Frauenpower fürs Schach

Olga Birkholz wird als DSB-Präsidentin kandidieren. Das kündigte die Vizepräsidentin Sport des Deutschen Schachbunds jetzt in einer E-Mail an führende Funktionäre an. Zuletzt, vor dem Rückzug von Christian Kuhn, hatte Birkholz gegenüber dieser Seite mitgeteilt, sie halte sich nur für den Fall bereit, dass beim anstehenden Kongress des Schachbunds kein Kandidat eine überzeugende Mehrheit erzielt.

Obendrein gibt es eine Kandidatin für das vakante Referat Öffentlichkeitsarbeit: Anna Maria Mondry aus Düsseldorf hat angekündigt, sich zu bewerben. Nach Sandra Schmidts Kandidatur fürs Referat Breiten- und Freizeitsport ist das schon die zweite Bewerbung einer jungen (!) Frau (!) für ein Amt im Schachbund.

Olga Birkholz. | Foto via Schachbund

Die Personalkonstellation rund um Birkholz’ Kandidatur ist pikant, sie repräsentiert eine Gegenkandidatur aus dem amtierenden Präsidium heraus. Dort war Olga Birkholz von Beginn an außen vor gewesen. Als einziges Präsidiumsmitglied ist Birkholz nicht für den Schachbund vertretungsberechtigt, öffentlich warf ihr ihr Präsident fehlende Teamfähigkeit vor. Mancher Bericht des Präsidiums an Funktionäre war ausschließlich von den drei Herren gezeichnet, nicht von der einzigen Frau.

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Würde sie nun die Wahl gewinnen, wäre sie die erste Präsidentin in der gut 140-jährigen Geschichte des Schachbunds. Als ihren Vizepräsidenten Finanzen fände Birkholz wahrscheinlich den Krause-Intimus Carsten Schmidt aus Berlin vor. Von dessen Amtszeit als Chef des Arbeitskreises der Landesverbände ist (zumindest am Bodensee) neben Stillstand in erster Linie in Erinnerung geblieben, dass er es für angemessen hielt, Birkholz in einer Rundmail an andere Funktionäre wegen ihres nicht lupenreinen Deutschs zu verspotten (Birkholz ist keine Muttersprachlerin).

Gute Nachricht für Ullrich Krause

Birkholz hat angekündigt, unabhängig vom Ausgang der Wahl ihr Amt als Vizepräsidentin Sport und als Ausbildungsrefentin niederzulegen. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte als Präsidentin hat sie vor einigen Wochen auf Anfrage dieser Seite benannt: engagiert gelebtes Ehrenamt, Ausbildung und nicht zuletzt der Sport. Birkholz hat angekündigt, es zu akzeptieren, sollten diese Schwerpunkte nicht das Interesse der Delegierten wecken.

Genau das ist es wahrscheinlich, worauf sie sich einstellen muss. Wer sich anschaut, über welchen Fragen die Delegierten bei den Kongressen der jüngeren Vergangenheit gebrütet haben, der stellt fest, dass sich das Interesse der Schachbeamten fürs Erzeugen von Engagement, für Ausbildung und für den Sport stark in Grenzen hält.

Für Ullrich Krause ist Birkholz’ Kandidatur wahrscheinlich eine gute Nachricht. Unlängst im Gespräch mit dieser Seite hat Michael S. Langer erklärt, dass die Katastrophen und Kriege der zurückliegenden Krause-Fenner-Jahre zwar im Schach außerhalb des DSB, aber eben nicht intern einen Wunsch nach Veränderung ausgelöst haben. Unter den Delegierten registriert Langer “eine kleine Unzufriedenheit”, verbunden mit dem Wunsch, Krause zwar im Amt zu belassen, ihn aber mit einem schlechten Wahlergebnis abzustrafen.

Sandra Schmidt. | Foto: SC Wittstock

Im bislang nicht veröffentlichten Teil des Interviews erklärte Langer, für den Amtsinhaber sei eine Wiederwahl mit Gegenkandidaten leichter zu bewerkstelligen als ohne, da unter den Delegierten zwar Unzufriedenheit, aber kein Wechselwunsch besteht. Wer nun den Präsidenten mit einer Gegenstimme abstrafen wolle, müsse damit rechnen, dass andere Delegierte dasselbe tun, und plötzlich wäre jemand anderes gewählt, was das präferierte Prinzip des “Weiter so” erschüttern würde.

Das Präsidentenamt ist nun neben dem Referentenamt für Breiten- und Freizeitsport das einzige, für das es zwei Kandidat:innen gibt. Schon vor der Kandidatur von Sandra Schmidt (siehe dieser Bericht) hatte Wolfgang Fiedler seinen Hut in den Ring geworfen. Dem Turnierveranstalter schwebt vor, Turniere und Schulungen zu veranstalten. Außerdem fehlen ihm Schach-Schulungsinhalte im Internet. Die Bewerbungen sind auf der Kongress-Seite beim Schachbund einzusehen.

Anna Maria Mondry ist die wahrscheinlich einzige aller Kandidat:innen für alle Ämter, die keinem Schachverein angehört. Aber sie fühlt sich einem verbunden, dem SC Düsseldorf Garath 1973, in dem ihr Vater aktives Mitglied ist. Sobald die Lage gemeinsames Spielen und Begegnungen möglich mache, wolle sie einem Verein beitreten, teilt Mondry mit.

Anna Maria Mondry. | Foto: privat

In einer Rundmail an Funktionäre freut sich Ullrich “Glücksfall” Krause, eine qualifizierte Bewerberin gefunden zu haben. So eine Aussage zum Schleudersitz unter den Referentenstühlen (mehr zur jüngeren Geschichte des Referats Öffentlichkeitsarbeit in diesem Bericht) lässt den Beobachter stutzen. Aber Krause könnte Recht haben. In ihrer Kandidatur schreibt Mondry, sie sei “seit gut zehn Jahren in der Kommunikations- und Medienbranche” tätig. Gemeint ist damit ihre Arbeit in der Dokumentation beim Handelsblatt und dessen Magazin. Überdies beherrscht die Übersetzerin Mondry acht Sprachen, darunter Norwegisch und Polnisch.

Ihre Ziele als Öffentlichkeitsreferentin lägen primär darin, Frauen und den Nachwuchs in Vereinen zu fördern. Dazu käme etwas, das der DSB seit Inkrafttreten seines Leitbilds vor 19 Jahren (und wahrscheinlich auch vorher) vollständig ignoriert: “Diesen schönen Sport noch mehr im Bewusstsein der Allgemeinheit zu etablieren.”


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