Deutscher Meister! (jetzt aber wirklich, oder?)

Christoph Dahl aus Dresden ist Deutscher Internet-Amateurmeister – nach Wertung vor Hans-Joachim Vatter aus Emmendingen. Unsere gestrige Mitteilung ist damit hinfällig. Fünf Tage nach Ende des Turniers sind die beiden ursprünglich Erstplatzierten disqualifiziert worden. Die hier gestern verkündeten Sieger des B- und C-Finales sind davon unberührt.

Die korrigierte Abschlusstabelle des A-Finales beim Schachbund.

Dahls Meistertitel scheint zu gelten, obwohl ein Wertungssieg den per Ausschreibung bekanntgegebenen Regeln widerspricht. Vorgesehen war, dass bei Punktgleichheit ein Stichkampf um den Titel gespielt wird. So war es an der Spitze der A-Gruppe geschehen, aber nun traf der Bannstrahl des Turnierleiters beide Teilnehmer dieses Stichkampfs, sodass der ursprünglich Drittplatzierte als Wertungserster dasteht.

Schachfreund Vatter könnte nun auf den ihm zustehenden Stichkampf bestehen. Wir haben ihn nicht gefragt, aber gehen einfach mal davon aus, dass er darauf verzichtet.

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Christoph Dahl von der SG Grün-Weiß Dresden. Vom bunt und liebevoll gestalteten Kopf der Jugend-Homepage dieses Vereins könnte sich mancher deutsche Vereinswebmaster inspirieren lassen. | Foto: SG Grün-Weiß Dresden

IM Bernd Schneider, Teilnehmer der Meisterschaft, war der geteilte Sieg der jungen Schachmeister aus dem Ruhrgebiet von Beginn an komisch vorgekommen. Einen der beiden kennt er eher nicht als starken Blitzschachspieler:

Bernd Schneider auf der Perlen-Facebookseite.
Die Erwiderung von Daniel Hausrath.

Nachdem am Samstag jemand Deutscher Meister geworden war, haben wir am Montag an dieser Stelle auf Berichterstattung verzichtet. Eine Internetmeisterschaft bedarf einer Cheatingprüfung, die mag ein wenig dauern.

Als am Dienstag und Mittwoch von “offizieller” Seite immer noch kein Deutscher Meister verkündet war, verfestigte sich am Bodensee der Eindruck, dass diese Amateurmeisterschaft in erster Linie konzipiert ist, um zahlende Playchess-Kunden zu generieren, weniger, um Deutsche Meister zu küren. Darum soll wenigstens hier der sportliche Sieger gefeiert werden.

Kleiner WhatsApp-Hinweis dieser Seite nach Hamburg, dass nun mit Berichterstattung zu rechnen ist. Wir wollen ja niemandem vorgreifen, aber so eine Cheatingprüfung müsste innerhalb von fünf Tagen zu bewältigen sein?

Ein Aufruf mit fettgedrucktem “kostenlos” hatte laut Schachbund mehr als 2500 Anmeldungen zur Meisterschaft zur Folge gehabt – und an mancher Stelle hochgezogene Augenbrauen:

Es war keine Deutsche Meisterschaft für alle und kostenlos, wie es die Ausschreibung auf den ersten Blick suggerierte. Ein Blick ins Kleingedruckte offenbarte, dass es sich um eine Meisterschaft für Besitzer eines Windows-Computers, einer Kreditkarte und Inhaber eines Playchess-Premium-Accounts handelte.

Wen das und die zu entrichtenden 4,99 Euro nicht abschreckten, der stellte obendrein fest, dass eine gewisse Erfahrung mit ChessBase-Software vonnöten war. Mancher potenzielle Mitspieler scheiterte schlicht daran, den Turniersaal zu finden.

Und so blieben von den mehr als 2500 am Ende 1437 übrig.

Wir haben heute beim Pressesprecher des Schachbunds angefragt, wie der DSB das Turnier bewertet, wie er sich zum “unlauter”-Vorwurf stellt und ob der Meistertitel für Dahl endgültig ist. Sobald wir eine Antwort bekommen, wird sie hier eingefügt.

