Von der Pflicht, Angebote zu machen – Langers Logbuch

Wie kommen wir zurück in einen irgendwie normalen Spielbetrieb? Diese Frage beschäftigt Schachdeutschland seit Wochen. Eine Antwort zu finden, ist unglaublich schwierig, allein schon, weil die für die Organisation des Schachsports Verantwortlichen zwei weit auseinander liegende Positionen in Einklang bringen müssen:

  • Es gibt diejenigen, die am liebsten sofort und nur mit geringen Einschränkungen wieder an die Bretter möchten.
  • Es gibt diejenigen, die sich so gar nicht vorstellen können, in diesen in Bezug auf gesundheitliche Aspekte nicht einzuschätzenden Zeiten in geschlossenen und oft unzureichend gelüfteten Räumen wieder unserem gemeinsamen Hobby nachzugehen.

Diese beiden Extrempositionen decken das Spektrum der zu berücksichtigenden Meinungen und Positionen ab. Damit wird eines klar: Wir werden es nicht allen recht machen können, vielleicht nicht einmal einer deutlichen Mehrheit. Klar ist aber auch: Wir wollen und werden wieder einen Spielbetrieb organisieren. Das ist unser Job.

Vor der Frage nach dem Spielbetrieb steht die nach gesundheitlichen Risiken. Die Antwort darauf müssen unsere politischen Vertreter geben. Sie können auf profunde medizinische Beratung zurückgreifen und setzen auf der Basis der ihnen gelieferten Informationen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für sportliche Wettbewerbe und Aktivitäten.

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Die in den Ländern geltenden Regelungen werden fortlaufend modifiziert, das wird sich in den kommenden Tagen und Wochen nicht ändern, und damit müssen wir arbeiten, so gut es geht. Im Moment gelten beispielhaft für Niedersachsen (Stand 3. Juli) folgende Grundregeln:

Wo darf ich Sport treiben?

Erlaubt ist zum einen die körperliche und sportliche Betätigung im Freien, also auch auf Wegen und Wiesen in Parks und auf Bürgersteigen. Hier gilt: Möglichst alleine, mit den Personen aus dem gleichen Hausstand oder auch in Sport- oder Trainingsgruppen, wenn diese von einer Trainerin oder einem Trainer angeleitet werden. Immer muss jedoch ein Mindestabstand von zwei Metern zu Personen, die nicht dem gleichen Hausstand angehören, eingehaltenwerden. Die Regelung zu 10-Personen-Gruppen (ohne Abstand untereinander) gilt auf Grund des erhöhten Aerosolausstoßes bei der Sportausübung nicht.

Die Nutzung öffentlicher und privater Sportanlagen ist mit unbegrenzter Personenzahl erlaubt. Inzwischen dürfen auch Sporthallen wieder genutzt werden. Die sportliche Betätigung hat aber weiterhin kontaktlos, mit Abstand von zwei Metern (bei Personen, die nicht zum eigenen Hausstand gehören), unter Beachtung der sonstigen Abstands- und Hygienevorschriften und in Hallen auch ohne Zuschauerinnen und Zuschauer zu erfolgen.

Wie ist die Sportausübung möglich?

Die sportliche Betätigung auf allen Sportanlagen – auch Sporthallen – muss zum Schutz vor Corona-Infektionen sehr konsequent kontaktlos und mit einem Abstand von zwei Metern zu Personen erfolgen, die nicht dem gleichen Hausstand angehören. Beim Sport atmen Menschen tiefer aus und ein als im sonstigen Leben. Deshalb können sie potenziell auch beim Ausatmen etwaige Corona-Viren in einem etwas weiteren Umkreis verbreiten.

Sobald die gesetzlichen Regelungen einen großzügigeren Rahmen vorgeben und damit die Möglichkeit, wettkampfmäßig Schach zu spielen, müssen wir Spiel- und Trainingsbetrieb ermöglichen.

Jeder Sportverband steht in der Pflicht, seinen Aktiven Angebote zu unterbreiten. Die Umstände mögen widrig sein, die Kernaufgabe von Verbänden ändert sich deswegen nicht.

Zwei-Bretter-Schach in Hildesheim: Werner Freier (links), Rüdiger Schmoldt und der Mindestabstand. | Foto via Hildesheimer SV

Diejenigen, die spielen wollen, müssen im Fokus unseres Denkens und Handelns stehen. Für sie müssen wir im erlaubten  Rahmen umsetzbare Angebote schaffen. Weil sich die Lage fortlaufend ändert, siehe oben, erwarte ich einen Prozess, der uns in den nächsten Monaten dauerhaft herausfordern wird.

