Jetzt müssen sie liefern

Zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren (Ausnahme: Mitropa-Cup) sehen wir in dieser Woche wieder eine deutsche Nationalmannschaft an den Brettern. Bei der Team-WM in der katalanischen Küstenstadt Sitges geht es ab dem heutigen Montag ab 15 Uhr (Livepartien mit Kommentar) für die fünf Spielerinnen, Bundestrainer Yuri Yakovich und Sportdirektor Kevin Högy unmittelbar darum, die Vorrunde zu überstehen und ins Viertelfinale vorzustoßen, keine einfache, aber eine machbare Aufgabe. Zweiter Job des deutschen Septetts: das Turnier ohne Querelen absolvieren, etwas, das den deutschen Damen zuletzt selten gelungen ist.

Für die Mannschafts-WM hat die FIDE ein neues Format erdacht: Zwölf Teams werden in zwei ungefähr gleich starke Gruppen aufgeteilt. Beide Vorrundengruppen spielen ein Rundenturnier, die jeweils besten vier Teams kommen in die K.o.-Runde. Die Zeitkontrolle wird kürzer als üblich sein: 45 Minuten/Partie plus zehn Sekunden pro Zug. Es wird Hin- und Rückkampf gespielt, im Falle eines Unentschiedens wird geblitzt. Die FIDE nimmt nach eigenen Angaben an, dass dieser Modus attraktiver für Zuschauer ist.

DIe mehrfache Mannschafts-Weltmeisterin und besten Schachspielerin der Welt Hou Yifan wird 2021 in Sitges nicht mit von der Partie sein. | Foto: FIDE

Die Geschichte der Frauen-Team-WM ist noch recht jung, sie begann 2007 in Jekaterinburg. Damals waren die Deutschen dabei, seitdem nicht mehr. 2007 gewann China (mit Hou Yifan), ein Erfolg, den die Frauschaft aus Fernost 2009 in Ningbo und 2011 in Mardin wiederholte. Die Jahre der chinesischen Vorherrschaft endeten mit dem Triumph des ukrainischen Teams in Astana 2013 und dem georgischen Sieg in Chengdu 2015. Beim Heimspiel in Khanty-Mansiysk 2017 setzte sich Russland durch. Zuletzt in Astana 2019 holten wieder die Chinesinnen den Titel.

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Trotz Pandemie läuft Schach am Brett langsam wieder an, aber internationale Mannschaftsturniere bleiben schwierig zu organisieren. Im Fall der Frauen-WM bedeutet das, dass nicht alle Favoritinnen teilnehmen können. Vor allem China und die USA werden fehlen.

In Abwesenheit Chinas gilt das russische Team als klarer Favorit, angeführt von der Nummer zwei der Welt, Aleksandra Goryachkina, dazu Kateryna Lagno, Alexandra Kosteniuk, Polina Shuvalova und Alina Kashlinskaya, der bestmögliche russische Kader, ein Signal, dass die Russen nach dem Sieg bei der Online-Olympiade das nächste Gold holen wollen.

Dass Aleksandra Goryachkina (r.) schlagbar ist, hat Elisabeth Pähtz schon bewiesen. | Foto: FIDE

Nominell dürften zwei Teams zumindest eine Außenseiterchance haben, die Russinnen zu stoppen: die Georgierinnen um Nana Dzagnidze und Nino Batsiashvili, die mit vier Weltmeisterinnen von 2015 an die Bretter gehen. Außerdem die Ukrainerinnen um die Muzychuk-Schwestern Anna und Mariya.

Diesen beiden wird das deutsche Team in der Vorrunde begegnen, und es ist nicht schwierig vorherzusagen, dass diese beiden eine Nummer zu groß sein werden. Kritisch wird für Elisabeth Pähtz, Josephine Heinemann, Hanna Marie Klek, Jana Schneider und Melanie Lubbe voraussichtlich der Vergleich mit den stark verjüngten Kasachinnen. Deren 21-jährige Anführerin Zhansaya Abdumalik hat im Sommer beim Grand Prix in Gibraltar geglänzt.  Die 17-jährige Bibisara Assaubayeva, Brett drei, hat gerade einen starken World Cup gespielt.

Gegen Kasachstan geht es gleich in der ersten Runde. Sollte sich auch Kasachstan als unschlagbar erweisen, müssen die Deutschen zumindest die Polinnen (die warten in der zweiten Runde) und die Südamerikanerinnen distanzieren, um den Sprung in die K.o.-Runde zu schaffen. Ins Viertelfinale zu kommen, wäre ein solides WM-Ergebnis, das Halbfinale zu erreichen, ein Ausrufezeichen.

Zum alten Eisen gehört die Ü40-Generation der deutschen Damen noch lange nicht, aber in die Nationalmannschaft offenbar auch nicht mehr. | via FIDE

Für den neuen Bundestrainer ist diese WM nun der erste Auftritt mit seinen neuen Schützlingen, bei denen der Generationswechsel vollzogen scheint. Zwar lässt sich an der deutschen Rangliste unverändert ablesen, dass sich die jungen Kaderspielerinnen schwer damit tun, an der nicht mehr im Kader befindlichen Ü40-Generation vorbeizuziehen, aber am Brett werden sie nun trotzdem gezielt in die Verantwortung genommen.

Leistungssportreferent Gerald Hertneck schwebt eine möglichst schnelle Entwicklung vor: Die Nationalmannschaft soll eher kurz- als mittelfristig stärker und die Lücke hinter Elisabeth Pähtz kleiner werden. Damit das gelingt, haben die jungen Frauen einen Bundestrainer von Weltruf und ein Intensiv-Förderprogramm bekommen.

Nun ist es an den Spielerinnen zu liefern. Vielleicht fangen sie ja schon heute damit an?

Livepartien mit Kommentar

Schachdeutschland TV begleitet die Matches der deutschen Damen live.

(Titelfoto via Schachbund)

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