Österreichs fünfter Großmeister

Karl Robatsch, Josef Klinger, Nikolaus Stanec, Markus Ragger.

Dieser stolzen Reihe von Österreichern gehört ab sofort ein weiterer Name an. Der Steirer Andreas Diermair ist der fünfte Österreicher, der den höchsten im Schach zu vergebenden Titel errungen hat.

diermair

Diermair ist auch der einzige deutschsprachige Teilnehmer der Europameisterschaft in Batumi, der zufrieden heimkehrt. Alle verpassten sie die World-Cup-Qualfikation, doch Diermair sicherte sich im extrem stark besetzten Feld (300 Spieler, Elo Schnitt über 2.400) mit 6,5/11 seine finale GM-Norm.

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Und das auf couragierte Weise. In der 11. Runde gegen den serbischen 2.600-GM Aleksandar Indjic provozierte Diermair mit den schwarzen Steinen einen scharfen Kampf, triumphierte und ist ab sofort Schach-Großmeister. Herzlichen Glückwunsch!

Hier die Partie, die Diermair den Titel sicherte:

Indjic, Aleksandar (2.623) – Diermair, Andreas (2.507), EM 2018, 11. Runde

1. a3

Eine Frechheit wäre 1.a4, 1.a3 ist schlicht kein besonders guter Zug. Weiß muss jetzt sehen, dass er eine Struktur aufs Brett bekommt, in der a3 Sinn ergibt, anstatt sich darauf zu fokussieren, den Anzugs- in einen Stellungsvorteil zu verwandeln.

1… d5 2. Sf3 Lg4 3. d4 Sd7 4. Sbd2 Sgf6 5. h3 Lh5 6. c4 e6 7. Db3

Das typische Motiv. Wenn in d4/d5-Stellungen Schwarz den Lc8 früh entwickelt, stürzt sich Weiß per Db3 auf den schwarzen Damenflügel, dem nun ein Verteidiger fehlt. Aber mit einem Springer auf c3 statt d2 wäre Db3 wirkungsvoller.

7… Le7

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Bedient sich Weiß jetzt oder in der Folge auf b7, bekommt Schwarz per …c5 ausreichendes Spiel für den Bauern und die im Abseits stehende weiße Dame. Auch das ein typisches Motiv. Sofortiges … c5 war auch eine Option.

8. cxd5 exd5 9. g4 Lg6 10. Sh4

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10… Sb6

(10… Sxg4!?)

11. Sxg6 hxg6 12. Lg2 c6 13. e3 Dc7

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Beide Rochaden sind spielbar. Schwarz bereitet die lange Rochade vor, die
schärfere der beiden Möglichkeiten, den König aus dem Zentrum zu holen.

14. Dc3

Nicht das natürlichste Feld für die weiße Dame. Weiß macht seinem b-Bauern Platz, ein Bauernsturm am Damenflügel ist der Plan. Aber wohin mit dem weißen König?

14…O-O-O 15. a4 a6

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Damit Weiß nicht a4-a5-a6 spielt und den schwarzen Damenflügel aufweicht.

16. b4 Kb8 17. Db3

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17… Sxg4!

Nur so! Bevor der Weiße am Damenflügel etwas Greifbares erreicht, steckt der Schwarze eine Figur ins Geschäft, um dem im Zentrum steckengebliebenen weißen König an den Kragen zu gehen.

18. hxg4 Txh1+ 19. Lxh1 Dh2

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20. b5!

Gibt die Figur zurück, um selbst schleunigst Angriff zu bekommen. Material ist nebensächlich, dieses ist ein Wettrennen.

(Nach 20. Bf3 Bh4 würde der schwarze Angriff schon durchschlagen.)

20…Dxh1+ 21. Ke2 cxb5 22. axb5

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22…a5

Zwingt Weiß, zwei weitere Tempi zu investieren, bis er auf der a-Linie Drohungen aufstellen kann; Zeit, die Schwarz dringend braucht, um für den nächsten Anlauf auszuholen.

23. Da2

(23. Txa5 wäre Blödsinn. Weiß will eine Batterie auf der a-Linie, aber die Dame gehört nach vorne.)

23… Dg2 24. Dxa5 Dxg4+ 25. Sf3 Td6

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Die schwarze Dame allein kommt nicht durch, es müssen weitere Kräfte ins Spiel. 25… Td6 deckt den Sb6 und bereitet den Schwenk nach f6 vor.

26. Da7+ Kc7

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27. La3??

Je heikler und zweischneidiger die Stellung, desto höher der
Preis für einen Zug. Nach diesem Fehler steht Weiß unmittelbar auf Verlust.

(27. Ld2 war erforderlich mit der Idee Tf6 28. Tc1+ Nc4??

(28… Kd7 29. Dxb7+ Ke8 30.Db8+ nebst Dg3 und Weiß hält, steht mit seinem entfernten Freibauern sogar etwas besser.)

  1. La5+ und Weiß gewinnt. Diese Variante funktioniert in der Partie mit dem Läufer auf a3 nicht, dann könnte Schwarz tatsächlich 28… Sc4 spielen, und Weiß käme nicht weiter.)

27… Tf6 28. Lxe7

(28. Tc1+ Sc4 29. b6+ Kc6 geht nicht weiter für Weiß.)

28… Dxf3+ 29. Kd2 Dxf2+ 30. Kd3 Df5+ 31. Kc3 Te6 32. Lc5 Df2

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Schwarz muss nur noch sicherstellen, dass auf dem Damenflügel nichts anbrennt, dann hat er ein gewonnenes Endspiel auf dem Brett.

33. Lxb6+ Txb6 34. Tc1 Txb5 35. Kd3+ Kd7 36. Da4 Db2

Weiß gab auf.

Er hat keinerlei Gegenspiel mehr, drei Minusbauern auf dem Konto und
kann Damentausch nicht verhindern. Eine mutige Vorstellung von Andreas
Diermair, der mit diesem Schwarzsieg gegen einen nominell überlegenen Spieler seine dritte und letzte GM-Norm unter Dach und Fach brachte.

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[…] dem allgemeinen Schach-Aufschwung in Österreich (unlängst hat gar der Bundespräsident die Schach-Nationalmannschaft zur Olympiade verabschiedet) […]

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[…] österreichische Schach, was nicht nur daran abzulesen ist, dass die Österreicher erstmals alle vier Bretter mit Großmeistern besetzen können. Wien buhlt um die WM 2020, der Bundespräsident hat die Mannschaft nach Batumi […]

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[…] gleich zwei neue Großmeister hinzu. Erst Andreas Diermair, der sich bei der Europameisterschaft mit einem couragierten Schwarzsieg über einen 2.600-Spieler den Titel sicherte. Dann Valentin Dragnev, eine der großen Hoffnungen des österreichischen […]

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[…] gerade einen Lauf hast, habe ich trotzdem mitbekommen. Bei dir sprießen die Großmeister förmlich aus dem Boden, dein Nachwuchs holt eine Medaille nach der anderen, deine Nationalspieler werden zum […]

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[…] Hursky oblag die Aufgabe, den Verband in sein 100-Jähriges Jubiläum 2020 zu führen. Das ließ sich vielversprechend an, anfangs sah es aus, als habe der ÖSB sogar gute Chancen, das WM-Match 2020 nach Wien zu holen. Und während der Präsident immer wieder seinen leistungssportlichen Fokus betonte, lief es auf den Brettern der österreichischen Schachmeister sehr ordentlich. […]