Wer wieder einsteigt, ist willkommen

Diejenigen, die unter den gegebenen Umständen nicht spielen wollen, können wir als Sportverband leider nicht unmittelbar zufriedenstellen. Ihre Ängste und Sorgen nehme ich ebenso ernst wie den Willen derer, so schnell wie möglich ans Brett zurückzukehren. Niemandem, der in dieser Übergangsphase (wie lange sie dauern wird, weiß ich nicht) nicht spielen will, sollte eine wie auch immer ausgestaltete Sanktion drohen. Jeder muss zögern dürfen, jeder sollte für sich entscheiden, was er für vertretbar hält und was nicht. Wer sich heute gegen Spielen entscheidet, kann morgen oder übermorgen wieder einsteigen und sich willkommen fühlen.

Wir Schachspieler bilden einen bunten Mix von Individuen mit unterschiedlichen Ansichten und Meinungen. Das soll so bleiben! Wir brauchen auf allen Seiten Offenheit und Gesprächsbereitschaft, um unsere Vielfalt zu erhalten.

Ich nehme diesen Virus ernst, halte Sicherheitsabstände ein, trage bei Notwendigkeit einen Mundnasenschutz, habe die Warn-App installiert und war ein aktiver Befürworter der Absage von Großveranstaltungen in der Verantwortung des Niedersächsischen Schachverbandes. Kritisch betrachte ich einzelne regional sehr unterschiedlich ausgelegte Regelungen, wie Gruppengrößen und mögliche bzw. nicht mögliche Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen, da sie aus meiner Sicht Ungerechtigkeitsempfinden in der öffentlichen Wahrnehmung geradezu heraufbeschwören. Hier wünsche ich mir eine transparentere und vor allem öffentlichere Vorgehensweise unserer politischen Vertreter.

Für heute wünsche ich Euch/Ihnen vor allem Gesundheit und alles Gute!


Im deutschen Schach gibt es kaum ein Rädchen, an dem Michael S. Langer noch nicht gedreht hat. Von 2003 bis 2015 war er Mitglied des DSB-Präsidiums, seit 2007 ist er Vorsitzender des Niedersächsischen Schachverbands. Außerdem ist Langer mit Sitz und Stimme im Präsidium des Landessportbunds Niedersachsen vertreten. Für die Perlen vom Bodensee führt er “Langers Logbuch”, in dem er in unregelmäßigen Abständen aktuelle Entwicklungen im Maschinenraum des deutschen Schachs beleuchtet.

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acepoint
acepoint
3 Jahre zuvor

«Die Antwort darauf müssen unsere politischen Vertreter geben.» Spätestens seit Laschet/Gebauer/Stamp in NRW mag ich deren Antworten nicht mehr trauen. (Halbfertige) Studien werden so interpretiert, wie es gerade in das politische Kalkül passt. Und sollten kommende Hygienekonzepte zum Coronavirus bei schachlichen Veranstaltungen die gleiche «Qualität» haben, wie z.B. die aktuellen schulischen Konzepte, werde ich wohl noch einige Zeit dem echten Brett fernbleiben. Dort – in den Schulen – stehen nämlich hauptsächlich die Haftungsfragen im Mittelpunkt wie mir scheint. Vorgaben der Ministerien werden buchstabengetreu umgesetzt, unabhängig davon, wie unsinnig oder teils auch gefährlich sie unter Hygienegesichtspunkten sind. Ein Beispiel: 29 Kinder… Weiterlesen »

Gerhard Streich
Gerhard Streich
3 Jahre zuvor

Wenn diejenigen, die unter den gegebenen Umständen nicht spielen wollen, nicht spielen werden, können diejenigen, die spielen wollen, nicht spielen, weil ihnen die Gegner fehlen. Michael S. Langer hat völlig recht, dass es der Job von Schachfunktionären ist, den Spielbetrieb zu organisieren. Aber bitte unter Bedingungen, die den beteiligten Vereinen und Spielern bei ihrer Anmeldung bekannt sind. Insofern spricht nichts dagegen, alsbald die kommende Saison einzuläuten. Jemand jedoch mehr oder weniger zu nötigen, die Saison unter erschwerten und mit Risiken behafteten Bedingungen zu vollenden, ist der falsche Weg. Der bundesweite Abbruch der Saison 2019/20 ist längst überfällig.

