Wenn beide gewinnen müssen: Deutsche Meisterschaft, letzte Runde, erstes Brett

Was war mit dir los?“ Diese Frage durfte ich nach der Startrunde der diesjährigen Deutschen Einzelmeisterschaft vielen Schachfreunden beantworten, sowohl digital als auch dem einen oder anderen Teilnehmer vor Ort. Trotz eines Elo-Plus’ von knapp 300 Punkten hatte ich gegen Dominik Laux (Jahrgang 2006) Schiffbruch erlitten und nur wegen der jugendlichen Unerfahrenheit meines Gegners ein Remis erschwindeln können. Was für ein Einstand mit den weißen Steinen nach knapp einem Jahr ohne klassische Turnierpartie!

Der eine, Georg Braun, muss gewinnen, um die ersehnte IM-Norm zu schaffen, der andere, Frederik Svane, muss gewinnen, um Deutscher Meister zu werden. Das war die zugespitzte Konstellation in der letzten Runde am ersten Brett der Deutschen Meisterschaft. Exklusiv für die Perlen vom Bodensee kommentiert Georg Braun diese Partie, die nach einem Kampf auf Messers Schneide unentschieden endete – eine Niederlage für beide Spieler. | Foto: Arne Jachmann/Schachbund

Früh zeichnete sich ab, dass die diesjährige Deutsche Einzelmeisterschaft zu einem Festspiel der Nachwuchstalente werden könnte. U16-Weltmeister Frederik Svane ging erstmals nach fünf Runden mit einem Sieg gegen Jonas Rosner mit einem halben Zähler in Führung (siehe Video weiter unten). Nicht wenige erwarteten, dass wie im Vorjahr ein junger Spieler das Turnier gewinnen würde (damals war es Luis Engel). Auch beim Württemberger Tobias Kölle, wie Frederik Svane Jahrgang 2004, deutete sich nach wenigen Runden ein sehr gutes Turnierergebnis an.

Tobias Kölle schaffte den Sprung aufs Treppchen. | Foto: Frank Hoppe/Schachbund

Immerhin ging es auch beim Schreiber dieser Zeilen nach der ersten Runde schachlich bergauf. Trotz der einen oder anderen verpassten Chance war nach Siegen gegen Jakob Leon Pajeken und Julius Muckle sogar die heißersehnte IM-Norm möglich. Gerade die kompromisslose Partie gegen Muckle halte ich trotz mancher Fehler für meine beste Leistung im Turnier.

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Da sah es noch aus, als würde sich Frederik Svane den Deutschen Meistertitel sichern: ein Brachialsieg gegen Jonas Rosner – der am Ende trotzdem oben stand, punktgleich mit Svane, aber mit besserer Wertung.

Die spannungsgeladene Situation vor der Schlussrunde sah wie folgt aus:

Die Tabelle führt Frederik Svane mit 6,5 Punkten an, er hat aber die schlechtere Zweitwertung gegenüber seinen Verfolgern Jonas Rosner und Aljoscha Feuerstack, die bei 6 Punkten liegen. Auf 5,5 Punkte kommt neben mir ein weiterer Württemberger, Jaroslaw Krassowizkij.

Am ersten Brett darf ich mit Weiß gegen Svane antreten, während Rosner auf Krassowizkij trifft und Feuerstack gegen Tobias Kölle spielt. Letzterer kann von allen Beteiligten noch am befreitesten aufspielen, da 5 Punkte gegen sehr starke Gegner ihm bereits für die angestrebte IM-Norm genügen.

Am Spitzenbrett kann Frederik Svane also aus eigener Kraft Deutscher Meister werden, er muss “nur” gewinnen. Für ihn vielleicht weniger wichtig, aber als Deutscher Meister erhält man auch direkt den IM-Titel verliehen. Sollte er aber nicht gewinnen, droht, dass Rosner oder Feuerstack ihn einholen. Schlimmstenfalls verpasst er nicht nur den Meistertitel, sondern auch die Qualifikation für das nächstjährige German Masters.

Für eine IM-Norm muss es bei mir tatsächlich ein ganzer Punkt sein, Brett 1 hin oder her. Als Bonus winkt, neben Preisgeld, möglicherweise der 3. Platz und damit auch die Vorqualifikation für die nächste deutsche Einzelmeisterschaft (was man angesichts der Konkurrenz in Württemberg nicht unterschätzen sollte).

(Klick auf einen Zug öffnet das Diagramm zum Nachspielen)

Am zweiten Brett setzte sich Rosner gegen Krassowizkij durch, während Feuerstack gegen Kölle am dritten Brett eine Niederlage einstecken musste. Glückwunsch an Jonas Rosner zum deutschen Meistertitel! Den zweiten Platz belegte folglich Frederik Svane, und mit Tobias Kölle schaffte ein weiterer Jugendspieler den Sprung aufs Treppchen.

Spitzenstand der Deutschen Meisterschaft nach neun Runden (via DSB):

1IMJonas Rosner24342431SK 1926 Ettlingen7,02374
2FMFrederik Svane24382451Lübecker SV von 18737,02348
3FMTobias Kölle23122283TSV Schönaich6,02419
4GMWitali Kunin25672586Freibauer Mörlenbach-Birkenau6,02392
5IMAljoscha Feuerstack24732456FC ST. Pauli 1910 SAbt6,02373
6FMGeorg Braun23752374SK Bebenhausen 19926,02319
7IMJaroslaw Krassowizkij24482437TSV Schönaich5,52360
8FMJonas Roseneck24012358SG Aufbau Elbe Magdeburg5,52331
9FMMax Hess24132359SC Garching 19805,52304
10Marius Fromm23262267Greifswalder SV5,02436
11IMJakob Leon Pajeken23282333SK Doppelbauer Kiel von 19105,02412
12GMRené Stern25172493SK König Tegel 19495,02395
13FMAlexander Krastev23802378SG Solingen5,02354
14FMThilo Ehmann23422337SF Sasbach5,02347
15GMPeter Enders24472422Erfurter SK5,02324
16Nikolas Wachinger23552332SAbt SV Werder Bremen5,02312
17FMTobias Kolb23072275SC 1868 Bamberg5,02309
18FMJulius Muckle24232397SK 1912 Ludwigshafen5,02294
19GMHagen Poetsch25252540SC Heusenstamm4,52361
Jonas Rosner kann sich als Deutscher Meister darauf freuen, nächstes Jahr im Kreis der nationalen Elite mitzuspielen. | Foto: Frank Hoppe/Schachbund
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chesshans
chesshans
2 Jahre zuvor

Schon merkwürdig, dass bei Punktgleichheit nicht erst der direkte Vergleich zählt.. Dennoch: Starke Leistung von allen Beteiligten!

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[…] Wenn beide gewinnen müssen: Deutsche Meisterschaft, letzte Runde, erstes BrettUnd so gewann Rosner das Turnier, punktgleich mit dem jungen Lübecker, aber mit besserer Wertung. […]