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Anonym
Anonym
3 Jahre zuvor

Was habt ihr anderes vom DSB erwartet? Als könnte man ein solches Turnier nicht auch auf dem kostenlosen Schachserver lichess anbieten… Die DSJ oder auch BSJ hat es doch auch hinbekommen und mehrere Turniere auf lichess ausgetragen. Die schwarzen Schafe (Betrüger) beim Turnier waren doch vorprogrammiert und das eine Prüfung auf Betrug eine derart lange Zeit in Anspruch nimmt, sehe ich als lächerlich an. Cheater kann man auf lichess in sehr kurzer Zeit aufspüren (average centipawn loss) und auch deutlich schneller aus einem Turnier werfen. Beide Spieler/Cheater gehören eigentlich vom DSB und der FIDE ausgeschlossen und auf längere Zeit gesperrt.… Weiterlesen »

insorge64
insorge64
3 Jahre zuvor

Beweise für das Cheating? Der Vorwurf eines alten frustrierten IM´s….?

trackback

[…] vom Bodensee“ berichtete kurz vor den offiziellen Zeilen des DSB schon in seinem Bericht „Deutscher Meister! (Jetzt aber wirlich, oder?)“ von den Betrugs-Vermutungen. Insbesondere gefällt mir an dem Artikel, dass er darauf […]

Walter Rädler
Walter Rädler
3 Jahre zuvor

@anonymous
Ich bin der Meinung, dass bei den Blogs nur Leute mit Originalnamen schreiben sollen. Die zwei haben einen dicken, dicken Fehler gemacht, keine Frage, aber sind sie deswegen “Abschaum”? Wie ich heute schon auf einem anderen Blog geschrieben habe. Ich kriege meine Kellertür vor lauter Leichen nicht mehr zu! Deswegen bin ich in der Beurteilung gemäßigt. In dem Alter hätte ich mir so einen Mist auch zugetraut, das war aber damals zum Glück für mich nicht möglich.

Krennwurzn
Krennwurzn
3 Jahre zuvor

CB schreibt https://de.chessbase.com/post/deutsche-internet-schach-amateurmeisterschaft

Leider blieb auch diese erfolgreiche Veranstaltung von den Gefahren der Online-Turniere, dem Spielen mit Engine-Unterstützung, nicht verschont.
Die beiden Top-Platzierten des A-Finales wurden disqualifiziert und sind in der Tabelle nicht berücksichtigt.

Gerhard Streich
Gerhard Streich
3 Jahre zuvor

Online-Schach ist eine nette Spielerei für Schachsüchtige. Vor allem in der aktuellen Krise sind entsprechende Turniere ein hilfreicher Ersatz für das Spiel von Angesicht zu Angesicht. Aber auch nicht mehr. Auf Dauer können sie keine menschliche Nähe ersetzen, die wir als soziale Wesen benötigen. Daraus echte Meisterschaften zu machen, halte ich für einen Fehler. Ich teile die Argumente der Krennwurzn, die sie gegenüber Ullrich Krause bereits vor drei Jahren eindrucksvoll vorgetragen hat. Das Cheatingproblem lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Es geht nicht allein darum, ob jemand tatsächlich betrogen hat, sondern um das Misstrauen, das ein ständiger Begleiter ist.… Weiterlesen »

insorge64
insorge64
3 Jahre zuvor

Lustig, dass einige Leute sich hier auf das Online-Rating beziehen. Es ist ja wohl anzunehmen, dass junge Leute keine Lust haben Ihr Online-Rating auf der völlig veralteten Chessbase-Plattform für ein relativ unattraktives Turnier hochzuspielen. Die Musik im Online-Schach spielt doch woanders.

Weiterhin frage ich nach Beweisen?

Benedikt
Benedikt
3 Jahre zuvor

Bei den rund 1000 Schachspielern, die zwischen Anmeldung und Turnierstart “verlorengegangen” sind, gibt es eine hohe Dunkelziffer. Ich selbst habe die Kopplung unter anderem an einen Premiumaccount bei p(l)aychess/chessbase auch gleich wahrgenommen und gleich auf eine Voranmeldung verzichtet. Dass Chessbase Geld verdienen will bzw. muss kann ich gut verstehen und ist nicht verwerflich. Allerdings sollte der DSB so neutral sein eine Ausschreibung für die Veranstaltung einer kostenlosen Meisterschaft zu machen. Sowohl was Cheatingkontrolle angeht, also auch das Finden von Turnierräume und die Zahl der dort regelmäßig aktiven Spieler hätte sich Lichess.org stark angeboten. @insorge64: Abgesehen davon, dass ich es verwerflich… Weiterlesen »

Bernd Schneider (alter + frustrierter IM)
Bernd Schneider (alter + frustrierter IM)
3 Jahre zuvor

