Der Fall Pähtz/Lichess: War es Aronian?

Was geschah mit Elisabeth Pähtz’ Lichess-Account, bevor ihn Lichess sperrte? In ihrer nachträglichen Betrachtung des Falles nennt die Zeitschrift Schach jetzt einen Namen. Vermutlich habe sich der Weltranglistensechste und einstige WM-Kandidat Levon Aronian mit Pähtz’ Account ein Späßchen erlaubt, schreibt Schach-Chefredakteur Raj Tischbierek.

Der Tag dieses “Späßchens” war der 8. August, an dem Lichess den Account “ElisabethPaehtz85” während der laufenden Titled Arena sperrte. Während die Besitzerin des Accounts in Paris war, spielte jemand damit von Berlin aus ein auffällig starkes, gleichwohl wechselhaftes Turnier, in dem unter anderem dieser Sieg gegen den russischen 2700er Vladimir Fedoseev gelang:

Später stellte sich heraus, dass Fremde schon seit Tagen Zugriff auf Pähtz’ Lichess- und Youtube-Account gehabt hatten, ohne ihre Beteiligung Videos auf ihrem Youtube-Kanal gelandet waren, und dass in den Tagen zuvor mit hoher Wahrscheinlichkeit Cheating in Form von Engine-Hilfe im Spiel gewesen war. Offenbar war der Account deswegen bei Lichess schon auf eine rote Liste geraten. Ebenfalls auf die rote Liste war er bei Matthias Blübaum und Rasmus Svane geraten. Als Folge des Falles Pähtz erklärten die beiden Nationalspieler, nicht mehr Teil einer Mannschaft sein zu wollen, der Pähtz angehört.

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Rätselhaft blieb das Spiel von “ElisabethPaehtz85” am 8. August in der Titled Arena, das eher nach einem sehr starken menschlichen Spieler aussah, einem sehr starken Spieler allerdings, dem gelegentlich erstaunliche Fehler unterlaufen. Wir haben das seinerzeit dokumentiert:

Schon in jener Berichterstattung war diese Seite nahe daran, den Namen Aronians als Hauptverdächtigen ins Spiel zu bringen. Aus Pähtz’ Umfeld war zu hören, er sei mit dem Schönheitschirurg befreundet, der Zugriff auf Pähtz’ Accounts hatte – und diesen Zugriff offenbar nutzte, um in seinem Freundeskreis falsches Spiel mit ihren Accounts zu treiben. Auch sei Aronian am fraglichen Tag in Berlin gewesen (wo er einst gewohnt hat) und habe den Mann getroffen. Fotos in den Sozialen Medien belegten das. Überdies tauchte schließlich ein erstaunlich detaillierter Post im Lichess-Forum auf, der den Verdacht erhärtete.

Allein, die angeblich auf Facebook und Instagram einsehbaren “Beweisfotos” waren nicht (mehr?) zu finden. Tatsächlich hat Aronian am 7. August seine neue Freundin der Facebook-Öffentlichkeit vorgestellt, aber diesem Beitrag ist nicht zu entnehmen, dass er in Berlin geschrieben und fotografiert worden wäre.

Սիրելի ընկերներ, Այս տարին անտանելի բարդ տարի էր ինձ համար: Տարի, որը անհասկանալի կերպով փոխելու է մեր կյանքը:…

Gepostet von Levon Aronian am Donnerstag, 6. August 2020

Wäre Aronian der Falschspieler, würde das bedeuten, dass die Nummer sechs der Welt nicht versteht, dass unberührte, makellose Accounts für normalsterbliche Schachprofis von existenzieller Bedeutung sind (und von ihrem Besitzer, Pähtz’ Versäumnis, so behandelt werden sollten). Sich damit ein “Späßchen” zu machen, wie es tatsächlich aus dem Pähtz-Umfeld kolportiert wird, sollte sich für einen professionellen Schachspieler von selbst verbieten. Der Schreiber dieser Zeilen fand es schwer vorstellbar, dass ein Weltklassegroßmeister die Online-Präsenz eines Spielers aus der 2500-Liga mit Füßen tritt, und der Name Aronian blieb an dieser Stelle ungenannt.

Keine Stellungnahme von Aronian

Bis jetzt. Nun sieht es aus, als habe die Zeitschrift Schach im Fall Pähtz Informationen, die verlässlich genug sind, um einen der ganz Großen unseres Spiels mit dem falschen Spiel auf Elisabeth Pähtz’ Lichess-Account in Verbindung zu bringen. Woher die Information stammt, wollte Raj Tischbierek auf Anfrage dieser Seite nicht preisgeben: “Da stehe ich im Wort.” Eine Anfrage dieser Seite bei Levon Aronian am Montag blieb bis zum Erscheinen dieses Beitrags unbeantwortet.


In der Zwischenzeit hat der Cheating-Hammer auf Lichess einen weiteren prominenten Schachspieler getroffen. Der Account des einstigen Juniorenweltmeisters Parham Maghsoodloo wurde während des “Levitov Chess Christmas Cup” gesperrt. Die Lichess-Administratoren hatten wegen des offenbar schon länger bestehenden Verdachts gegen den Iraner die Turnierorganisatoren gebeten, die Ergebnisse nicht unmittelbar nach Ende des Turniers zu melden. Tags darauf schloss die Seite den Account.

Juniorenweltmeister 2018 Parham Maghsoodloo. | Foto: FIDE

(Titelfoto via Lennart Ootes/Norway Chess)

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Stefan Meyer
Stefan Meyer
3 Jahre zuvor

Entweder die Perlen vom Bodensee wagen es selbst, öffentlich die Vermutung zu äußern, Levon Aronia könnte den Lichess Account von Elisabeth Pähtz missbräuchlich genutzt haben – dann wäre die Überschrift des Beitrags richtig gewählt.

Oder aber es geht in diesem Beitrag lediglich um das Zitieren der Zeitschrift Schach (ohne sich deren Sichtweise notwendigerweiser vollständig anzueignen). Dann hätte die Überschrift des Beitrags jedoch so lauten müssen:

Zeitschrift Schach zum Fall Pähtz/Lichess: “War es Aronian?”

ThomasE
ThomasE
3 Jahre zuvor

Vielleicht war es auch der Weihnachtsmann, der hatte ja schließlich nicht viel zu tun im Sommer…
Ein im Lichess-Forum anonym gepostetes Statement als verdachterhärtend zu bezeichnen, finde ich in der Tat etwas ungewöhnlich.

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[…] kommen wahrscheinlich die Schachfreunde Matthias Blübaum und Rasmus Svane, die nach Pähtz‘ Lichess-Affäre das Zusammenspiel mit Pähtz bei der Online-Olympiade verweigert hatten und seitdem nichts […]

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[…] worden) – die Basis für eine Verbindung, die im vergangenen Jahr weder die Twitter-Affäre, die Lichess-Affäre noch das Leistungssportdebakel zu erschüttern vermochten. Das DSB-Spitzenduo und die deutsche […]