Wer Schach liebt und gerne darüber redet, was wir für unser Spiel tun können, ist beim Schachkongress falsch. Dort treffen sich in erster Linie Verwaltungsleute, die gerne Satzungs- und Verfahrensfragen erörtern und um die Paragrafen-Interpretationshoheit wetteifern.
Aber das mag sich in den kommenden Jahren ändern. Einen Strohhalm der Hoffnung finden wir im zweitägigen Kongressgeschehen durchaus: Selten (nie?) haben sich so viele junge Leute eingebracht. Zahlreiche bunte Punkte spickten das Magdeburger Feld des ergrauten Gestaltungsvakuums.
Noch sind die bunten Punkte in der Minderheit, und so wurde nicht der von der Niedersächsischen Schachjugend geprägte “Micdrop” zum bestimmenden Begriff des Kongresses. Einen solchen bejubelte die norddeutsche Truppe via Twitter, sobald der Verhandlungsführer der Kreativabteilung wieder den Schatzmeister oder Rechtsberater der Verwaltung vorgeführt hatte. Und doch bleibt am Ende der Veranstaltung nicht in erster Linie das Jugendwort “Micdrop”, sondern der Verwaltungsbegriff “Antrag auf Nichtbefassung” hängen.
Die zentralen Fragen
Der steht für ein Instrument, das die Verwaltungsleitung einsetzen kann, um über unangenehme Dinge gar nicht erst reden zu müssen. Würde zum Beispiel jemand beantragen, beim Schachkongress juristisches Vokabular zu verbieten – einer derartigen Unverfrorenheit ließe sich mit einem Antrag auf Nichtbefassung vorbeugen. Als Helfer für die Nichtbefassung sitzen in der ersten Kongressreihe die Ehrenverwalter, die zuverlässig dann den Arm heben, wenn es gilt, etwas zu verhindern, das ihren Nachfolgern im Amt nicht passt.
Rund ums deutsche Schach sind einige zentrale Fragen zu erörtern. Zum Beispiel die vom Präsidenten wiederholt vorgebrachte, warum unsere Verwaltung nach außen so doof dasteht, und was zu tun wäre, um ihr ein freundliches, offenes Antlitz zu geben. Oder die, wie Verwaltung und Vereine gemeinsam einen Teil der vielhunderttausendköpfigen Schar der Onlineschachspieler für sich gewinnen können. Oder die, warum Schach seit Jahren die einzige Sportart ist, die den “Deutschen Meister” im nationalen B-Turnier ermittelt. Oder die, wie wir Infos und Daten zur größten Veranstaltungsreihe des Jahres für Berichterstatter zugänglich machen:
Über solche Sachen wurde nicht geredet, dafür ausgiebig über eine sehr unangenehme: Die Verwaltungsleitung ist der Aufassung, dass die hauptamtlichen Mitarbeiter des Schachs nicht gemeinsam unter einem Dach an einer gemeinsamen Sache arbeiten sollten. Die Debatte darüber führte das wichtigste deutsche Schachorgan über Trennwand und Teeküchen-Nutzungsverbot zur Frage, ob es denn wenigstens möglich ist, dass sich Kreativabteilung und Verwaltung eine Toilette teilen.
Vizepräsident Boris Bruhn bleibt im Amt
Der “Antrag auf Nichtbefassung” des Rechtsberaters war gescheitert, und so musste die unangenehme Angelegenheit nun einmal erörtert werden. Wir verstehen nur zu gut, dass Ullrich Krause und Boris Bruhn es an diesem Tiefpunkt des deutschen Schachs vorzogen, verschämt den Blick auf ihre Bildschirme zu senken, anstatt aufrecht ins Auditorium zu schauen. Die beiden Herren würden es nie zugeben, aber vielleicht ist ihnen an dieser Stelle insgeheim aufgegangen, in welchem Maße sie beim Kurz- und Kleinfennern der Kreativabteilung fehlgeleitet und fremdgesteuert sind. Vielleicht sogar, dass das Schach eine gemeinsame Sache ist, kein “wir gegen die”.