Hallo insorge64, ich könnte Sie ja auch mit Vor-und Nachnamen ansprechen, will aber Ihre Tarnung hier nicht auffliegen lassen. Schließlich haben Sie mich ja schon ausgiebig auf Facebook beleidigt. Und erneut muss ich Ihnen zustimmen, ich bin alt – für Ihre Verhältnisse uralt. Und ja, ich bin frustiert. Gerne würde ich auch in 42 Partien in der Reihe, mit je nur 4-5 Minuten Bedenkzeit, 1000-1200 Züge machen und mir dabei nur einen einzigen Fehlzug leisten. Ich würde auch gerne jeden Mattangriff erfolgreich abschließen und jedes noch so komplizierte Endspiel mit großer Präsision zum Sieg verwerten. Aber davon bin ich so… Weiterlesen »

Rainer Wagner
Rainer Wagner
3 Jahre zuvor

ich habe seit 2004 ca unzählige Partien auf dem playchess Server gespielt, und ein Mal hat mich tatsächlich Frau Gaby assmann vor etlichen Jahren übrigens völlig zu unrecht gesperrt. Nach massiver Intervention meinerseits wurde die Sperre plötzlich wieder zurück genommen. Das zeigt mir allerdings das die Cheater Kontrolle bei Schach.de zumindest in der Vergangenheit nicht sonderlich genau gewesen ist.

insorge64
insorge64
3 Jahre zuvor

Lieber Herr Schneider, Vielen Dank für Ihre Wortmeldung. Mit Ihrem Eintrag haben Sie dann gut aufgezeigt, daß Sie dazu neigen per Internet erst einmal wild um sich zu schlagen. Dampf ablassen, aber wen es dann trifft, ist Ihnen ja offensichtlich nicht so wichtig. Weiterhin liegen der Öffentlichkeit keine Beweise vor, sondern nur Ihre Behauptung, der DSB und Chessbase haben ja gewissenhaft geprüft…. Zu den Worten “alt und frustriert”. Diese sollten keinesfalls Ihre Lebensleistung schmälern. Sondern sie mokieren sich darüber, dass es für Sie etwas Besonderes ist, wenn ein ambitionierter 18-jähriger FM eine Internetblitz-Leistung von 2700 erbringt. Das ist nämlich heutzutage… Weiterlesen »

acepoint
acepoint
3 Jahre zuvor

Kann man alle Partien der A-Gruppe irgendwo herunterladen? Ich vermute, dass die Partien der beiden disqualifizierten Spieler nicht in einem zukünftigen Megabase-Update enthalten sein werden. Zu den Ratingunterschieden: auch ich spiele selten auf playchess, mein Blitzrating dort dümpelt irgendwo um 2000, bei lichess u. chess24 liegt es jedoch jeweils zwischen 2250 und 2300. Die ELO-Zahlen der verschiedenen Server lassen sich allein schon aufgrund der unterschiedlichen Pools eh nicht gut vergleichen, geben vielleicht einen ersten Anhaltspunkt, mehr aber auch nicht. Was das «kostenlos» angeht, auch mich hat das so sehr geärgert, dass ich in einem kurzen Ankündigungsartikel zur DISAM auf der… Weiterlesen »

Krennwurzn
Krennwurzn
3 Jahre zuvor

Partien gibt es auf der offiziellen Seite: https://www.schachbund.de/disam2020/articles/disam2020.html

zum Download (leider ohne die Bedenkzeit pro Zug – das wäre eine sehr wichtige Information für die Mustererkennung)

Hier der Direktlink – keine Ahnung ob der funktioniert

https://www.schachbund.de/disam2020/articles/disam2020.html?file=files/dsb/spielbetrieb/2020/disam/DISAM_2020.cbv&cid=21799

Thorsten Cmiel
Thorsten Cmiel
3 Jahre zuvor

Also ich finde die Idee eines Blitzwettkampfes der beiden Disqualifizierten mit dem alten und vor allem frustrierten IM eine tolle Idee. Ich setze jeweils einen mittleren dreistelligen Euro-Betrag und eine alte Hose auf den Bengel aus meiner Alterskohorte.

Vermutlich lässt mich Bernd aber gar nicht in die Wette einsteigen, sondern nimmt das sichere Geld.

So ein Wettkampf sollte über mindestens 40 Partien (besser genau 42) gehen, damit sich die Klasse der Jungtalente auch sicher durchsetzen kann.

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[…] kontroverse Entscheidung ist derzeit die Disqualifikation der beiden Sieger im A-Turnier bei der DISAM, also der 1. Deutsche […]