Stefan
Stefan
3 Jahre zuvor

Der dauernde Verweis der Schachfunktionäre auf die Vorgaben der Politik nervt ein bisschen. Es wäre natürlich Aufgabe der Selbstverwaltung des Sports, Verantwortung zu übernehmen und langsam mal Entscheidungen über das Ob und Wie des Spielbetriebes zu treffen. So eine verantwortliche Entscheidung kann auch sein, Schachspieler vor dem sozialen Druck zu schützen, der mit der Wiederaufnahme der Ligen entstehen wird. Wie wird sich das Spitzenbrett Typ Risikogruppe wohl verhalten, wenn die Mannschaft ohne ihn abzusteigen droht? Wie will man Chancengleichheit (die Basis jedes Wettkampfbetriebes) herstellen, wenn die Chancen eines Vereins davon abhängen, wer im Herbst und Winter mehr Leute in enge… Weiterlesen »

David
David
3 Jahre zuvor

Hallo,

Wenn es welche geben sollte, welche keine Lust mehr auf Schach haben dann sollen diese im Internet spielen. Mir langt es jetzt auf jeden Fall nach einem halben Jahr Internet und vl 800 Partien mich vor dem Virus zu fürchten. Im Leben muss man nunmal Risiken eingehen, so ist jede Straßenüberquerung potentiel gefährlich.

Alle Sportarten gehen wieder nur Schach nicht ? Das ist ein Witz und die Quittung bekommt ihr bald , wenn viele Schach vergessen haben und Ihr über Mitgliederschwund euch wundert.

Dann kann ich nur noch sagen selbst dran Schuld!!

Simon
Simon
3 Jahre zuvor

Dann macht mal Angebote ist nämlich schon fast ein halbes Jahr her, dass die Saison pausiert wurde. Jetzt ist die China Grippe fast weg und man wird immer noch nicht tätig echt eine Schande andere Sportarten sind da schneller. Ich sehe schon und im Frühjahr heißt es jetzt ist Grippe Zeit und deswegen Schach nicht möglich. Mein Vorschlag Fortsetzung der Saison im Sommer und beginn der neuen im Herbst wer nicht spielen will wird nicht gezwungen, aber es gibt auch Leute die den Corona Terror satt haben und wieder normal Schach spielen wollen. Wussten sie übrigens, dass die Grippe jährlich… Weiterlesen »

Thomas Binder
3 Jahre zuvor

Die leidige Frage, ob Schach nun ein Sport sei oder nicht, schlägt in dieser Angelegenheit nun mal gegen uns aus. Es ist offensichtlich, dass die Entscheidungsträger bei all ihren Vorgaben für den Sportbetrieb doch den “klassischen körperlichen Sport” im Blick haben – an Schach ist dabei überhaupt nicht gedacht. Deshalb sollte man sich überlegen, ob die gültigen Verordnungen nicht Regelungen enthalten, die unsere Realität viel besser abbilden, z.B. Regelungen zu “Versammlungen” oder zu Veranstaltungen in geschlossenen Räumen oder auch die Vorgaben im Zusammenhang mit der Wieder-Eröffnung der Schulen – gerade hier sind Abstandswahrung, Gruppen- und Raumgröße dem Stand kleinerer Schachveranstaltungen… Weiterlesen »

acepoint
acepoint
3 Jahre zuvor
Last edited 3 Jahre zuvor by acepoint
acepoint
acepoint
3 Jahre zuvor

Der deutsche Skatverband hat bereits am 15.5.2020 alle offiziellen Veranstaltungen für das Jahr 2020 abgesagt. Bezüglich lokaler Treffen äußert er sich ähnlich vage, verweist auf regionale Regelungen und rät, beim jeweiligen Gesundheitsamt nachzufragen. Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, wie ein geregelter (Mannschafts)Spielbetrieb *außerhalb* eines Schachbezirks, also auf Verbands- oder Landesebene zur Zeit so funktionieren soll. Und selbst im Bezirk können verschiedene Gesundheitsämter unterschiedlich entscheiden. Im Zweifel müsste sich jeder einzelne Verein vom Gesundheitsamt ein selbst erstelltes Hygienekonzept für seine Heimkämpfe der einzelnen Mannschaften absegnen lassen. Ebenso müsste es Regelungen für den Fall geben, dass sich ein Team weigert,… Weiterlesen »

Uwe Serreck
Uwe Serreck
3 Jahre zuvor

Ich habe mich in den vergangenen Wochen mit Landesverordnungen und in den unterschiedlichen Sportarten (Handball, Fußball, Tischtennis) sehr intensiv mit Hygienekonzepten beschäftigt und muss ehrlich sagen: ich bin von unseren Verbänden (vor allem dem DSB) sehr enttäuscht. Alle Vorgenannten versuchen Perspektiven aufzuzeigen, wie es weiter gehen kann. In unserem Sport (oder Spiel oder wie immer wir es nennen wollen) fehlt mir das total. Es gibt viele tolle online-Angebote, aber dazu, wie es zurück ans reale Brett gehen kann hört man nichts. Stattdessen redet man immer nur Gesundheit. Corona ist eine Herausforderung, die viel von uns fordert, aber das Virus wird… Weiterlesen »