Die „Snowflakes“ aus Baden-Baden täten ihm leid, sagt Bo Wimmer, Manager der “Berlin Bears” in der Pro Chess League (PCL). Die armen Badener müssten am Donnerstagabend mit einer Niederlage in die Saison starten, weil sie gleich zu Beginn auf Wimmers Berliner Bären treffen. „Hoffentlich werden sie nicht allzu geknickt sein.“
Am Bodensee sind wir alles andere als geknickt. Wieder haben wir Wimmer als Gastautoren gewonnen. Schon vor einem Vierteljahr hatte er uns exklusiven Einblick gewährt, wie sich eine Berliner Kiosktruppe zu einer Schach-Profimannschaft wandelte – die sich dann tatsächlich für die Pro Chess League qualifizierte.
Vor deren Beginn galt es für die Berliner, ihr Personal aufzustocken, um an allen zehn Spieltagen nicht nur jeweils vier Spieler ans Brett zu bekommen, sondern eine möglichst schlagkräftige Kombination derselben.
Groß war die Versuchung, elostarke Söldner zu verpflichten. Den einstigen Wahlberliner Levon Bäronian und Pandabärin Hou Yifan hatte Wimmer schon an der Angel, aber beide Verpflichtungen scheiterten an den begrenzten Mitteln seiner Truppe.
Caruana und So für Saint Louis am virtuellen Brett
Mit Bordmitteln unbezahlbar, ein Problem, das andere nicht haben. Die „Archbishops“ aus Saint Louis zum Beispiel werden am ersten Spieltag Fabiano Caruana und Wesley So an die virtuellen Bretter schicken. Ob Magnus Carlsen wieder für seine „Norway Gnomes“ spielt und wie im Vorjahr live streamt, ist offen. Wimmer hat gehört, dass die Norweger 2019 wohl ohne Carlsen auskommen müssen.
Unabhängig von den Superstars im Team, jede Mannschaft darf einen Eloschnitt von 2.500 nicht überschreiten. Mit dieser Regel stellt der Ausrichter chess.com ein ausgeglichenes Feld und einen spannenden Verlauf sicher. Niemand kann einfach vier 2.800er verpflichten und dann durch die Liga marschieren.
Die „Berlin Bears“ gehen vorerst ohne Sponsor in die weltweite Serie, die potenziell zehn- wenn nicht hunderttausende Schachfans an den Bildschirmen verfolgen werden, nicht nur auf dem offiziellen Twitch-Kanal von chess.com, auch auf dem der Berliner, wo die Bären ihre Wettkämpfe streamen werden. „Wer Interesse hat, ein cooles Schachteam zu unterstützen, darf sich gerne melden“, sagt Wimmer.
E-Mail von Hou Yifan
Ein Gastbeitrag von Bo Wimmer, Manager der Berlin Bears
Sich für die Pro Chess League zu qualifizieren, ist ein wenig wie Abitur machen: Erst fühlst du dich großartig und klug, dann verbringst du das erste Semester damit, orientierungslos herumzurennen und vergeblich Räume zu suchen. Außerdem: planen und Formulare ausfüllen. Auch das eine neue Erfahrung.
Erstsemester haben immerhin den Vorteil, dass die Uni antwortet, wenn man ihr schreibt. Bei Schachspielern ist das nicht so einfach, die reagieren noch langsamer, als ich es von Künstlern kenne. Im Lauf unserer Saisonplanung habe ich die Karenzzeit für die Beantwortung von E-Mails einfach abgeschafft, anders wäre das nicht auszuhalten gewesen.
Zehn Spieltage binnen acht Wochen stehen uns bevor. Absteigen wollen wir auf keinen Fall. Was würde zu tun sein, um erfolgreich im Konzert der Großen mitzuspielen?
Ziemlich schnell wurde klar, dass wir unseren Kader erweitern müssen. Ansonsten müssten alle Späti-Bären an allen Terminen durchspielen, und das erschien meinem Assistant Manager Marco Baldauf und mir unmöglich. Die PCL nimmt leider noch keine Rücksicht auf Bundesligatermine in Deutschland und Österreich.
Erweitern ja, aber mit welchen Spielern? Späti-Bär wird nicht jeder. Wir haben menschlich hohe Anforderungen, und der Elo muss auch passen. Wir brauchten neue Bären, die sich so mit den anderen kombinieren lassen, dass wir möglichst nahe an die 2.500 kommen, ohne sie zu überschreiten.
Außerdem wollten wir für die Konkurrenz weniger ausrechenbar sein. Und wir wollten, das war zumindest die erste Idee, ohne Söldner auskommen, sondern nur mit Leuten spielen, die wir kennen und schätzen. Für den Teamgeist fanden wir das besser. Das Team wird zwar kaum einmal zu viert in einem Raum sitzen, aber es spielt sich leichter (und besser hoffentlich) mit Leuten, die man mag.
