Virus? Welches Virus? Die Schachmeisterschaft der Ärzte

In der Schachszene sind Ärzte bestens vernetzt. Tragen sie ihre Meisterschaft aus, wird selbige auf den größten Schachseiten üppig angekündigt. So war es auch 2020. Unsere Freunde vom Schachbund haben auf das bevorstehende Turnier in Bad Homburg hingewiesen, ebenso unsere Freunde von ChessBase, und zwar am 27. Februar.

Am Tag zuvor hatte Italien 150 Infizierte gemeldet. Österreich stellte den Zugverkehr mit Italien ein. In Deutschland richteten sich bange Blicke auf eine Karnevalsfeier in Heinsberg. Dort hatte ein infiziertes Paar inmitten hunderter Jecken gefeiert, und wir möchten uns gar nicht vorstellen, in welchem Maße bei dieser Gelegenheit Körperflüssigkeiten ausgetauscht worden sind.  Aber keine Panik, es waren ja noch gut zwei Wochen Zeit bis zur Ärztemeisterschaft, da würde sich die Lage bestimmt beruhigen.

Die Schach-Ärzte und die Viren. | Fotomontage: Franz Jittenmeier

Die dreitägige Ärztemeisterschaft mit 79 Teilnehmern im Kurort Bad Homburg begann am Freitag, 13. März. Am Rande des Turniers hat sich der Verein „Medchess e.V.“ gegründet, der die Meisterschaft künftig ausrichten soll. Zwei veritable Schachereignisse.

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Dumm nur, dass irgendetwas mit der Berichterstattung über Meisterschaft und Vereinsgründung schiefgelaufen ist. Kein Wort bei unseren Freunden vom Schachbund, keines bei unseren Freunden von ChessBase. Als ob es jemandem peinlich wäre.

Pähtz war getestet: Influenza statt Corona

Als am Rande der Bedeutungslosigkeit operierende Schachseite sind wir natürlich nicht im Presseverteiler unserer Freunde von Medchess e.V. Andererseits sind wir eine Schachseite, die sich auf die Fahne geschrieben hat, Öffentlichkeit dann herzustellen, wenn sie aus irgendeinem Grunde fehlt, obwohl sie nötig wäre.

Errit Rutz. | Foto: www.praxis-rutz.de

Darum gratulieren wir heute Errit Rutz aus Neuwied zum Titel. Mit einer moderaten Wertungszahl von 2037 zählte der Neurologe und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie allenfalls zum erweiterten Favoritenkreis. Rutz erzielte 7,5 Punkte aus neun Partien, das reichte für den ungeteilten ersten Platz. Starke Leistung, bravo und Glückwunsch!

In der Siegerliste beim Schachbund ist Rutz noch nicht eingetragen. Wir haben in seinem Sinne beim Pressesprecher des Schachbunds darauf gedrängt, das nachzuholen. Außerdem haben wir sicherheitshalber gefragt, ob das Ärzteblatt von der Schachmeisterschaft weiß.

Gute Nachrichten! Zwar zeigte sich der zuständige Redakteur verwundert über das Turnier und seinen Zeitpunkt, aber wichtiger ist allemal, dass ihn die frohe Botschaft erreicht hat. Sie wird sich voraussichtlich in der kommenden Ausgabe des Ärzteblatts wiederfinden.

Gratulieren möchten wir auch dem Badischen Schachverband für die tatkräftige Unterstützung und schachlich-fachliche Beratung, die er den Ärzten hat zukommen lassen. Zwar hatte der Badische Schachverband am 13. März gegen 14 Uhr den Spielbetrieb ausgesetzt, vier Stunden vor Eröffnung der Ärztemeisterschaft, zwar wähnt sich unser Badischer Schachpräsident angesichts der Viruskrise „ratlos und ohnmächtig“, aber diese Ratlosigkeit gilt natürlich nicht mehr, wenn man von 80 Fachleuten umgeben ist.

Draußen erklärte die Kanzlerin Corona zur Chefsache, drinnen gab Dr. Helmut Pfleger (76) ein Uhrensimultan.

Wie sicher sich diese Experten ihrer Sache waren, wie immun gegen Panikmache, lässt sich daran erkennen, dass der 76-jährige Fachmann Dr. Helmut Pfleger in Bad Homburg ein Uhrensimultan veranstaltete, anstatt der Veranstaltung mit dem Hinweis auf seine Zugehörigkeit zur Hauptrisikogruppe fernzubleiben. Auch der Simultanauftritt der schniefenden und schneuzenden Elisabeth Pähtz störte die versammelte Medizinerschar nicht. Pähtz hatte sich zuvor einem Corona-Test unterzogen – negativ: Influenza statt Corona.

