Sie wollen doch nur spielen

Offene Turniere, Vergleichskämpfe gegen andere Vereine, gerne auch eine deutsche oder europäische Liga. Sicher ist: Sie wollen nur spielen. Am Brett und in der Vereinsgemeinschaft, und das, ohne viel Geld und Zeit für Fahrten und Übernachtungen auszugeben.

Geht nicht? Geht doch, mit Hybrid-Schach. Es müssten sich nur Vereine finden, die mitspielen.

An diesem Haken ist Tim Pfrengle, Öffentlichkeitsarbeiter des SC ML Kastellaun, bislang gescheitert. Der Verein aus der Pfalz möchte seinen drei Dutzend Jugendlichen ebenso wie seinen älteren Mitgliedern auf möglichst einfache Weise Wettkampfpraxis ermöglichen. Die Kastellauner würden sich an der Ausrichtung eines Hybrid-Opens beteiligen. In einer Hybrid-Liga würden sie mitspielen, Vergleichskämpfe gegen andere Vereine fänden sie gut. “Dank Hybrid haben jetzt alle Vereine eine einfache Möglichkeit, mehr zu spielen. Aber es fehlt die Plattform, auf der sich Vereine vernetzen können”, saqt Pfrengle. Er hofft, dass aus diesem Interview ein solches Netz erwächst.

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Der junge Verein aus dem Hunsrück ist erst vor zwei Jahren aus einer Neugründung entstanden und fällt seitdem immer wieder als Innovator auf, zuletzt mit einem Wettkampf gegen Brückenbauer. Derzeit zählt der SC ML Kastellaun 70 Mitglieder, mehr als die Häfte davon Jugendliche. “Wir setzen auf Jugendarbeit, anders könnten wir im ländlichen Raum gar nicht an Spieler kommen”, erklärt Pfrengle. Als die Schachjugend im Juni für Jugendliche den DWZ-Hybrid-Cup anbot, waren die Kastellauner mit ihren Jugendlichen natürlich mit von der Partie. Problemlos gelaufen sei das, berichtet Pfrengle, der findet, von solchen Turnieren müsste es mehr geben.

Und warum sollten die Vereine es nicht selbst in die Hand nehmen?

Tim Pfrengle vom SC ML Kastellaun im Osloer Schach-Pub “The Good Knight”. | Foto: privat

Tim, wie hat sich eure Mitgliederzahl während Corona entwickelt?

Positiv, das hing damit zusammen, dass wir online so früh dran waren, in der Quarantäneliga zum Beispiel. Dadurch hatten wir Zulauf von anderen Vereinsspielern, die in ihren Clubs kein Angebot fanden. Einige von denen sind dann tatsächlich zu uns gewechselt.

Und jetzt? Retransformation zum traditionellen Schachverein?

Auch. Wir wollen natürlich möglichst viel in Präsenz machen, aber online wird überall da ein Teil des Vereinslebens bleiben, wo es Vorteile bietet.

Zum Beispiel?

Ortsunabhängiges Training mit diversen Tools, die du als Coach am Vereinsabend nicht zur Verfügung hast. Online fehlt zwar das Gemeinschaftserlebnis, aber ich könnte mir vorstellen, dass mehr Inhalte ankommen. Gerade beim Kindertraining hast du online weniger Störungen, es geht fokussierter zu. Außerdem wollen wir Hybrid-Schach nutzen, um Spielpraxis zu bekommen und einfacher Wettkämpfe spielen zu können. Zu Turnieren zu fahren, ist unserer ländlichen Lage wegen mit viel Aufwand verbunden. Es kostet Zeit und Geld.

Die Kastellauner U14-Mannschaft bei ihrem erfolgreichen Anlauf, sich für die Deutsche Meisterschaft zu qualifizieren. | Fotos (3): SC ML Kastellaun

Hybrid-Schach als Werkzeug, um einfacher Spielpraxis zu bekommen.

Genau. Wettkampfpraxis kannst du nicht simulieren, und uns ist wichtig, dass wir unseren jungen Spielern die Möglichkeit geben, sie zu bekommen. Aber während der Corona-Zeit gab es nun einmal keine Turniere. Jetzt gibt es zwar wieder welche, aber sie sind mit Reisen und Kosten verbunden. Darum war ich begeistert, als hybrides Schach aufkam, das die Vorteile von Online-Schach mit denen von Schach am Brett miteinander verknüpft.

Jetzt suchst du Leute, die diese Begeisterung teilen.

Wir haben schon andere Vereine auf regionaler Ebene gefragt, ob sie nicht Interesse an hybriden Wettkämpfen haben, aber niemanden gefunden. Von Verbandsseite höre ich nur „Das brauchen wir nicht“. Und das, obwohl wir jetzt eine einfache Möglichkeit haben, mit wenig Aufwand mehr zu spielen. Aber es fehlt die Plattform, um überregional, vielleicht auch international Vereine zusammenzubringen, die hybride Wettkämpfe spielen wollen.

Was für Wettkämpfe schweben dir vor?

