Weltmeister Magnus Carlsen, die WM-Kandidaten Ian Nepomniachtchi und Anish Giri sowie der Bankangestellte Georg Meier sind unter den schachlich bekanntesten Teilnehmern der ersten FIDE-Unternehmensweltmeisterschaft. 284 Teams aus 78 Ländern mit etwa 1500 Spielern haben sich angemeldet, darunter zahlreiche Teams, die für bekannte Konzerne stehen: Bosch, Airbus, Microsoft, Amazon, Facebook, Siemens und so weiter.
Hinsichtlich seiner Vernetzung in der Geschäftswelt, auch hinsichtlich potenzieller Partnerschaften ist dem Schach-Weltverband mit einer auf Anhieb derart gewichtig besetzen Meisterschaft ein Coup gelungen. Nach Monaten, in denen Schach im Gespräch war wie nie zuvor, repräsentiert das Turnier ein deutliches Zeichen, in welchem Maße das Schach mit all seinen positiven Attributen von Unternehmen als attraktiv empfunden wird.
Unter den Favoriten ist ein deutsches Team, das der Grenke–Bank mit Kapitän und Hahn im Korb Georg Meier am Spitzenbrett. Nominell ist Team Grenke (Frauenanteil: 75 Prozent) an zwei gesetzt, nach Eloschnitt nur übertroffen von der russischen Sberbank, die am ersten Brett Ian Nepomniachtchi aufbietet. Taktisch aufgestellt hat das niederländische Unternehmen Optiver, das Anish Giri unterstützt. Der Co-Sieger von Wijk an Zee und Siebte der Weltrangliste spielt am vierten Brett der Optiver-Mannschaft.
Etwa 35 Großmeister werden teilnehmen, neben Weltmeister Carlsen (der für Kindred spielt, Mutterkonzern seines Partners Unibet) womöglich auch die Nummer zwei der Welt. Fabiano Caruana ist dem Softwarekonzern Workday verbunden (8.200 Mitarbeiter, gut zwei Milliarden Dollar Jahresumsatz). Kurz vor Turnierbeginn am 19. Februar war laut FIDE noch offen, ob Workday Caruana nachmeldet – und damit den Eloschnitt seines Viererteams gewaltig anhebt.
Freilich kann nicht jedes teilnehmende Unternehmen beliebig Großmeister nominieren. Die Regeln besagen, dass maximal ein Gastspieler erlaubt ist, während alle anderen Spieler für das Unternehmen arbeiten müssen. Außerdem ist pro Team nur ein Spieler jenseits der 2500 Elo erlaubt. Gespielt wird in Vorrunde (Schweizer System) und Endrunde (K.o.) auf chess.com, das die Meisterschaft gemeinsam mit der FIDE ausrichtet. Bedenkzeit: 10+2.
Während die russische Sberbank (Nepomniachtchi) und Optiver starke Schachmeister sponsern, beschäftigen andere Unternehmen Träger des GM-Titels als Teil ihrer regulären Belegschaft. Die Grenke-Bank etwa, deren Großmeister Georg Meier gern damit kokettiert, er sei ja nur ein Bankangestellter. Andere Unternehmen finden ihre Großmeister oberhalb der Hierarchieebene der einfachen Angestellten. Das gilt speziell für das equadorianische Telekommunikationsunternehmen „Telconet“. Dessen CEO ist Johan Hellsten, einst ein sehr starker Großmeister, der zumindest nominell immer noch bei 2550 Elo steht. Er wird für Telconet das erste Brett besetzen.
Und damit nicht der einzige CEO unter den Teilnehmern sein. In dieser Hinsicht lohnt aus deutschsprachiger Perspektive ein Blick auf die österreichische Erste-Gruppe, das größte Bankhaus im Alpenstaat. Dessen Vorstandsvorsitzender heißt Bernhard Spalt, Elo-Bestwert 2049. Spalt wird für seine Bank am virtuellen Brett sitzen.
Nicht ganz an der Spitze, aber immerhin im Vorstand des Unternehmens ist der französische Großmeister Joël Lautier, einstiger Jugend- und Juniorenweltmeister, zweifacher Kasparow-Besieger. Lautier hat Mitte der 2000er-Jahre das Brett an den Nagel gehängt, um in die Welt der Finanzen einzutauchen. Seit Jahren schon lebt Lautier in Russland. Bei der Unternehmens-WM wird er am zweiten Brett seiner Bank ein kurzes schachliches Comeback geben.