wünscht sich einen veritablen Buchhalter
an der Spitze des DSJ e.V. | Foto: DSB
Kreative sind unverzichtbar, Leute, die akkurat Formulare ausfüllen, auch. Beim Schatzmeister und beim Geschäftsführer ist ein Streben nach einem harmonischen Zweiklang dieser beiden Elemente auch in Zukunft nicht zu erwarten; jemand müsste sie dahin führen. Als die Toilettensache geklärt war, haben beide Herren dem Vernehmen nach noch in der laufenden Versammlung darauf gepocht, dass die Kreativabteilung nun in erster Linie einen veritablen Buchhalter einzustellen hat.
Bei einer anderen unangenehmen Sache funktionierte der “Antrag auf Nichtbefassung” besser. Boris Bruhn, Vizepräsident für Verwaltungsentwicklung, sollte auf Wunsch Niedersachsens und Badens abgewählt werden. Uwe Pfenning aus Baden stand bereit, den Job zu übernehmen.
Niedersachsens Schachpräsident Michael S. Langer war bis dahin nach Beobachtung seiner Jugendorganisation in erster Linie aufgefallen, indem er erst eines der drei Mikrofone im Saal zerstörte und dann in der Pause vergeblich nach Kaffee suchte. Nun hätte er sich gerne in der von ihm mitbetriebenen Causa Bruhn eingebracht, aber es wurde gar nicht erst darüber geredet. “Nichtbefassung” beschloss die Versammlung mit einem knappen Votum.
Die Abwahl-Anträge hatten von Beginn an daran gekrankt, dass ihnen eine Begründung fehlte. Anstatt das Werk Bruhns kritisch zu beäugen, fragte jeder, der sie sah: “Ja, warum wollt ihr ihn denn abwählen?” Ein einfacher Passus wie “Unter Bruhn ist keine Verwaltungsentwicklung zu erkennen” hätte diesen Makel beseitigt.

Und es stimmt ja in weiten Teilen. Die wahren Gründe sind natürlich dennoch vielschichtiger. Uwe Pfenning gilt nicht als handlungsstarker Macher, aber mit einem Vizepräsidenten Pfenning wäre jemand in die polarisierende Fenner-Krause-Riege eingezogen, der mit Leuten auf beiden Seiten des Grabens spricht, bevor er urteilt. So eine potenzielle Integrationsfigur in einem linientreuen Apparat zu installieren, könnte der Anfang eines Neubeginns sein. Sie ließe sich auch als Sprengsatz nutzen.
Kongressbroschüre: kein Untersuchungsausschuss
Die Abwahlanträge gegen Bruhn spiegeln auch das Megathema des außerordentlichen Kongresses: den Umgang der Verwaltung mit ihrer Jugendorganisation und deren ehemaligem Geschäftsführer. Wer sich unter Leuten umhört, die dem Jugendschach verbunden sind oder sich darin engagieren, der hört oft den Vorwurf des Opportunismus und der Illoyalität: Als Protegé und Freund Schulz’ sei Bruhn schnell an die Spitze des Hamburger Schachverbands aufgestiegen, an die Spitze des Schulschachstiftung e.V., dann ins DSB-Präsidium. Dort angelangt, habe er sich ohne Zögern das Bestreben anderer zu Eigen gemacht, seinen Förderer abzusägen.
In dieses Bild passt, dass Bruhn es während des laufenden Kongresses enorm eilig hatte, der Welt die bevorstehende Trennung vom Angestellten Schulz mitzuteilen. Verhandler Andreas Jagodzinsky hatte die mögliche Kompromisslösung mit Schulz als externem Berater gerade erläutert, da stand sie schon auf Bruhns Twitter-Account, der den Kongress bis dahin eher träge begleitet hatte. Beschlossen war der Kompromiss zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht.

Unangenehm hätte auch ein Untersuchungsausschuss wegen “Veränderungen der Kongressbroschüre durch die Geschäftsstelle” werden können. An mehreren Stellen hatte die fast 300-seitige Kongressbroschüre nicht den eingereichten Originaldokumenten entsprochen. Aber der Kongress lehnte mehrheitlich ab, die Sache untersuchen zu lassen. Ein “Antrag auf Nichtbefassung” war nicht nötig, die Leute wollten nach Hause.
