Den ersten Sieg im Visier

Für Alexander Donchenko könne es in Sachen Eröffnung ein Vorteil sein, spontan ins Feld des Tata Steel Chess gerutscht zu sein, meint dessen Mannschaftskamerad Georg Meier. Die Weltklassegegner würden keine Zeit haben, Schwächen in Donchenkos Repertoire ausfindig zu machen und gezielt den Finger in diese Wunden zu legen.

Bislang sah es tatsächlich danach aus. Richtig schiefgegangen ist eröffnungstechnisch nur eine der bisherigen acht Partien, als Donchenko ebenso wie sein Gegner David Anton Gespenster am Königsflügel spuken sah. Ansonsten ist Donchenko mit Schwarz nur einmal unter leichten Druck geraten, gegen Magnus Carlsen. Mit Weiß verabreichte Donchenko gar dem Polen Radoslaw Wojtaszek nach einer Neuerung im Najdorf eine sizilianische Massage.

Zwar gingen zwei Weißpartien verloren, aber das lag nur bedingt an der Eröffnungswahl. Gegen Fabiano Caruana wollte Donchenko zu früh zu viel, gegen Alireza Firouzka ließ er sich auf ein messerscharfes Gefecht ein, das so oder so hätte enden können.

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Speziell die Partie gegen Firouzja spiegelte nicht, wie Donchenko die überwiegende Mehrheit seiner Weißpartien anlegt: strategisch, positionell, weder ultrascharf noch geprägt von krassen Ungleichgewichten.

Donchenkos Partie der achten Runde. Klick auf “Play” startet das Video.

Strategisch wie gewohnt wollte Donchenko in der achten Runde dem Norweger Aryan Tari beikommen, den nominell “schwächsten” Spieler des Turniers. Auf dem Brett stand ein Katalane, und auf g2 stand ein weißer Läufer bereit, um die katalanische Damenflügelmassage des Weißen zu unterstützen.

Tari steuerte die Partie in ein katalanisches Abspiel, das Donchenko schon zwei Mal auf dem Brett gehabt hatte. In beiden Vorgängerpartien hatte sich der Deutsche mit einem schnellen Remis begnügen müssen, Grund genug für Tari, dieselbe Frage zu stellen wie seine beiden Vorgänger.

Und, siehe da, Alexander Donchenko hatte keine Antwort parat, zumindest keine überzeugende. In diesem Abspiel steht nun eine dritte Donchenko-Weißpartie in den Datenbanken, die bald ins Remis austrudelt, und wir sehen, dass die Teilnahme an einem Superturnier ohne Vorbereitung eben auch Schattenseiten hat: Nicht nur den Elitespielern fehlte die Zeit, um gezielt Schachstellen aufzuspüren. Donchenko fehlte sie, um diese Schwachstellen zu beseitigen.

Stand nach der achten Runde, in der Magnus Carlsen überraschend dem russischen Teenager Andrei Esipenko unterlag. Bericht mit kommentierter Partie hier.

Am heutigen Montag ist Ruhetag in Wijk an Zee. Dienstag ab 14 Uhr geht es weiter. Donchenko hat Schwarz gegen Jorden van Foreest. Liveübertragung hier.

(Titelfoto © Jurriaan Hoefsmit – Tata Steel Chess Tournament 2021)

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