Blübaums Bergfest beim Gipfel

Mehr als die Hälfte des German Masters ist gespielt, und wir haben einen neuen Spitzenreiter. Mit einem Sieg über Liviu Dieter Nisipeanu hat Matthias Blübaum nach seiner Kür zum Deutschen Blitzschach-Meister nun die Führung beim Masters in Magdeburg übernommen. Weil parallel Alexander Donchenko Niclas Huschenbeth unterlag, steht Blübaum drei Runden vor Schluss mit drei Punkten aus vier Partien alleine ganz vorne, verfolgt von Donchenko mit 2,5 Punkten.

So sah es nach etwa dreieinhalb Stunden auf den Brettern aus. Huschenbeth hat Te3! gefunden. Jetzt droht Tg3, und statt am Königsflügel Spiel aufzuziehen, stellt Schwarz fest, dass er keinen guten Zug hat. Meier wird gegen den fehlgestarteten Fridman nicht mehr als einen halben Punkt holen. Nisipeanu scheint sich gegen Blübaum verrechnet zu haben. Er würde ja gerne e5 einsammeln und den d6-Feibauern zum Schwächling degradieren, aber dazu kommt er nicht mehr. Und Kollars? Klar, der steht platt gegen Heimann. “Plus sechs” sagt die Maschine, da müssen wir gar nicht mehr genau higucken.

Huschenbeth ist im Feld der acht Top-Großmeister der Garant für attraktive Partien und unternehmungslustiges Schach, aber dass er den nach einer wackeligen Auftaktrunde so souveränen Donchenko stürzen würde, war nicht zu erwarten, speziell nicht angesichts des beiderseits hochklassigen Schwarzremis, das Donchenko am Tag zuvor Nisipeanu abgenommen hatte. Doch gegen Huschenbeth kam die deutsche Nummer eins in einem komplizierten Mittelspiel vom rechten Wege ab:

Egal wie es weitergeht, nach so einer Partie wird niemand Huschenbeth vorhalten können, dass er vor einem Turnier dieses Kalibers besser weniger Youtube und mehr Schach gemacht hätte.

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Der Deutsche Online-Meister Daniel Fridman musste nach einem Fehlstart mit 0,5/3 vor seiner Schwarzpartie gegen Georg Meier befürchten, nun eine Zielscheibe auf dem Rücken zu tragen. Aber Meier, eher ein Anhänger der ruhigen Gangart, vermochte mit Weiß nicht den Punch zu entwickeln, der nötig gewesen wäre, um den angeschlagenen Fridman ein drittes Mal auf die Bretter zu schicken.

Der fehlgestartete Daniel Fridman trägt keine Zielscheibe auf dem Rücken, hier ist es deutlich zu sehen. | Foto: Deutscher Schachbund

Dmitrij Kollars, in Abwesenheit Vincent Keymers jüngster Teilnehmer und der einzige mit einem Elo unter 2600, war schon nach der ersten Runde ein Kandidat gewesen, von den anderen als Ziel auserkoren zu werden. Couragiert hatte er Donchenkos Najdorf bekämpft, hatte sein 70 Elo stärkeres Gegenüber am Rande des Abgrunds, aber die extrem scharfe Partie kippte in die andere Richtung. Tags darauf geriet Kollars gegen Blübaums London-System unter schweren Druck, und es wäre keine Überraschung gewesen, hätte der Youngster gleich das zweite Ei gelegt.

Kollars kollabierte nicht, er hielt. Am dritten Tag machte er mit Georg Meier das, was Matthias Blübaum am zweitem mit ihm gemacht hatte. Tief im Endspiel hätte er sich dafür belohnen können:

So oder so, Kollars muss nicht mehr beweisen, dass er in dieses Feld gehört. In der vierten Runde untermauerte er abermals seine Stabilität, die auch ein Rückschlag am Tag zuvor nicht zu erschüttern vermag. Objektiv und durch die Maschinenbrille betrachtet, stand Kollars gegen Andreas Heimann klar auf Verlust.

Aber er ließ nicht nach, fand immer wieder Ressourcen und Aufgaben, die er seinem Gegner stellen konnte, bis ihm eine houdinihafte Flucht in den halben Punkt gelang. DSJ-Mitarbeiter Kevin Högy hat die spektakuläre Partie auf der Seite des Schachbunds ausführlich kommentiert.

Dann war da noch die Begegnung der beiden Verfolger. Würde es zwischen Matthias Blübaum und Dieter Nisipeanu einen Sieger geben, dieser wäre bestens dabei im Rennen um den Turniersieg.


Großmeister Matthias Blübaum, erster Kandidat für den Turniersieg: Einen Titel gibt es im Turnier der stärksten deutschen Schachmeister nicht zu gewinnen. In der Sportart Schach, und nur da, wird der Deutsche Meister im nationalen B-Turnier gekürt. Das ergibt zwar keinen Sinn, ist nach draußen nicht vermittelbar, ist aber trotzdem so, und es gibt keine Anzeichen, dass das jemand ändern möchte. Hätte sechs Jahre nach dem ersten German Masters irgendein Funktionär aus der Schachverwaltung dieses drängende Problem als solches erkannt, würde es beim Kongress auf der Tagesordnung stehen. | Foto: Deutscher Schachbund

Schon ausgangs einer auf Seiten des Schwarzen nicht gänzlich geglückten Eröffnung deutete Blübaum Ambition an:

Bei den Frauen führt mit der einstigen Jugend-Europameisterin Fiona Sieber die eloschwächste Teilnehmerin nicht sensationell, aber doch überraschend. Einen halben Punkt erst hat Sieber abgegeben, gegen Hanna-Marie Klek, und selbst der wäre nicht nötig gewesen:

WGM Klek,H (2296) – WIM Sieber,Fiona (2201)

Schwarz zieht und gewinnt.
(Du willst lösen? Klick aufs Brett.)

Fiona Sieber. | Foto: Arne Jachmann/Deutscher Schachbund
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David
David
3 Jahre zuvor

Schön zu sehen, dass es erste Anzeichen von Normalität wieder gibt. Das Virus wird auf jeden Fall noch ein paar Jahre unter uns bleiben und daran sollten wir uns gewöhnen. Und besser jetzt Tuniere als im Winter, wenn es Schnupfen gibt und die Fenster nicht aufgemacht werden können .

Das Virus wird bleiben gewöhnt euch dran ! Außer die Panikmache hab ich noch keine anderen Auswirkungen gemerkt, aber diese waren unnötig !

29.08 Berlin für unsere Freiheit. Für die Freiheit des königlichen Spiels in Deutschland !!!