Jugend-Wettkämpfe, aber nicht nur. Ich finde auch die Idee charmant, DWZ-ausgewertete Open mit verschiedenen Spielsälen anzubieten. Oder klassische Mannschaftskämpfe. Warum nicht ein hybrider Ligabetrieb? Wegen der Entfernung konnten wir nie einen Vergleichskampf gegen eine Mannschaft aus Berlin oder Hamburg spielen, jetzt wäre es möglich.

Am Brett und doch online: Die Kastellauner Jugendlichen beim Hybrid-DWZ-Turnier der DSJ. Nicht im Bild: der Schiedsrichter.

Habt ihr schon Erfahrungen gesammelt?

Ja, die DSJ hat ein hybrides Jugend-Mannschaftsturnier veranstaltet. Das hat super geklappt. Und wenn das selbst Kinder unter 10 schaffen, sollte es auch für Erwachsene möglich sein.

Ohne Schiedsrichter geht es nicht.

Das war beim DSJ-Turnier eine kleine Hürde für uns: einen Schiedsrichter von einem anderen Verein zu finden. Für Stadtvereine ist das wahrscheinlich leichter, aber letztlich haben auch wir es hinbekommen.

Du hast eben „Kosten“ gesagt. Schiedsrichter kosten auch Geld.

Aber dafür entfallen Fahrt- oder sogar Übernachtungskosten. Unterm Strich sparst du Geld, wenn du für einen Hybrid-Wettkampf einen Schiedsrichter verpflichtest, anstatt mit mehreren Leuten irgendwohin zu fahren.

Die Nationalmannschaft spielt hybrid: (von vorne) Jana Schneider, Hanna Marie Klek, Annmarie Mütsch. | Foto: DSB

Anstatt gegen Hamburg und Berlin könntet ihr auch gegen Barcelona und Oslo spielen. Eine europäische Hybrid-Test-Liga gab es schon, seitdem kursiert die Idee einer Europaliga.

Auch das wäre etwas für uns. Aber bislang fehlt halt der Überbau, die gemeinsame Plattform, um so etwas auf die Beine zu stellen. Und dem einzelnen Verein fehlt das Netzwerk und die Reichweite. Ich glaube allerdings, dass für den Anfang ein klassisches Open an mehreren Orten am besten wäre, ein Open, das mehrere Vereine gemeinsam ausrichten. Einer macht Organisation, Auslosung und so weiter, und alle stellen ihre jeweiligen Vereinsräume als Spielsaal zur Verfügung. Mit so einem Turnier könnten alle beteiligten Vereine auch Interessenten aus anderen Vereinen ein Spielangebot machen.

Das wäre tatsächlich etwas, das es noch nie gegeben hat.

Aber die Idee ist ja nicht neu. Als ich davon las, ein Open mit mehreren, übers Land oder sogar über den Kontinent verteilten Spielsälen auszurichten, dachte ich spontan, dass dieses Konzept ein Game Changer ist. Und das glaube ich immer noch. Es bleibt nicht mehr an einem Organisator hängen, es wird viel einfacher, große Turniere auszurichten.


Wer möchte mit den Kastellaunern spielen? E-Mail an

tim.pfr@web.de und/oder cs@perlenvombodensee.de

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Klaus Zachmann
Klaus Zachmann
2 Jahre zuvor

Nur ein kleiner Hinweis: Kastellaun liegt nicht in der Pfalz, sondern im Rheinland.

Thomas Richter
Thomas Richter
2 Jahre zuvor

Ich kann nach wie vor nicht nachvollziehen, warum das DSJ-Hybridturnier “super” war. Im DWZ-gewerteten Turnier waren es 12 Teams aus 9 Vereinen. Wir spielten im Turnier ohne DWZ-Auswertung (4 Mannschaften), da es auch für mich als Jugendleiter eines “Stadtvereins” zu mühsam war, einen externen Schiedsrichter zu finden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Schach am Brett gerade wieder begonnen, beim Hybridturnier gab es schlicht und ergreifend kaum Nachfrage zum Angebot – wohl da hybrid für viele nicht dasselbe ist wie “Schach mit Gegner gegenüber”. Zum Vergleich: im Februar – als sonst nichts ging, nicht einmal hybrid – gab es ein DSJ-Turnier auf… Weiterlesen »

Last edited 2 Jahre zuvor by Thomas Richter
Chris
Chris
2 Jahre zuvor

Ich glaube schon, dass es genug interessierte Vereine gibt, aber wie genau soll daraus eine Plattform erwachsen?
Oder war die Intention, dass jetzt alle interessierten Vereine hier unter dem Artikel ihr X machen?
Wäre es nicht vielleicht einfacher erstmal auf Regional- bzw. Landesebene Werbung machen?

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[…] bunt gemischt werden, Spitzenleute aber auch jugendliche Nachwuchsspieler“, sagt Tim Pfrengle, Sprecher des SC ML Kastellaun aus der Pfalz. Die Kastellauner wollen möglichst jedem, der Interesse hat, […]