Der Oberbürgermeister kam nicht

Und so prangern wir die Ignoranz des Bad Homburger Oberbürgermeisters Alexander Hetjes an. Sein Pressesprecher bestätigt uns, dass das Stadtoberhaupt die im Foyer seines Kur- und Kongresszentrums versammelte virologische Kompetenz im Regen hat stehen lassen. Hetjes beschloss am Nachmittag des 13. März, der Veranstaltung fernzubleiben, anstatt wie geplant um 19 Uhr im Kreise der 80 Ärzte das Büffet zu eröffnen.

Hetjes hatte an diesem 13. März fast alle öffentlichen Einrichtungen Bad Homburgs schließen lassen und fast alle Veranstaltungen bis auf weiteres abgesagt. Den Ärzten übermittelte er telefonische Grüße. Eine Gelegenheit, ihm zu erklären, dass er überreagiert, gab er den Ärzten nicht.

Wir waren geneigt, an dieser Stelle für eine Ausgangssperre für Ärzte zu plädieren. Stattdessen versuchen wir es mit einer Buchempfehlung.
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Reinhard Murina
Reinhard Murina
4 Jahre zuvor

Tatsächlich, “eine Regel für die Reichen und eine andere für die Armen”, wie meine
Großmutter zu sagen pflegte. Aus Viktor Kortschnoi, meine besten Kämpfe

Hans-Joachim Hofstetter
Hans-Joachim Hofstetter
4 Jahre zuvor

Sehr schön gehässig. Was sind die Fakten? Es treffen sich in Zeiten, wo Jugendliche Senioren in den Anorak rotzen und hinterherschreien: „der kriegt jetzt die Corona-Peitsche!“, 79 Ärzte unter strengen Sicherheitsauflagen zu einem unter großen Mühen, weil unter neuen Prämissen, vorbereitetem Schachturnier. Das darf man kritisieren. Niemand kritisiert aber, dass die meisten Teilnehmer vorher und nachher selbstverständlich jeden Tag zahllosen Menschen mit ihrem medizinischen Sachverstand geholfen haben und helfen werden. Zu Recht gab es zahlreiche Absagen, weil natürlich hat es keine und keiner der Teilnehmerinnen und Teilnehmer leichtfertig entschieden, zu dieser zum ersten Mal rein privaten Veranstaltung anzureisen. Natürlich haben… Weiterlesen »

Wolfgang Küchle
Wolfgang Küchle
4 Jahre zuvor

Der Artikel lässt mich sprachlos zurück. Am 12.3. sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel die Empfehlung aus, alle nicht notwendigen Sozialkontakte zu vermeiden. Als Arzt sollte man sich seiner Vorbildfunktion bewusst sein, insofern sendet diese Veranstaltung ein völlig falsches Zeichen aus. Den Versuch von Herrn Hofstetter diese Veranstaltung dann auch noch zu verteidigen, empfinde ich als ignorant und peinlich. Leider ist es wie so oft: eine kleine Gruppe Unbelehrbarer schadet dem Ansehen einer großen Gruppe verantwortungsvoll Handelnder. Lassen wir uns durch dieses Vorkommnis nicht die Sympathie und Rückendeckung für die Ärzte verlieren, die jetzt mit hohem Einsatz die Gesundheit der Bevölkerung sichern.

Werner Berger
Werner Berger
4 Jahre zuvor

Die genannte Empfehlung sprach Frau Merkel am 13. März aus, also als die Veranstaltung bereits begonnen hatte und alle Teilnehmer vor Ort waren. Am selben Tag hatte Hessen alle Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern untersagt, die Ärztemeisterschaft wies weniger auf. Kein einziger Patient wurde in irgendeiner Weise vernachlässigt. Die Empörung ist vollkommen überzogen, gerade von Herrn Schormann, der an anderer Stelle dafür plädierte, das Grenke Open in räumlich abgetrennten Gruppen von weniger als 100 Spielern zu spielem, und dessen Absage als unangemessen kritisierte.

Wolfgang Küchle
Wolfgang Küchle
4 Jahre zuvor

Anbei noch der Link auf die Meldung vom 12.3.:
https://www.tagesschau.de/inland/coronavirus-deutschland-merkel-101.html

Was an dem Satz “Wegen der Corona-Krise appelliert Kanzlerin Merkel an die Bürger, alle nicht notwendigen Veranstaltungen abzusagen und auf Sozialkontakte zu verzichten.” haben die Teilnehmer der Ärztemeisterschaft nicht verstanden? Ignoranz in Reinform …

trackback

[…] ein erheblicher Teil der in Deutschland Schach spielenden Ärzte in virologischen Fragen unlängst als unglaubwürdig offenbart, trotzdem müsste sich jemand mit Sachverstand finden lassen, der hinsichtlich künftiger […]