Wenn Jan Gustafsson und Peter Svidler während ihrer Live-Shows auf chess24 über Schach sprechen sollen, tauchen sie stattdessen oft in Debatten über popkulturelle Themen ab. Auf Rocket Beans TV wären die beiden mit derlei Ausflügen genau richtig, der Sender hat sich der Popkultur verpflichtet. Aber wenn Jan Gustafsson bei Rocket Beans vor der Kamera sitzt, dann soll der Großmeister ausschließlich über Schach sprechen. Und zwar so, dass die Leute verstehen, worum es geht.
Rocket Beans TV (RBTV) ist ein Internet-Fernsehsender mit Sitz in Hamburg. Sein 24-Stunden-Programm ist unter anderem auf Youtube zu sehen, auf Twitch und diversen anderen Kanälen. Entstanden ist der Sender aus der MTV-Videospiel-Show “Game One”, deren Moderatoren sich mit einem eigenen Sender auf die eigenen Füße gestellt haben, nachdem die Sendung Ende 2014 eingestellt worden war. Heute beschäftigt RBTV etwa 100 Mitarbeiter.
Vor zwei Jahren hat RBTV Schach entdeckt, anfangs ein Experiment, nun eine Dauereinrichtung. Zuletzt beim “Magnus Carlsen Invitational” hat der Sender Schach gezeigt, als Magnus Carlsen gegen Ding Liren spielte. Anstatt auf seinem heimischen Kanal war Jan Gustafsson an diesem Tag bei RBTV zu sehen.
Fabian Krane, Redakteur der RBTV-Show-Abteilung, ist der Kopf hinter dem Schachprogramm seines Senders. Als Moderator betreut Krane die Brettspielsendung “Du bist!”, hinter der Kamera ersinnt der 27-Jährige neue Formate.
“Analoges Spielen ist mein Steckenpferd”, sagt Krane – und verweist auf ein neues Schachprojekt, das bei RBTV längst in Planung ist. Wir haben mit Krane darüber gesprochen, was ein altes Brettspiel im Programm eines Senders für junge Leute zu suchen hat. Und warum es dort funktioniert.
PvB: Du seist einer von uns, habe ich gehört.
Fabian Krane: In der Jugend habe ich Schach im Verein gespielt, beim SV Soest. Schach ist seitdem ein Teil meines Lebens. Ich spiele noch gelegentlich, und ich hatte immer Lust, es auf den Sender zu bringen.
Das war wahrscheinlich ein Kampf.
Nicht bei uns. Wer bei Rocket Beans Dinge auf die Bühne bringen will, die ihn begeistern, der findet einen Weg. Die Hürde ist hier niedriger als anderswo. Sachen auszuprobieren, sie einfach zu machen, gehört bei uns zum Programm.
Was für ein Schachprogramm hast du auf die Bühne gebracht?
„Zugzwang“ haben wir unser erstes Schach-Format vor zwei Jahren genannt. Die Idee war, den Chat als Schwarmintelligenz zu sehen, die gegen den Moderator spielt. Daraus haben wir eine Sendung gebaut. Ein Mitglied unserer Community hatte ein Tool programmiert, das den Leuten im Chat erlaubte, einen Zug einzugeben. Der meistgewählte Zug wurde dann im Studio ausgeführt.
Damals spielte Etienne Gardé, jetzt war er wieder der Moderator. Ist Etienne euer Schachgesicht?
Eines von mehreren. Von unseren bekannten Moderatoren ist Etienne wahrscheinlich am ehesten dem Schach zugeneigt, allein schon, weil er es gerade seinem Sohn beibringt. Schach ist natürlich ein spezielles Thema, aber selbst wenn Etienne ausfällt, finde ich immer ein, zwei Leute, die darauf Lust haben.
Für so spezielle Formate braucht man einen Experten als Gast.
Wir sind damals schon schnell auf Jan Gustafsson gekommen. Das ging unproblematisch. Jan kannte uns und hatte sofort Lust mitzumachen.
Kein Zuschauer kann sich doof vorkommen
Und?
Das Feedback war super. Das ist ja auch der Grund, warum wir seitdem Schach machen: Es funktioniert – speziell mit der Kombination Rocket-Beans-Moderator plus Jan als Gast. Die Leute mögen Jan, identifizieren sich mit ihm. Er ist ja auch ein krasser Nerd (lacht).
Im Vergleich zu seinen chess24-Shows muss er sich wahrscheinlich gehörig umstellen.
Jan versteht das Format, er weiß genau, was er bei uns sagen kann und was nicht: Er ist zwar der Experte, aber er darf sich nicht in Fachchinesisch verlieren. Der Moderator als Jans verbaler Sparringspartner spielt den Stellvertreter der Zuschauer. Er soll Jan die Fragen stellen, die die Leute vor dem Bildschirm bewegen. Auf diese Weise legen wir die Einstiegshürde niedrig. Kein Zuschauer kann sich doof vorkommen, er merkt ja, dass der Moderator nicht viel mehr weiß als die Regeln. Diese Kombination bildet einen schönen Kontrast zu den Spielern am Brett, die besten der Welt, auch das sehe ich als einen Faktor, der die Sendung attraktiv macht. Ich nehme an, dass unsere Show über das „Magnus Carlsen Invitational“ auch für gute Schachspieler nicht langweilig ist.
Wie lief die aktuelle Show?
Die Live-Resonanz war für einen Samstagabend erstaunlich. Eigentlich senden wir samstagabends nicht live, trotzdem hatten wir bis zu 7.000 Zuschauer. Die Abrufzahlen bei Youtube, bis heute etwa 40.000, sind eher mittelmäßig. Aber man muss auch zwischen quantitativem und qualitativem Feedback unterscheiden.
Qualitativ?
Das Engagement des Publikums ist für uns wichtig, wenn wir beurteilen, wie ein Format funktioniert. Sobald Jan auf dem Sender ist, interagieren die Leute sehr viel mehr als bei den meisten unserer regulären Sendungen. Unsere Zuschauer haben sich riesig gefreut, dass Jan wieder da und Schach wieder Thema ist. Quantitativ hatten wir kein Riesenpublikum, aber diejenigen, die zugeschaut haben, fanden es richtig gut.
Habt Ihr schon neue Schach-Pläne geschmiedet?
Ja, wir hätten schon eher wieder Schach machen sollen. Jetzt versuchen wir, ein Rocket-Beans-internes Schachturnier auf die Beine zu stellen. Wie wir das in ein Format gießen, müssen wir noch sehen. Außerdem wollen wir gerne unser Format „Zugzwang“ zurückbringen. Damit haben wir eine Supererfahrung gemacht.
Schön geschriebener Artikel. Ich kann Fabian zustimmen denn das Feedback war wirklich toll und die Zuschauer hatten viel Spaß. Einige hatten auch andere Züge im Sinn welche die beiden Großmeister hätten ziehen sollen. Ich freue mich immer über eine gute Schachpartie.
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