Beschlüsse des Kongresses beim Schachbund
Kongressbericht beim Schachjugend e.V.
Gipfelbericht bei der FIDE
Gipfel- und Kongressbericht bei chess24
Gipfel- und Kongressbericht in der FAZ
Gipfel- und Kongressbericht beim Niedersächsischen Schachbund
Kongressbericht bei der Schachjugend Schleswig-Holstein
“Die Debatte darüber führte das wichtigste deutsche Schachorgan über Trennwand und Teeküchen-Nutzungsverbot zur Frage, ob es denn wenigstens möglich ist, dass sich Kreativabteilung und Verwaltung eine Toilette teilen.”
Ich dachte eben, ich lese den “Postillon”.
[…] tut, wenn Fragen im Raum stehen, die ihr nicht gefallen, haben wir unlängst beim Kongress gesehen: Nichtbefassung. Eine solche droht nun einmal mehr. Dem Vernehmen nach hat Verwaltungspräsident Ullrich Krause […]
[…] 2020 hatten DSB-Geschäftsführer Marcus Fenner und -Schatzmeister Hans-Jürgen Weyer unisono gefordert, die Schachjugend müsse nun in erster Linie einen veritablen Buchhalter einstellen. Seitdem läuft […]
[…] – und drohen mit einem Mittel, das aus unseligsten Fenner-Krause-Zeiten in Erinnerung ist: die „Nichtbefassung“. Sollte der Antrag tatsächlich auf den Tisch kommen, soll er mit einem „Antrag auf […]
Bin im Augenblick tiefenentspannt. Die DSJ e.V. hat die Freiheit, die ich ihr von Herzen gewünscht habe (und muss lernen mit dieser zu leben), dafür musste man als bittere Kröte den Umgang mit Jörg Schulz schlucken, was ich und viele weitere Leute sehr bedaueren.
Der DSB hat sich wieder einmal suboptimal präsentiert, ich wünsche ihm gute Besserung und das meine ich absolut ernst, denn das ist für das deutsche Schach absolut nötig.
Der 1. DSJ-Vorsitzende kommt mit dem DSB-Präsidium auch nicht klar.
Die scheinen irgendwie komisch zu sein.
Und bei den Landesfürsten konnte das DSB-Präsidium auch nicht überzeugen, das ist schon sehr komisch.
Irgendwie machen die etwas grundlegend falsch und merken das noch nicht mal.
Sprecher der Präsidenten erklärt der Fachwelt was auf dem Kongress ablief.
Zitat Homepage Niedersachsen :
Unser Präsident, Michael S. Langer, hat ChessBase ein Interview gegeben und geht dabei auf den DSB Bundeskongress vom letzten Wochenende ein.
Wenn es interessiert kann man ja mal rein schauen , viel Spaß. An dem Interview erkennt man wie die LV-Präsidenten sich um unseren Schachsport national bemühen. Mal schauen was die Bezirksvorsteher aus dem Interview mitnehmen können für die weitere Corona- Pandemie Bewältigung.
Hab vor 5!! Wochen eine Mail an meinen Schachbezirk geschrieben bzgl. der Frage wann die Saison fortgesetzt wird bis heute keine Antwort
Da ist echt Potential für Verbesserungen
Ich habe bereits vor 5 MONATEN!! mir die Frage gestellt, wie es mit dem Schachsport weiter gehen soll und bis heute keine verbindliche Antwort bekommen. Ein SKANDAL!1!! Dabei hat noch niemand mit eigenen Augen ohne Mikroskop dieses seltsame C-Virus gesehen. Dann gibt es das vielleicht überhaupt nicht???? Für meinen Verein habe ich ein Hygienekonzept ohne Maskenpflicht erstellt und den Spielbetrieb offiziell wieder eröffnet. Aber seit Wochen finden sich inklusive meiner Person maximal 2 Personen zum Vereinsabend ein. Ich fordere endlich klare Aussagen was die Zukunft des Spielbetriebs allgemein und die meines Schachclubs im Besonderen betrifft!!1!elf! Da ist echt Potential für… Weiterlesen »
Also das Virus existiert schon alles andere sind schon Verschwörungen. Aber die Frage ist, ob das Virus wirklich gefährlicher ist als die Grippe ?? – Ich habe nichts dagegen riesige Feste zu verbieten, aber kleine Vereinsabende mit 20-30 Leute sollten erlaubt sein. Sebasti Kurz meint ja angeblich der Sommer 2021 werde es wieder normal – Problem das wären 1.5 Jahre Corona Hysterie bis dahin brauchen viele Vereine gar nicht mehr aufzumachen .
