt bei der deutschen Schnellschachmeisterschaft der erste bloggende DSB-Präsident in der Geschichte des Verbands zu bestaunen, wenig später überraschte der DSB mit einer Personalie: Twitter-Fachmann Paul Meyer-Dunker, Präsident des Landesverbands Berlin, hat als Social-Media-Beauftragter beim Deutschen Schachbund angeheuert (mehr dazu demnächst). Der 29-Jährige ist jetzt der dritte Mitarbeiter unter Geschäftsführer Marcus Fenner, neben dessen Name der Begriff “Öffentlichkeitsarbeit” steht.
Nun sollte mit dieser geballten Manpower bei der Frauen-Team-WM dort angeknüpft und aufgebaut werden, wo der Schachbund beim Gipfel aufgehört hatte. Aber leider finden die in Sitges auf den elektronischen Brettern ausgeführten Züge nicht den Weg ins Netz.
Die Daumen drücken wir heute trotzdem, auch wenn es nicht viel zu sehen geben sollte. Und wir freuen uns auf die Mannschafts-EM im November. Zu diesem Anlass wird es mehr denn je zu sehen geben.
Deutschland müsste auch weiter sein, wenn man gewinnt und Kasachstan gegen Polen 2,5 Brettpunkte weniger holt als Deutschland.