Ein Österreicher und eine Italienerin als Verstärkung
Also hörten wir uns um, fragten Freunde und Bekannte. Marco Baldauf gewann Felix Blohberger und Leon Mons. Arik Braun brachte Michael Bezold mit ins Boot, Niclas Huschenbeth Jonas Lampert, und Steve Berger Marina Brunello sowie Raphael Lagunow.
Mit den Ur-Bären David Baramidze, Bernd Hoy, Johannes Florstedt, Martin Brüdigam und David Ortmann waren wir erstmal komplett, eine schlagkräftige Truppe mit bekannten Gesichtern. Besonders froh waren wir, mit Felix Blohberger aus Österreich und Raphael Lagunow aus Berlin zwei junge und sehr talentierte Spieler zu haben.
Die Verpflichtung von Marina Brunello war ein Coup, und das nicht nur, weil sie die italienische Nummer zwei der Frauen, eine tolle Schachspielerin und ein großartiger Mensch ist. Frauen bekommen in der PCL einen Bonus von 100 Elo, so dass sich sehr viel stärkere Kombinationen aufstellen lassen, wenn eine Frau im Team ist.
Dann war da noch der Pool von Spielern, die noch ein Team suchen, um auch in der PCL spielen zu können, und der war ganz schön verführerisch. Viele Söldner, viele begeisterte Schachspieler, darunter so hübsch klingende Namen wie Aronian, Eljanov und Hou Yifan!
Ganz konnten wir uns dem Glanz dieser Spitzenspieler nicht entziehen. Nach einer Diskussion haben wir beschlossen, es bei Aronian und Hou zu probieren. Leider stellte sich heraus, dass eine Verpflichtung dieser beiden unsere finanziellen Möglichkeiten überschritten hätte. Aber als Schachfan verfiel ich für Stunden in Schockstarre, als plötzlich eine E-Mail von Hou Yifan in meinem Postfach eintrudelte.
Wer weiß, was noch kommt. Für die Zukunft halten wir uns die Option offen, zumindest einen Eloriesen als Söldner zu verpflichten, sollten sich Sponsoren finden, die unseren Weg begleiten möchten. Wer uns unterstützt, wird von der Aufmerksamkeit profitieren, für die wir sorgen werden. Eine starke Truppe sind wir auch so.
Baden-Baden wird sich nicht kampflos ergeben
Jetzt geht’s erstmal ohne Sponsor los, zum Auftakt gleich gegen die Baden-Baden Snowflakes, das andere deutsche Team in der PCL, das 2018 noch als „Stockholm Snowballs“ überaus stark agierte. Wir hoffen sehr, dass sie nicht allzu geknickt sein werden, wenn sie dieses Jahr mit einer Niederlage in die Saison starten.
Uns ist natürlich klar, dass die Baden-Badener sich nicht kampflos ergeben werden. Im Gegenteil, sie haben sich mit Kirill Alekseev, Alexander Donchenko und Daniel Friedman namhaft verstärkt. Allerdings bleiben die Schneebälle vorhersagbar. Ihr Konzept, mit drei starken GM und Inna Agrest zu spielen, ist wegen des Frauen-Elo-Bonus zwar empfehlenswert und funktioniert oft, hat aber auch Schwächen. Und die werden wird ausnutzen.
Der Spielplan führt ein strenges Regiment. Am zweiten Spieltag ist zeitgleich die österreichische Liga. Der 1. Februar, an dem die erste „Battle Royal“ der Liga stattfindet (ein divisionsübergreifendes Round-Robin-Turnier), ist der Anreisetag für das Bundesligawochenende. Die meisten Bären werden im Zug sitzen, und dort ist das WLAN zu schlecht für Schach. Aber wir werden das Ding schon schaukeln.
Besonders freue ich mich auf den Spieltag vor dem großen Bundesligawochenende Anfang März in Berlin. Dann werden wir tatsächlich an einem Ort vereint sein: vier Bären vor ihren Laptops in Berlin.
Alle unsere Spiele werden wir streamen. Wer mag schaltet ein. Am Donnerstag um 19.25 Uhr geht es los: twitch.tv/spaetibearsberlin.
Für die Fans gibt es derweil bei der PCL-Fantasy-League Geld zu gewinnen. Wer die besten Bretter jeder Division richtig tippt, dem winken 10.000 Dollar.
Internationale Beziehungen in einer internationalen Liga widersprechen sicherlich einer ganzen Reihe von Deutschtümeleien, aber das ist ganz im Sinne der Bären.
Der Kenner weiß auch, daß die Spielerin zu uns kam, nachdem wir uns mit einem Sieg gegen ihre Mannschaft, die Bergamo Gladiators, für die PCL qualifiziert haben.
Für die eine ist das eine schöne sportliche Geste über die Grenzen hinaus, für die andere ist es traurig..
Schon ein Armutszeugnis keine deutsche Spielerin ins Team zu holen. Ich glaube, wir haben in diesem Elobereich einige Mädels, die da mithalten könnten. Vermutlich erfüllen sie die “menschlichen” Anforderungen der Berliner Bären nicht. Traurig.
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