Wo bleiben eig. die Versprochenen Lockerungen – der angeblich so wichtige R Wert ist unter eins !! Lockerungen her !!
Ok, ich bin raus, die ‘C-Skeptiker’ gehen mir nur noch auf die Nerven. Das hier ist ohnehin off-topic.
Ich wünsche der Schachjugend eine glücklichere Zeit als es die vergangenen Monate waren. Der Anfang ist gemacht.
Deinen Kommentar vor diesem fand ich großes Kino 😉 Haben nur der Daumen-hoch-runter-Ratio nach nicht alle gemerkt. Und Schachfreund “David” hat sich gerade unter einem anderen Artikel die erste Spam-Markierung eingefangen. Du hast Recht, es wäre schön, würde jetzt mal eine neue Schallplatte aufgelegt.
Hallo sehr geheerter Herr Autor, Würde mich auch freuen, wenn man mal eine andere Schallplatte aufsetzen könnte, aber fakt ist das normale Schach für Amateure steht seit einem halben Jahr still, wobei es ja Hoffnung auf Besserung gibt. Wenn man so die Seiten der Landesverbände aufruft scheint überall vorhergesehen zu sein, die Saison dieses Jahr noch zu beenden – fast überall nur Hessen steht nichts ? Wäre mal interessant dazu einen Bericht was jetzt in welchem Bundesland gemacht wird. Dazu natürlich besonders aus der Sicht der Spieler so hätte ich bei einer Saison 20/21 höchstens 2 Partien gespielt in 1,5… Weiterlesen »
Ein Vergleich, was in welchem Bundesland passiert, wäre tatsächlich eine gute, potenziell erhellende Geschichte. Kann ich nur nicht leisten, zu aufwändig. Vielleicht machen der Schachbund oder ChessBase das ja mal, es bietet sich ja an. Zwischenrunden in verschiedener Form soll es wohl in verschiedenen Ländern geben.
Mich stört ein wenig der Schrei nach Autoritäten und Institutionen. Ganz viel hängt an Vereinen und Spielern selbst. Als Verein guckst du, was geht, und organisierst im Rahmen des Machbaren Spielmöglichkeiten. Als Spieler stellst du fest, dass es wieder Turniere gibt, suchst dir eines aus und fährst hin.
Hessen hat die vergangenen Monate via Verbands-Homepage immer wieder kommuniziert, mit der Entscheidung abzuwarten.
Abwarten immer das selbe alle Bundesländer haben inzwischen Entscheidungen gefällt nur die nicht was läuft da schief ?
Hier 2 Beispiele
Bayern( Land mit den höchsten Infektionen und Söder dem wohl härtesten Einschränker https://www.schachbund-bayern.de/index.php?id=53&tx_ttnews%5Btt_news%5D=902&cHash=252eb17ca5ba94e0fcfe6fd9f23a567e
und Saarland dem kleinsten https://www.ssv1921ev.de/index.php/hygimenue.html
Subtile Anmerkungen, Ironie und Sarkasmus haben es eh schon schwer im Internet. Und möglicherweise war Deine Antwort auf den TLK – die ich mit einem Schmunzeln gelesen habe – das berühmte «Perlen vor die Säue werfen».
Wir sind hier doch bei den Perlen, oder?! 😉
Übrigens habe ich auf der Suche nach einer Definition für diesen Neuland-Begriff mehr als nur Schmunzeln müssen:
https://acronyms.thefreedictionary.com/TLK
Mein Fehler ;-). Zu viel #ichbinhier und Counter Speech…
TLK=Top Level Kommentar
SLK = Sub…