Mehr als ein Dutzend deutsche Unternehmen/Dependancen nehmen teil, vom Weltkonzern Bosch über Google Deutschland bis zur altehrwürdigen ZEIT, einst herausgegeben von einem Schachspieler namens Helmut Schmidt. Im ZEIT-Team für die Unternehmensweltmeisterschaft finden wir neben Reportagegroßmeister Ulrich Stock den FIDE-Meister Johannes Fischer, der anscheinend den Platz des Gaststpielers einnimmt. Auch die ZEIT hätte auf einen Großmeister zurückgreifen können, auf Helmut Pfleger nämlich, der seit mittlerweile fast 40 Jahren im Wochentakt seine Schachkolumne für die Hamburger verfasst.
„Machen Sie mit bei dieser Feier der Intelligenz“, hatte FIDE-Präsident Arkadi Dvorkovich für die „Corporate Championship“ geworben. „Gemeinsamer Sport fördert die Teambildung, die Verbindung zwischen den Mitarbeitern und trägt zu einem positiven Arbeitsumfeld bei. Beim Schach trainieren die Mitarbeiter nützliche Fähigkeiten wie Entscheidungsfindung, kreatives Denken und die Fähigkeit, einige Schritte voraus zu berechnen. All dies in einem wettbewerbsorientierten, aber unterhaltsamen Umfeld.“
Eine VIP-Reise zum WM-Match 2021
Dvorkovich stellte den Teilnehmern eine Chance in Aussicht, „durch Sport neue Kunden und Geschäftsmöglichkeiten zu erreichen und Kontakte zu Führungskräften und Vertretern nationaler und multinationaler Unternehmen aufzubauen“. Dazu das Marketingpotenzial für den künftigen Titelträger, der sich „klügstes Unternehmen der Welt“ oder dergleichen nennen könnte.
Das Gewinnerteam wird zum Online-Weltmeister im Unternehmensschach gekürt, während die ersten vier Teams sich jeweils vier Plätze sichern, um an einem Simultan gegen den kommenden WM-Herausforderer teilzunehmen. Zusätzlich gewinnen vier Spieler aus jedem der vier erstplatzierten Teams ein Simultan gegen Weltmeisterin Ju Wenjun. Den Hauptreis, eine VIP-Reise zum WM Match Ende 2021, hat die FIDE nicht an sportlichen Erfolg geknüpft.
Alle teilnehmenden Teams sind aufgefordert, für das Kinderbildungs- und das Veteranenprogramm der FIDE zu spenden. Das Team, das die meisten Spenden für diese beiden Sozialprogramme des Weltverbands sammelt, wird drei Tage lang bei freier Kost und Logis live dabei sein, wenn Magnus Carlsen seinen Titel verteidigt.
(Titelfoto: chess.com)
Dieser Beitrag ist ein erweiterter Auszug aus der Kolumne “Schachgezwitscher” in der kommenden Ausgabe der Rochade Europa.
Hat man denn die NnuE-Datenautomaten GmbH nur wegen der kleinen Schummelei mit der GPL v3 nicht mehr als smartes Unternehmen von Weltrang auf dem Schirm 😉
Wo hat Conrad Schormann diese ganzen Infos gefunden? Laut chess-results spielt Giri durchaus an Brett 1. Und ich konnte nirgendwo finden, dass es nach der Vorrunde im Schweizer System auch eine KO-Runde gibt. Inzwischen (soweit ich mich erinnere, gestern noch nicht) wurden Teams in (vor allem) E und W sortiert – wohl East und West, wobei Singapore, Indonesien und Australien ein W bekommen: sie wollen wohl lieber morgens gegen Amerikaner spielen als nachts gegen Europäer. Erwähnenswert auch Brett 2 von Sovcombank: der laut chess-results titellose Joel Lautier, Elo 2658. Den GM-Titel hat er wohl verschwiegen, er ist tatsächlich seit Jahren… Weiterlesen »
[…] Grenke-Bank hat die Weltmeisterschaft der Unternehmen gewonnen. Im Finale siegten Georg Meier, Alina Kashlinskaya, Hanna Marie Klek und Inna Agrest gegen […]